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Jaguar XFR: Böse ist gut!

Jaguar XFR: Böse ist gut!

510 PS. Die schiere Kraft aus fünf Liter Hubraum. Ein bulliger V8 mit mechanischem Kompressor unter der Haube. In 4,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Volle Klangfülle. Die Erscheinung: Glutrot. 20-Zoll-Räder. Das ist der aktuelle Jaguar XFR. Herz, was willst Du mehr?

Hubraum ist durch nichts zu ersetzen. Das stimmt. Man kann ihn jedoch sinnvoll ergänzen. Zum Beispiel mit einem mechanischen Eaton-Drehkolbenlader. Und der kitzelt aus dem 5,0 Liter Motorblock des Jaguar XF V8-Saugers ein Leistungsplus von 125 PS aus den acht Brennräumen. 510 PS sind es somit insgesamt beim neuen Jaguar XFR. Das Drehmoment des XFR klettert parallel: 625 Newtonmeter liegen beim „Supercharged“ maximal an, 515 sind es beim Sauger. Das sind spürbare Aufschläge. Auch beim Preis: 27.800 Euro beträgt die Preisdifferenz zwischen dem XF 5.0 V8 und dem XFR. Den Einstiegs-XF mit Dieselmotor gibt es gar für die Hälfte. Doch: geschenkt! Denn wie könnte man echte Emotionen mit blossem Mammon aufwiegen? Gar nicht. Eben! Der XFR sprintet, läuft und rennt genau so, wie es seine Leistungsdaten erwarten lassen. Einfach famos. Mit einer großzügigen Injektion Treibstoff startet der Motor weithin hörbar nach Drücken des rot glühenden Startknopfes. „Geht es nicht etwas leiser?“, scheinen mir die Spaziergänger im spätherbstlichen Buchenhain mit ihrem Blick vorzuwerfen. „Nein!„ antworte ich im Geiste. Denn das muss schon sein. Schließlich darf jeder wissen: Hier erwacht ein böser V8. Wenigstens 92.700 Euro hat der Fahrer in seinen XFR investiert. „Glücklicherweise hat er nicht zwei Diesel davon gekauft, darf man jedem XFR-Fahrer konzedieren.“

Jaguar XFR: Böse ist gut!
Jaguar XFR: Böse ist gut! Jaguar XFR: Böse ist gut!


Lautlos gleitet der zentrale Drehknopf für das Getriebe aus seiner Versenkung. Kühl liegt das gekörnte Metall zwischen den Fingern. Der Achtender säuselt derweil leise, der Dinge harrend, die da kommen. Ich empfehle bei der ersten Begegnung mit dem Jaguar XFR nicht gleich im Sport-Modus zu starten. Der Normalmodus reicht völlig. Das „D“ steht hier zwar auch für Drive, mehr aber noch für Durchzugskraft. Denn der Eaton-Lader leistet sofort und praktisch permanent ganze Arbeit. Statt eines Leistungsloches lässt umgehende Präsenz den XFR schnell nach vorne schnellen. „Hoppla, das geht hier aber flott voran“, ist deswegen der erste Gedanke, der jedem XFR-Passagier in den Sinn schiesst. Ja, und wie! Motor und Sechsstufenautomatik arbeiten souverän zusammen. In nur 4,6 Sekunden spurtet der zwei Tonnen schwere Wagen aus dem Stand auf 100 km/h. Es geht ebenso schnell weiter. Der elektronische Begrenzer fängt den XFR bei 250 km/h ein. Und zwar so spürbar, dass man den freien Top-Speed bei knapp unter 300 vermutet. Bei all diesem Verve, ist der Diesel hier das Letzte, woran ich denke.

Jaguar XFR: Böse ist gut!
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Dann die Optik. Glutrot steht der Jag vor uns. Das Facelift hat ihm gut getan. Die Hauptscheinwerfer wirken nicht so aufgeschreckt wie bei der ersten Serie. Die großen LED-Tagfahrlichtbögen geben dem Jaguar zudem einen grimmigen Ausdruck, der gleichwohl nicht übertrieben aggressiv wirkt. Große Lufteinlässe in der Front. Belüftungsscharten in der Motorhaube. Rote Bremssättel rundum. Ein Diffusor und vier Endrohre am Heck. Dazu das „R“ Sportabzeichen. Ein gelungener Trim. Die gesamte Anmutung erinnert mehr an Coupé als an Limousine. Dazu trägt im Innenraum auch der dunkle Alcantara-Bezug bei, den Jaguar dem XFR aufwärts der Säulen und am Dachhimmel spendiert hat. Die gesamte Verarbeitung ist sehr ordentlich. Das griffige schwarze Leder unterstreicht die maskuline Note des XFR. Ja, Habitus und Charakter stimmen.

Jaguar XFR: Böse ist gut!
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Einen Blick unter die Haube ersparen wir uns allerdings lieber. Plastikabdeckungen sind für diesen Vollblüter einfach nicht angemessen. Und da wir gerade beim Meckern sind: Die fummelige Bedienung des Touch-Screens ließe sich auch noch optimieren. Unser Vorschlag: einfache Drehknöpfe und Schalter bitte. Die Übersichtlichkeit des 4,96 Meter langen Wagens ist bei trivialen Parkmanöver, die der Alltag leider fordert, eher dürftig. Abstandssensoren sind daher Pflicht. Auch die Rückfahrkamera ist hilfreich. Schade ist nur, dass die elektrischen Helfer nicht ganz mit der Geschwindigkeit des XFR mithalten können. Man wünscht sich insgesamt mehr Tempo im gesamten Bordnetz.

Jaguar XFR: Böse ist gut!


Dafür arbeitet das elektronische Sicherheitsnetz tadellos. Der XFR neigt zum Untersteuern und hier greift das ESP verlässlich ein. Damit ist man im Alltag verdammt schnell unterwegs. Wer das Fangnetz jedoch ganz abschaltet, den Race-Modus wählt und das Getriebe in die Sportstellung bringt, erlebt einen ganz und gar entfesselten Jaguar. Achtung! Wehe dem, der die Katze nicht zu bändigen weiß. Der warme V8 ist nun in Topform. Er faucht, grollt und wummert. Und beißt gnadenlos zu. Die 20-Zöller suchen ständig nach Halt. Das Getriebe schnalzt die Gänge so flink herein, dass jeder Zug an den Schaltwippen unbedingt sitzen sollte. Das straffe Fahrwerk fördert dabei die schnelle Gangart. Der Jaguar brennt seine Bahn durch den Herbsttag. Er ist auf der Jagd. Speed ist seine Passion. Auch hinter dem Steuer reine Emotion. Wunderbar. Das Urteil ist daher eindeutig: Lang lebe der Kompressor.

Text & Fotos: Mathias Paulokat