Classic Driver unternimmt einen herbstlichen Abstecher ins Ruhrgebiet: Früher wurde hier Stahl gekocht, heute köchelt im Landschaftspark Duisburg-Nord alljährlich im Oktober die Historicar. „Ein leidenschaftliches Event historischer Kraftfahrzeuge“, wie die Macher versprechen. Die Stimmung siedet bei der vierten Ausgabe der Historicar zwar nicht über, doch wer regionale Events ohne großen Schaustress und entspannte Gespräche mit der automobilen Basis mag, dem wird hier trotzdem warm ums Herz.
Nein, ich sende Ihnen keine erneuten automobilen Amorgrüße aus Moskau. Sorry - ich warte auch mit keiner Showtime à la TC Essen oder der Stuttgarter Retro Classic auf. Ich serviere Ihnen einfach das Ergebnis ehrlicher Arbeit; ohne Umschweife, direkt und ungeschönt. Denn hin und wieder muss man zurück an die Basis. Zum kleinen Mann. „Business is local!“ So sagt man wissend. Also: Denn mal rein ins Geschäft. Ins tiefste Ruhrgebiet - mitten ins vom Malochen schwarze Herz des Potts: nach Duisburg. Zur vierten Ausgabe der regionalen Historicar Messe.
Mit dem neuen Jaguar XK sollte das flott gehen, so denke ich mir. Und richtig. Schnell und geschmeidig eilt der 4,2-Liter-V8 von Hamburg über die A1 an Bremen, Osnabrück und Münster vorbei, geradewegs in den Ruhrort. Der Jaguar streicht nahezu lautlos durch die Gefilde, an der schmalen Fensterfront gleiten Kühltürme, Schornsteine und Stromleitungen vorüber. Doch auch hier hat längst der Kulturwandel begonnen. Die Route der Industriekultur führt zwar immer noch an Zechen vorbei, allerdings auch in den Duisburger Landschaftspark – ein freundliches und zutreffendes Synonym für eine umgewidmete Industriebrache aus der Blütezeit der schweißtreibenden Stahlkocher-Ära. Entspannt komme ich nach knapp vier Stunden Fahrt an, parke den Jag am Rande eines alten Lagerbunkers und schlendere am lange erkalteten Hochofen vorbei zum Einlass der Historicar.
Schon vor den Toren locken die ersten Offerten. Ein klassischer 911er Targa, ein 3.5er Benz aus den Staaten, ein skurriler Pick-up Citroen DS. Der rote E-Type dahinten würde gut zum grauen XK passen, auch die beiden Alfa Bertone gäben ein tolles Pärchen. Messevorgeplänkel, nun mal rein. Auf den ersten Anblick zeigt sich: das Angebot ist überschaubar, der Besucheranlauf dennoch erstaunlich groß. Die Historicar hat sich offensichtlich herumgesprochen, über Duisburger, Bochumer und Essener Stadtgrenzen hinaus.
Bei den angebotenen Fahrzeugen sticht die bunte Mischung ins Auge, die durchaus unerwartete Begegnungen bietet: Ein Dino Ferrari ist anwesend, genauso wie ein penibel restaurierter Jaguar XK 120 aus Dubai oder diverse Südfrankreichbenze und leidlich entstaubte Scheunenfunde. Der blaue Bentley Conti kokettiert mit einer fünfstelligen Laufleistung in Kilometern und mit einem Zuschlagspreis von unter 50.000 Euro mit dem Schnäppchenetikett im Luxus-Segment. Alleine sein Blau fällt ein wenig zu grell aus: mehr Klempnerbleu als Royalblue. Muss man mögen oder eben stehen lassen. Deswegen parkt der Gute wohl auch in der etwas zu düsteren Halle, der „Kraftzentrale“.
Nette Akzente setzen die regionalen Klassiker-Clubs. Die Freunde des Porsche 968 zeigen einige gepflegte Exemplare dieses noch unterbewerteten Porsche aus den neunziger Jahren mit dem bulligen Vierzylinder-Frontmotor. Schön, dass die Szene dieses recht seltene Zwischenmodell entdeckt hat und pflegt. Gleich gegenüber wabern Dieselschwaden in der Luft. Hier glänzt eine weitere Porsche-Armada. In knalligem Agrar-Rot. Die Porsche-Traktoristen bieten das volle Aufgebot vom kleinen Junior bis zum zugkräftigen Master.
Als häufig besuchter Anlaufpunkt entpuppt sich auch der MG Car Club Deutschland. Grund hierfür ist die gute Auswahl zahlreicher Modelle vom klassischen TC über MGA und verschiedenen MGB-Varianten bis hin zum letzten MG, dem TF. Skurriler wirkt das Aufgebot des 2CV Fliegerclub Dinslaken und das Fiat 500 Geschwader mit Steyr Puch und kernigen Abarth Varianten. Einen Hauch von Klasse vermittelt hingegen die Staffel der eingefahrenen Fiat 2300 Coupés. Nur maximal 50 dieser eleganten Italiener sollen noch in Deutschland existieren. Ein schöner Anblick.
Die vierte Historicar glänzt aber auch durch ganz praktische Angebote: in der Kraftzentrale bietet sich ein umfangreiches Marktgeschehen zum Thema Automobilklassiker: die „Putztruppe“ vom Felgenpoint zeigen, wie sich oxidierte Alu-Räder in strahlende Hochglanzobjekte verwandeln. Selbst alte Kreuzspeichenfelgen lassen sich so zu feinem Räderwerk veredeln. Erstaunlich! In England längst Standard, bei uns eher noch ein Geheimtipp: Freunde der britischen Fahrzeugpflege können sich bei Autoglym über die große Sortimentsvielfalt informieren. In Duisburg präsentiert der Deutschlandvertrieb der sauberen Briten die gesamte Produktpalette.
Betriebe wie die Autoklinik, der Classic Driver Händler ClassicMotorCars oder Dörnenburg informieren über diverse Dienstleistungen und Schritte bei der professionellen Fahrzeugrestauration. Lederdoc und Oldtimerservice erläutern Sattlerarbeiten beim Klassiker – alles ganz anschaulich und frei von Messestreß. Bei Peter Steenbuck kann man in Stoff-Folianten blättern, um die richtigen Gewänder für seinen Mercedes–Klassiker zu ordern. Ersatzteilhändler wie Limora oder Kestel machen gute Geschäfte mit der Brit-Szene. Auch Brian Chase von Miller´s Oil Deutschland ist zufrieden: „Für uns ist die Historicar eine echte Kaufmesse und wirklich lohnend. Hierher kommen kundige Schrauber, die ihr Öl noch selber wechseln.“ Diesen Satz kann man denn auch mit gutem Gewissen als Fazit stehen lassen. - Die Historicar setzt bewusst auf Lokalkolorit und das ist gut so, weil es authentisch ist – breites Schrauberlatein, Kaffee schwarz und Kohlenpottromantik inklusive. Die Abendsonne verschwindet dunkelrot hinter dem Hochofen. Der Jaguar streckt seine Glieder. Der Startknopf scheint zu glühen. Gut, gut - ab nach Hause. Feierabend für heute.
Bildergalerie:
Text & Fotos: Mathias Paulokat
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