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Lernen Sie das Auto kennen, mit dem der Gruppe-B-Rallyesport zum Kinderspiel wurde

Mitte der 1980er-Jahre war jede Automarke, die mit dem süßen, aber auch gefährlichen Reiz des Gruppe-B-Rallyesports liebäugelte, damit beschäftigt, ihre Waffen zu schmieden. Peugeot machte mit dem 205 Turbo 16 keine Ausnahme. Dieses gut erhaltene Exemplar wird am 15. Oktober bei Aguttes versteigert.

Wenn Sie an ein sportliches Schrägheckauto der frühen 1980er-Jahre denken, können wir fast garantieren, dass eine Reihe von Modellen fast automatisch in der Liste auftauchen werden. Wie der 205, mit dem Peugeot einen absoluten Volltreffer landete. Ein kompaktes und praktisches sowie – nicht nur in seiner Cabrio-Version – viel Spaß bietendes Modell für nahezu alle denkbaren Kundenkreise.

Bevor wir uns näher mit dem coolsten 205 überhaupt, dem gewaltigen 205 Turbo 16 befassen, ist es wichtig, die Entstehungsgeschichte des 205 und seine Bedeutung für die französische Automobilindustrie zu verstehen. Jean Boillot (1926-2010), Ende der 70-erJahre Mitglied im Vorstand der Löwenmarke und ab 1984 Peugeot-Präsident, ist der Mann, dem wir Liebhaber boxiger Hatchbacks zu danken haben. Denn er war es, der in einer für das Unternehmen PSA schwierigen Zeit das Projekt eines neuen Kleinwagens aufsetzte, der eine weitaus ehrgeizigere Rolle spielen sollte als alle anderen Vorgänger in der Geschichte der Marke. Ein Auto, das sich in der Stadt ebenso wohlfühlte wie auf dem Land, das eine kleine Familie transportieren konnte und dabei für die breite Masse erschwinglich blieb. Und der auch noch pfiffig aussah, dank eines Designteams unter Leitung von Gérard Welter.

Als der 205 im Jahr 1983, also vor 40 Jahren, auf den Markt kam, gab es ihn mit vier Benzin-Motoren und einem Diesel. Aber die Nachfrage nach einer stärkeren Version wuchs schnell, und bereits ein Jahr später schob Peugeot den heute legendären 205 GTI nach. Mit wachsender Popularität wuchs auch der Wunsch nach einem Wettbewerb, der als ultimatives Marketinginstrument dienen sollte. Ganz nach dem alten Motto: „Rennen am Sonntag, Verkaufen am Montag“. Und so schmiedete Peugeot unter dem wachsamen Auge von Jean Todt, Leiter des Werksteams Peugeot Talbot Sport,  den 205 Turbo 16 – gedacht für die anspruchsvollste und gefährlichste Disziplin der Rallye-Welt: die mit den superstarken und -schnellen „Gruppe B“-Monstern ausgetragene WRC. 

In seiner ersten Saison (1984) deutete der Finne Ari Vatanen mit drei Siegen bereits das Potenzial des 205 Turbo 16 an. Das dann in den beiden Folgejahren für alle sichtbar wurde. Vatanens Landsleute Timo Salonen (1985) und Juha Kankkunen (1986) errangen hintereinander den Fahrer-Titel und in beiden Jahren feierte Peugeot zugleich den Gewinn der Markenwertung. Während viele Rallye-Fans vielleicht den furchteinflößenden Audi Sport Quattro oder den kaum weniger beeindruckenden Lancia Delta Integrale als die Könige der kurzlebigen Gruppe-B-Ära in Erinnerung halten, gebührt diese Ehre vielmehr dem 205 T16. Denn er kam in 26 WRC-Läufen 16 Mal als Sieger ins Ziel.

Neben den Einsatzwagen baute Peugeot in den Jahren 1984 und 1985 zwecks Homologation 200 straßentaugliche Modelle. Wie die entsprechenden Homologationsautos von Audi, Lancia, Ford und MG (Metro) hatten auch die 205 Turbo 16 nur noch sehr wenig mit einem „normalen“ 205 gemein. So übernahm das Rallyemodell nur die Windschutzscheibe, die Türen und die Scheinwerfer vom Serienauto. Um dem Audi Quattro mit seinem heulenden Fünfzylinder Paroli bieten zu können, rückte Peugeot den je nach Evolutionsstufe zwischen 350 und 515 PS starken 16-Ventil-DOHC-Vierzylinder in die Mitte des Fahrzeugs statt unter die vordere Haube. 

