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Porsche 911 Turbo Cabrio

480 Pferdestärken, 620 Newtonmeter und kein Dach über dem Kopf sind die erschreckenden Tatsachen einer Cabriotestfahrt inmitten eines Tiefdruckgebietes. Das Porsche 911 Turbo Cabriolet als Freiwild der Naturgewalten. Doch – muss denn überhaupt die Sonne scheinen, um mit dem Porsche 911 Turbo Cabriolet in die höchsten Turbosphären zu gelangen? Wir haben unseren Gefährten durch Regen, Sturm und Nebel getrieben und verraten Ihnen, ob das Auto wetterfest ist.

Hamburg, 23. August 2008. An diesem Tag ergießt sich der Himmel wie an keinem anderen über Norddeutschland. Es regnet in Strömen, 24 Stunden ohne Unterbrechung. Ausgerechnet heute führe ich das Porsche Turbo Cabriolet nach Sylt aus. Es heißt, dass ab etwa 180 km/h der Regen den Weg ins offene Cockpit nicht mehr schafft, also darüber hinweg rauscht. Offen fahren wäre entsprechend realistisch. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob der Turbo bei diesen Witterungsverhältnissen seine Kraft auf die Straße bringt. Mit 480 PS und 620 Nm (im Overboost-Modus gar 680 Nm) steht der Porsche mit einer Achse im Supersportwagenhimmel. Erst recht in Hinblick auf die Fahrleistungen: Von Null auf 100 km/h braucht das Coupé mit Automatikgetriebe nur 3,7 Sekunden, das Cabrio 3,8 Sekunden. Diese Werte wurden jedoch irgendwann auf trockenem, lauwarmem Asphalt und wohl temperierten Reifendecken gefahren…

Porsche 911 Turbo Cabrio Porsche 911 Turbo Cabrio

Bevor ich mit dem indischroten 911 Turbo Cabrio durchstarte, nehme ich es mir noch einmal genau ins Visier. Der Turbo ist der Gentlemansportler unter den Über-400 PS-911ern. Er tritt vornehmer und erwachsener in Erscheinung als die drahtigen GT3- und GT3 RS-Rennsemmeln. Auch die Konkurrenz von Lamborghini, Ferrari oder Chevrolet prahlt in dieser Liga mit deutlich dramatischeren Formen. Frontal betrachtet wirkt der Turbo erstaunlich nüchtern, man muss schon einen Schritt zur Seite treten, um die prächtigen Lufteinlässe an den ausgestellten hinteren Radhäusern zu entdecken. Im Profil kennzeichnen luftige 19-Zoll-Speichenräder den Turbolook, optional entblößen sich dahinter Keramikbremsen mit gelb lackierten Bremssätteln. Doch so vornehm einen der Turbo auch begrüßen mag, so imposant und ungestüm ist sein Abschied – am breiten Hinterteil haben die Aerodynamikingenieure einen Zwei-Etagen-Flügel platziert, der bei 120 km/h ausfährt und damit die Anpressfläche verdoppelt. Der Stoßfänger ist durch seitliche Luftöffnungen und herausragende ovale Abgasendrohre gezeichnet. Der obligatorische Turboschriftzug besiegelt, welche Kraft im Heck des Sportwagens waltet.

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Beim Starten schüttelt sich der 3,6-Liter-Biturbomotor mit bekanntem Boxer-Röhren kurz den Schlaf aus den Brennkammern, dann verflüssigt sich der Ton in ein kraftvoll-cremiges Rauschen. Durch die dynamische Turbinensteuerung, Porsche nennt sie variable Turbinengeometrie, reagiert der Turbomotor aus dem Stand wie ein Katapult: Bereits bei 1.950/min. presst das Triebwerk maximale 620 Newtonmeter auf die Straße und schiebt und drückt die Massen Gang für Gang, über das gesamte Drehzahlband bis auf über 310 km/h. Zugute kommt dem Turbo dabei der permanente Allradantrieb in Verbindung mit dem Porsche Traction Management, kurz PTM. Per elektromagnetisch betätigter Visco-Lamellenkupplung wird die Kraftverteilung an Vorder- und Hinterachse in nur 0,1 Sekunden variabel gesteuert. Das System nimmt also aktiv Einfluss auf den Antrieb, damit stets die bestmögliche Traktion erreicht wird. Mit eingeschaltetem PSM, in Kombination mit der serienmäßigen, aktiven Luftfederung PASM lässt sich der 911 Turbo praktisch nicht mehr aus der Spur bringen. Soweit die Theorie, die Wasserschlacht liegt mir noch bevor.

Auf der Umgehungsstraße zwischen Westerland und Kampen prüfe ich mit leichten Gasschüben die Traktionsbereitschaft der 235/35er- bzw. 305/30er-ZR-Bereifung. Der Turbo rennt schnurstracks nach vorn. Ich erhöhe den Druck und leite einen sanften Kickdown ein. Ein kurzes Aufheulen, dann prangen 120 km/h auf dem Tachoblatt. Der Tröpfcheneffekt beginnt: Der Porsche schiebt eine Druckwolke vor sich her, an der die Wassertropfen wie Staubpartikel abprallen. Geschafft! Ich tauche ab in die Turbosphäre, ohne nass zu werden, allen Naturgewalten zum Trotz.

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Erst beim groben Beschleunigen versetzt der Porsche auf dem nassen Asphalt und stört den Frieden unter der schützenden Kanzel. Jedoch nur kurz, ehe das PSM eingreift und das Auto wieder zurechtrückt. Auch in den Kurven lässt sich das Auto mit etwas Feingefühl sportlich bewegen und dabei präzise kontrollieren. Zur Erinnerung: Unter dem Auto ist die Fahrbahn immer noch nass. Zurück auf der Geraden bläst der Porsche eine graue Wolke aus Wassertröpfchen, Abgasen und Gummimolekülen in die Atmosphäre. Sie erinnert an das nahende Tiefdruckgebiet, das sich eindrucksvoll über der Wattseite erhebt.

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Ich verlasse die emotionale Turbosphäre und besinne mich zurück auf Zahlen und Fakten: 3,7 Sekunden, 310 km/h – Fahrleistungen, die wahrscheinlich nur der Turbo mit soviel Understatement und gleichzeitig so universell fahrbar auftischt. Wer es mag, muss allerdings mindestens 153.956 Euro, mit der Tiptronic S-Automatikvariante sogar 156.901 Euro hinlegen, um in den Genuss zu kommen. Gut ausgestattete Varianten – inklusive Keramikbremsen (PCCB) und Sport Chrono Paket – kosten mindestens 170.000 Euro. In die trockene Turbosphäre gelangen Sie übrigens auch mit dem günstigeren Coupé, das kostet immerhin nur 145.953 (Tiptronic S) – oder bei Sonnenschein. Mit dem Turbo ist eben (fast) alles möglich.

Text & Fotos: Jan-Christian Richter
Produktion: AKV, AS, JCR


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