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Porsche 911 GT3 RS & Lamborghini Gallardo Superleggera



Ungeschönt, unzensiert, ungefiltert und so unvereinbar wie unvergleichlich! Sie sind zerrissen zwischen Extremen, Grenzgänger aus den Randbereichen der zivilisierten Sportwagenwelt. Sie stehen für Purismus, Leichtigkeit, Drastik, Gewalt. Allein sind sie wild und bedrohlich, zusammen eine akute Gefahr für Vernunft und Verstand. Jetzt im Rendez-Vous der Gegenpole: Slimfast-Stier meets Lightweight-Leitwolf, Lamborghini Gallardo Superleggera meets Porsche 911 GT3 RS!

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Wer ein Faible für japanische Fesselungsspiele hegt, dürfte den Lamborghini Gallardo Superleggera auf Anhieb lieben. Festgezurrt in Vierpunkt-Renngurten, durch die Alkantarabezüge der Sportschalensitze zusätzlich fixiert, erfordert es lange Arme und einen starken Willen, um das Zündschloss überhaupt zu erreichen. Im Erfolgsfall wird man mit einer nackenhaarsträubenden Heavy-Metal-Ouvertüre aus den Tiefen des Motorraums entlohnt, die durch das besonders leichte Polykarbonat der Heckscheiben noch teuflischer dröhnt als im „unbehandelten“ Gallardo. Um die Vorher-Nachher-Rechnung vor dem Tritt aufs Gas noch fix abzuwickeln: Superleggera bedeutet „besonders leicht“, in Zahlen sind das 1330 Kilogramm. Ganze 100 Kilo hat das Zehnzylinder-Modell durch Leichtbau und konsequentes Weglassen verloren, zur Slimfit-Diät gehören Rückspiegel, Heckstoßfänger, Innenraumverkleidungen und eine Motorhaube aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff - kurz CFK – genauso wie die besagten Plastikscheiben. Weggehungert wurde auch das Navigations- und Entertainment-System; Klimaanlage und Fensterheber dürfen allerdings bleiben - sie sichern das für die größtenteils amerikanische Kundschaft nötige Minimum an Alltagstauglichkeit und Komfort.

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Porsche dagegen setzt mit dem Elferreihen-Topmodell auf die reine Lehre des Rennsports: Die Stuttgarter schicken nicht nur das Auto, sondern auch den Fahrer auf Magerkur. Überschüssige Pfunde bestrafen die spartanisch bezogenen Rennsitze umgehend mit blauen Flecken im Hüftbereich. Auch der signalgrüne Überrollkäfig im hinteren Teil des Cockpits erteilt dem Fahrer bei jedem Blick in den Rückspiegel erneute Lektionen in Demut. Die gelbe Mittenmarkierung auf dem griffig-grauen Alcantaralenkrad – ein Relikt aus dem Rallyesport, die dem Piloten nach heftigen Lenkmanövern zeigt, wo oben und unten ist – stellt schließlich klar: Wenn Du einen ultraschnellen Porsche suchst, kauf’ den Turbo! Der RS spielt in einer rauheren Liga, im Grenzbereich zwischen Schnellstraße und Rennstrecke, und will auch entsprechend behandelt werden! Das Spiel mit den Zulassungsvorschriften betreibt Porsche bereits seit 1972 - als Basis für die neueste Variante dient der Porsche 911 GT3, dem die 44 Millimeter breitere und somit auch stabilere Karosserie des 911 Carrera 4 aufgesetzt wurde. Abgespeckt wurde – ähnlich wie beim Lamborghini – durch Spoiler, Heckdeckel und Fenster aus Kunststoff sowie den spartanisch bemöbelten Innenraum. Statt des Entertainment-Systems wurden allerdings die Kabel der Klimaanlage gekappt. Rund 1375 Kilo stehen so auf der Wage, 20 Kilo weniger als beim GT3.

