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Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer

Zum neunten Mal fand vergangenes Wochenende in der Republik San Marino mit rund 160 bemerkenswerten historischen Fahrzeugen die diesjährige Rallylegend statt. Das Ergebnis: ein Kleinstaat im Ausnahmezustand.

Wer es gleich den zahlreichen Rallye-Besatzungen in San Marino ganz besonders eilig hat, sollte folgende Eindrücke und Fakten von der Rallylegend 2011 mitnehmen: Der Finne Juha Kankkunen errang den Sieg. Luca Pedersoli raspelte auf Peugeot die schnellste Zeit ins Schotterbett. Und Audi, Porsche und Volkswagen inszenierten eine beeindruckende Reminiszenz an die eigene Rallye-Historie. Die rund 50.000 Zuschauer dankten das oktanreiche Programm mit einem erneuten Besucherrekord. Rallylegends 2011: Settimo cielo, siebter Himmel.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer
Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer


So, liebe Freunde des historischen Motorsports, nun sind wir Genießer unter uns. Und können in Ruhe weiterlesen. Man war sich schnell einig im Staate San Marino: „Quer kommt gut.“ Je stärker der Driftwinkel der Rallye-Fahrzeuge ausfiel, desto größer war auch die Begeisterung der Menschen am staubigen Streckenrand. In der ältesten Republik der Welt wird der Rallye-Sport demokratisiert und groß geschrieben. Unglaublich groß. Vermutlich hat jeder dritte Einheimische einen Rallye-Wagen in der Garage versteckt. So jedenfalls der Eindruck an diesem Wochenende: Auf dem schroffen Staatsgebiet nahe der adriatischen Küste von Rimini waren vom 6. bis zum 9. Oktober erneut die Rallylegends ausgebrochen. Zum bereits neunten Mal – bei endlich deutlich verbesserter Organisation. Und die machten im Schatten des Monte Titano kräftig Krawall, wirbelten reichlich Staub auf und verschlissen dutzendweise Reifensätze.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer
Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer


Man darf es getrost wörtlich nehmen. Der Name der Rallylegends ist in der Repubblica di San Marino durchgängig Programm: Hier kommen alljährlich die Ikonen der Rallye-Geschichte zurück auf die Strecke. Und sie werden nicht geschont. Große Marken wie Audi, Alfa Romeo, BMW, Lancia und Porsche kämpften auch in diesem Jahr wieder um Punkte und die Gunst des Publikums. Am Ende gewann Juha Kankkunen auf einem Toyota Celica die Rallylegend 2011. Dabei war er nicht der schnellste Starter. Der hieß Luca Pedersoli im Peugeot 206 WRC. Auf 46:15.5 Minuten summierte sich seine Zeit für die zehn anspruchsvollen Wertungsprüfungen. Der hoch gehandelte Marcus Grönholm, der ebenfalls mit einem Peugeot 206 WRC startete, schuldete sein vorzeitiges Ausscheiden einem Schaden am Turbolader seines Fahrzeugs.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer
Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer


Tatsächlich waren es jedoch die älteren Fahrzeuge, die ganz besonders begeisterten. Volkswagen Classic hatte zwei echte Überraschungen nach San Marino mitgebracht: Die präzise und über 220 PS starke Replik des originalen Golf I GTI Rallye aus dem Jahr 1980 und einen echten Weltmeister: den rund 170 PS starken Golf II GTI der Gruppe A aus dem Jahr 1986. Dieter Depping ging mit dem früheren Weltmeister Peter Diekmann als Beifahrer auf die zehn Wertungsprüfungen. Für den dreifachen deutschen Rallyemeister, Dakar-Pilot und jetzigen Skoda-Testfahrer war dies ein ganz besonderes Ereignis. Ebenso wie für Diekmann, der das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Weltmeister-Golf sichtlich genoss. „Der stand jahrelang im Museum, endlich kommt der mal wieder raus auf die Strecke. Das gilt im übrigen auch für mich. Und die alten Haudegen wieder zu treffen, ist einfach großartig“, so der 67-jährige gut gelaunt gegenüber Classic Driver.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer

Auch ein notwendiger Getriebewechsel am zweiten Rallye-Tag konnte die Stimmung der beiden nicht trüben. „Der zweite Gang klemmte“, so Depping. „Da musste die Schaltzentrale raus.“ Das Auto begeisterte dennoch durch seine mechanische Direktheit. Nicht weniger angetan zeigten sich Per Eklund und Hans Sylvan von ihrem Fahrzeug. Sie starteten mit einem gelben Golf I GTI, dem sorgsamen Nachbau des Rallye Monte Carlo Golfs aus dem Jahr 1980. Volkswagen Classic machte mit diesem doppelten Auftritt auch auf das geplante WRC-Programm 2013 aufmerksam. Dann soll der Polo R WRC die FIA-Rallye-Weltmeisterschaft bestreiten. Nach drei Siegen in Folge bei der Rallye Dakar setzen sich die Wolfsburger damit neue Ziele im Spitzensport.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer
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Als Publikumslieblinge in San Marino indes erwiesen sich erneut das Team Markus Gerber und Peter Thul, welches den brachialen Audi Sport quattro S1 bis an die Grenzen trieb. Der Fünfzylinder der Rallye-Gruppe-B beeindruckte durch infernalen Motorklang, irre Geschwindigkeit und seinem typisch zischendem Pfeifen. Im Basislager der Volkswagen-Gruppe und auf der Strecke fand sich eine weitere Rallye-Legende: ein Rothmans Porsche 911 mit Allradantrieb, Baumuster 953. Kein anderer als Jacky Ickx nahm hinter dem Steuer des weiß-blauen Porsche mit enormer Bodenfreiheit Platz. „Das ist ein echtes Offroad-Fahrzeug“, so Ickx.

Rallylegend San Marino 2011: Kreuz und quer
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Daneben faszinierten in San Marino vor allen Dingen Fahrzeuge der Marke Lancia. Legendäre Boliden im Martini-Racing-Look prägten das Bild im Fahrerlager. Die Dichte der Integrale-Modelle war schlicht verblüffend. In punkto Lautstärke lag der Fiat 131 von Paolo Diana eindeutig vorn. Die Rallye-Limousine ließ ganz San Marino erzittern. Marcello Colombini wiederum scheuchte seinen BMW E30 M3 permanent in den Grenzbereich. Und fuhr dabei mehr quer als geradeaus. Am Sonntag begeisterte schließlich eine großartige Lancia Stratos-Parade das Geschehen. Anlässlich des 40. Geburtstags dieses legendären Keils präsentierten sich 20 authentische Fahrzeuge beim Schaulaufen – ein wohl einmaliges Erlebnis, welches Vorfreude auf die zehnte Ausgabe der Rallylegend im kommenden Jahr weckt.

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Frank Ratering, Mathias Paulokat