Die innovativen Motor- und Fahrwerkskomponenten des 205 Turbo 16 sind eine Augenweide: Der quer eingebaute Motor und das Getriebe sind nur wenige Zentimeter vom Trommelfell des Fahrers und Beifahrers entfernt und sorgen für eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung von 45:55 Prozent. Das intelligente Allradsystem ermöglicht es, bis zu 75 Prozent der Kraft an die Hinterachse zu leiten und gleichzeitig die Achsen zu sperren, wenn dies für maximale Geländetauglichkeit erwünscht wird.

Bis auf den weiß lackierten Prototypen wurden alle 205 T16-Homologationsfahrzeuge wie auch dieses schöne Exemplar im identischen Farbton Winchester Grey lackiert. Während man schon von einem Serien-205 keinen Luxus erwarten würde, ersetzt der T16 jede Form von Komfort und Luxus durch pures Theater und Emotionen. Das mit Messinstrumenten prall gefüllte Armaturenbrett ist mit Leder überzogen, passend zu den stark gepolsterten Schalensitzen, die aufgrund der direkt unter den Sitzen liegenden Kraftstofftanks höher montiert sind als in herkömmlichen Autos. Sie wissen schon, wegen der Gewichtsverteilung und so. Der spartanische Innenraum und der aufgrund des Reserverads und der Federbeinstreben aufgezehrte Stauraum im Bug machen den T16 nicht gerade zu einem perfekten Langstreckenfahrzeug. Aber wenn Sie ihm ein paar Kurven gönnen, wird er Sie reichlich belohnen!

Optisch führt der 205 T16 alle Merkmale einer zukünftigen Ikone ins Feld: Perfekt zeitgemäße, kastenförmige Linien, ausgeprägte, verlängerte Radkästen und riesige Lufteinlässe hinter den Türen tragen zur Dramatik dieses Homologations-Specials bei. Wenn Sie auf einem lokalen Autotreffen noch nicht genug Aufmerksamkeit erregt haben, dann wird das spätestens der Fall sein, wenn Sie durch das Öffnen der großen Heckklappe der Blick auf den Antriebsstrang freigeben. Die Klappe wurde speziell für spontane Reparaturen auf den Rallye-Etappen entwickelt, wo der nächste Felsbrocken oder das nächste Holzbrett Ihr bester 10-mm-Schraubenschlüssel sein kann. 

Dieses bemerkenswerte Exemplar, das als zwölftes Exemplar aus der 200er-Serie neu an den Peugeot-Vertreter in Ajaccio auf Korsika geliefert wurde, erhielt einen Kunden-Wettbewerbs-Kit, bestehend aus einem Überrollbügel aus Aluminium, einem speziellen Auspuffkrümmer, Schalensitzen, Gurten und spezieller Sicherheitsausrüstung. Zum Einsatz kam das Auto bei der Rallye du Maquis 1984. Das Team lag auf dem vierten Platz, als ein elektrisches Problem zur Aufgabe zwang. Das gleiche Malheur trat 1985 bei der Tour de Corse erneut auf. Weil für das Privatteam die Kosten für den Betrieb eines so stark beanspruchten Rennwagens zu kostspielig wurde, wurde er an einen an der Côte d'Azur lebenden Enthusiasten verkauft. Aktuell hat dieser 2017 optisch auf seinen Originalzustand zurückgebrachte und aktuell noch einmal für 10.000 Euro mechanisch komplett überholte 205 T16 erst 44.000 Kilometer zurückgelegt, die Motorleistung wird mit gut über 200 PS angegeben.

Nach atemberaubenden 15 Jahren und 5.278.050 Einheiten, vom Cabrio bis zum Kastenwagen Fourgonnette, vom Einzelstück bis zu 205 Turbo-16-Modellen für Paris-Dakar oder Pikes Peak, war der 205 in all seinen Ausprägungen weit mehr als nur eine Schräghecklimousine für alle Fälle. Sondern ein Modell, dass die bis dahin eher konservative Marke Peugeot in die Moderne katapultierte. Seine große Beliebtheit rührt vom Alltäglichen bis zum völlig Verrückten, mit dem 205 Turbo 16 als ultimativer Iteration – die zeigt, wie weit Peugeot bereit war, zu gehen. Als Neufahrzeug hat ein 205 Turbo 16 vielleicht genauso viel gekostet wie ein Porsche 911 Carrera 3.2 oder ein Ferrari 308 GTB. Aber sein Charme und seine Seltenheit machen ihn heute zu einem mehr als seltenen Sammlerstück. Und weil er ein vom Motorsport beeinflusstes Kunstwerk ist, lieben wir ihn umso mehr!

 

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