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Für absolute Reduktion hat Lamborghini – sonst eher berüchtigt für schrille Kolorite - sogar an den Farben gespart: Mit Grigio Teleste als Lackfarbe, dazu grauen Felgen und grauem Wildleder im Cockpit könnte unser kantiger Gallardo Superleggera auch als monochromatisches Mischwesen aus Steinaxt und Stealthbomber durchgehen. Zum farblichen Ausgleich unseres Rendez-Vous setzten die sonst eher silbrig-konservativen Stuttgarter auf ein leuchtendes Signalgrün, das dem Porsche 911 GT3 RS den toxischen Charme eines brasilianischen Pfeilgiftfrosches verleiht. Während der Zehnzylinder des Lamborghini bereits erwartungsfreudig schnaubt, erwacht auch der Boxermotor des Porsche – ohne das selbstverliebte Kampfgebrüll des Italieners, doch mit unterschwelligem und heiserem Grollen, das im höheren Drehzahlbereich zu einem mark- und beinerschütternden Doppeldecker-Dröhnen anzuwachsen verspricht. Im Formationsflug geht es auf den Zubringer. Der Superleggera zieht animalisch voran, brüllt und heult bei jedem zähmenden Griff in die Lenkrad-Schaltpaddel ungeduldig auf; der GT3 RS klebt an seiner Seite, zieht dann vorbei, die Kupplung fordert stählerne Beinmuskeln, die eng gestuften Gänge kommen hart und direkt, das Lenkrad gibt absolutes Feedback, der Boxer singt und versetzt das Cockpit in sonore Schwingung. Dann öffnet sich, breit und frei, wie ein graues Band zwischen vom Sommerregen dampfenden Wäldern, die Autobahn.



Schon die ungleiche Motorisierung macht jeden Direktvergleich zwischen Porsche und Lamborghini hinfällig. Der 5-Liter-V10-Mittelmotor des Superleggera, im Trainingslager um 10 PS auf 530 PS aufgerüstet und für ein maximales Drehmoment von 510 Nm bei 4250 Touren konzipiert, ist für die endlose Gerade gebaut – hier kommt auch der Abstand zum vergleichsweise schweren Serien-Gallardo zum Tragen: In 3,8 statt 4,2 Sekunden katapultiert man mit dem Leichtbau-Lambo auf Tempo 100; in 12,8 Sekunden streift die rote Nadel die 200-km/h-Marke – 2,2 Sekunden früher als bisher. Bis 315 km/h lässt sich der Zehnzylinder auf diese Weise laut Werksangabe hochdrehen, dann wird die freie Bahn vor der flachen Frontscheibe zum Tunnel, im Augenwinkel zieht die Landschaft farbige Schlieren und im Rücken wütet eine Maschine, die man in dieser Wucht nur bei Lamborghini finden kann. Für prompte Rückkehr ins bekannte Raum-Zeit-Kontinuum sorgt dann nur noch der optionale Satz Keramikbremsen. Der 3,6 Liter Boxermotor des Porsche tritt mit 415 PS bei 7.600/min, 405 Nm maximalem Drehmoment und 8.400/min als maximaler Drehzahl andere Töne an. Im unteren Bereich vergleichsweise diszipliniert, übernimmt ab 4.000 Touren das Hochdrehkonzept die Überhand. Wer den Drehzahlmesser einmal bei gedrückter Sporttaste bis zum Anschlag treibt, ist begeistert: So millimetergenau lässt sich die Motorkraft dosieren, so abrupt, hart und präzise leitet das Fahrwerk alle Befehle auf die Straße, so überwältigend grollt der Boxer im Heck. Long story short: Neunelf auf das Wesentliche, auf sein Maximum reduziert.

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Das Kurvenstakkato der Landstraße nutzen beide Sportwagen, um ihre unterschiedlichen Fähigkeiten erneut zu beweisen. Der Porsche punktet durch Übersicht und Wendigkeit, zieht leichtfüßig entlang der Ideallinie und reagiert derart explosiv auf jeden Tritt aufs Gas, als hätte man ihn vorher mit Rennbenzin betankt. Wild und ungestüm fädelt sich auch der Lamborghini durch die engen Kurven. Die Lenkung ist so direkt und präzise wie nie, der Allradantrieb lötet die Reifen förmlich an den Asphalt, die Gänge knallen wie Peitschenschläge. In wildem Reigen jagt sich das ungleiche Duo durch Wälder und Wiesen, während man im Geiste von einem Steuer zum anderen springt, unfähig, die eigene Priorität zu erkennen: Ob grau oder grün, Kantenkeil oder Kurvenstar, Superleggera oder GT3 RS. Wir sagen: Manchmal ist keine Entscheidung auch eine Entscheidung! Räumen Sie Ihre Doppelgarage frei! Und schreiben Sie den Scheck für das härteste Duo seit Doctor Jekyll und Mister Hyde, nur ohne Jekyll und mit doppeltem Hyde.

Text & Fotos: Jan Baedeker
Produktion: MM, JPR, AS, JCR


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Für die freundliche Unterstützung unserer Fotoproduktion danken wir dem Porsche Zentrum Hamburg Nord-West sowie dem Fahrsicherheitszentrum Lüneburg, wo am Sonntag, den 1. Juli 2007, ein großes Sportwagentreffen stattfindet.




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