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Zu Besuch beim italienischen Meistermechaniker Davide Riparbelli

Die Werkstatt von RS Historics nahe Monza ist eine der ersten Adressen in Italien für Rennvorbereitungen und komplexe Restaurierungen. Wir haben Gründer und Meistermechaniker Davide Riparbelli besucht.

Sobald man die Werkstatt von RS Historics in Albiate, einer kleinen Stadt zwischen Monza und Como, betreten hat, befindet man sich in einer anderen Welt. Es ist einer dieser magischen Orte, die nach Öl, Benzin und Metall durften – und in denen der Geist des Rennsports aus seiner goldenen Epoche noch lebendig zu sein scheint. RS Historics ist eine anspruchsvolle Automobilwerkstatt. Und sieht deshalb aus, wie anspruchsvolle Automobilwerkstätten in Italien nun einmal auszusehen haben: Ein grün bemalter Boden, Kisten voller Werkzeuge und Kartons voller Teile, Motorblöcke und Getriebeteile auf Werkbänken, Renntrophäen, Bücher, Souvenirs – und eine Reihe von Autos in verschiedenen Stadien der Dekonstruktion. Was diese Schraubstätte von den allermeisten Betrieben in diesem Land unterscheidet, das ist die Qualität der Autos, die hier restauriert und für den nächsten Renneinsatz präpariert werden. Wer spontan vorbei schaut und Glück hat, kann Davide Riparbelli dabei beobachten, wie er an einem Alfa Romeo 182 F1, dem einstigen Lotus 21 von Jim Clark oder einem wachechten Alfa Romeo GTA hantiert und schraubt.   

Davide Riparbelli ist ein freundlicher, bärtiger Mann, oft mit einer brennenden Zigarette zwischen den öligen Fingern – und einer der angesehendsten Rennwagenspezialisten in Italien. Zudem, und das ist vielleicht sein wichtigstes Merkmal, ist er ein absoluter Perfektionist. Was er anfängt, das bringt er auch zu Ende, und hört nicht auf, bis er mit dem Ergebnis vollends zufrieden ist. Für Davides Kunden, die ihm ihre historischen Formel-1-Boliden und Rennprototypen anvertrauen, kann sein Perfektionismus rennentscheidend sein. 

Nachdem er beim englischen Historic Racing Guru Simon Hadfield in einer mehrjährigen Ausbildung wirklich alles über die anspruchsvolle Mechanik der alten Renner gelernt hatte, kehrte Davide nach Italien zurück und gründete zusammen mit seinem Compagnon Enrico Spaggiari den Spezialbetrieb RS Historics. Wie ein typischer Meister seiner Kunst verliert Davide nicht gerne viele Worte über seine eigenen Fähigkeiten, Prahlerei liegt im fern. Lieber lässt er seine Arbeit für sich sprechen. Dennoch konnten wir nicht anders, als Davide mit ein paar Fragen zu löchern.  

Was ist deine älteste Erinnerung an ein Automobil?

Ich habe Autos und ihre Mechanik geliebt, seit ich denken kann – doch es gab da ein Ereignis, an das ich mich bis heute erinnere. Bei einer Feierlichkeit, ich muss etwa fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, ließ mich jemand in seinem Ferrari Testarossa sitzen. In diesem Moment realisierte ich, dass ich mit Autos arbeiten wollte. Schnellen Autos.

Wer hat dich zu den Autos gebracht?

Sowohl mein Onkel, als auch mein Großonkel – der berühmte Carlo Felice Bianchi Anderloni –, brachten mich mit der Welt der Autos in Kontakt. Die Initialzündung war es jedoch, als mein Stiefvater mich dem großen Rennmechaniker Simon Hadfield vorstellte.

Wie kam das?

Es war das Jahr 1996 und ich war 13 Jahre alt. Mein Stiefvater sprach ihn bei der Coppa Intereuropa in Monza an und fragte, ob ich nicht einen Sommer in seiner Werkstatt zuschauen und mitarbeiten dürfte. Er stimmte zu – und seit ich 14 Jahre alt war verbrachte ich jeden Sommer einen Monat in England. 

Mit 14 Jahren wusstest Du also schon, dass du mit klassischen Rennwagen arbeiten wolltest? Das ist ungewöhnlich.

Ja das wusste ich. Klassische Automobile an sich sind für mich bereits Kunstwerke, aber historische Rennwagen spielen einfach in einer anderen Liga. Wenn man sie studiert, ahnt man, wie unglaublich clever Ingenieure wie Colin Chapman, Jack Brabham, Mauro Forghieri oder Gordon Murray waren – um nur einige meiner Helden zu nennen – und wie sehr sie sich in ihrem Ansatz voneinander unterschieden. Das finde ich absolut faszinierend!

Wie ging es für dich weiter?

Nach 10 Jahren, in denen ich jeden Sommer bei Simon Hadfield hospitiert hatte, bot er mir eine Festanstellung an, und ich blieb weitere fünf Jahre. Vor fünf Jahren kehrte ich nach Italien zurück und gründete RS Historics.

Simon Hadfield gilt als einer der besten Rennwagenspezialisten in Europa. Wie war es, mit ihm zu arbeiten – und was hast du von ihm gelernt? 

Ok, jetzt wird es persönlich. Simon ist Simon, man liebt ihn oder man hasst ihn. Wenn du ihn liebst, dann für seine Arbeit und seine Philosophie. Ich bin in der Welt des historischen Rennsports seit 25 Jahren zuhause, doch ich habe noch keine andere Person kennengelernt, die so vielseitig ist wie Simon. Er kann Schweißen, er kann ein Auto von Grund auf restaurieren, er kann wirklich alle mechanischen Komponenten bearbeiten und so gut wie jedes Auto richtig einstellen. Er weiss fast alles über die Geschichte und Konstruktionsprinzipien alter Rennwagen – und wenn er einmal etwas nicht weiß, nimmt er sich ein Buch und recherchiert, bis er es durchblickt hat. Und er kann fahren, ich meine richtig schnell fahren, und dabei jedes Auto verstehen. Wenn er seinen Kunden ein Auto übergibt, ist es perfekt für den Einsatz vorbereitet. Aber man kann ihn natürlich auch hassen, denn er gewinnt wirklich immer – in 99 Prozent aller Fälle hat er recht und du liegst falsch. Als Lehrer war er für mich wirklich wichtig. Und er hat mich einen Satz gelehrt, den ich heute auch meinen Angestellten immer sage: Jeden Tag lernst du etwas Neues! Tatsächlich gäbe es mich nicht ohne ihn.

Du warst Teil seines Teams – warum bist du zurück nach Italien gegangen?

Mit 23 Jahren realisierte ich, dass ich in meinem Leben nur einen einzigen Job gehabt hatte. Ich wollte herausfinden, was ich vom Leben erwartete – und wechselte für vier Jahre die Profession. 

Unterstützte dich Simon bei diesem Lernprozess?

Nicht wirklich. Er sagte, ich gehörte in den historischen Motorsport. Und rate mal? Er hatte recht!

Also gründetest Du RS Historics. Heute gilt eure Werkstatt als Vorzeigebetrieb – aber wie war es am Anfang?

Es war nicht einfach. Wir Italiener können skeptisch sein und pflegen unsere Vorurteile. Viele Leute gehen lieber zum billigen Mechaniker um die Ecke statt zu einem Spezialisten – dabei geht diese Rechnung nur kurzfristig auf. Doch wenn man sich in diesem Land erst einmal sein Vertrauen erarbeitet hat, dann ist die Hälfte deiner Arbeit bereits getan. Es ist wirklich faszinierend. Mein Geschäftspartner Enrico Spaggiari und ich sind wirklich positiv gestimmt.

In eurer Werkstatt sieht man vor allem zwei Marken, Alfa Romeo und Lotus. Warum?

Aus Zufall! Der erste Lotus, der in unsere Werkstatt kam, war ein Lotus 21, an dem ich bereits bei Simon gearbeitet hatte und deshalb gut kannte. Als nächstes brachte er mir einen Alfa Romeo GTA – und als die Leute diese Autos bei mir sahen, brachten sie ihre eigenen ebenfalls zu mir.

Aber diese beiden Marken scheinen Dir sehr viel zu bedeuten.

Ja, das stimmt. Für mich sind Alfa Romeo und Lotus die wichtigsten Marken aus Italien und England. Sie haben im Motorsport Unglaubliches geleistet und die Meßlatte entscheidend versetzt. Was Colin Chapman geschaffen hat, ist genial. Er war so unglaublich schlau und schnell von Begriff. Und Carlo Chiti war sowieso ein Genie. Ich empfinde es als Ehre und Privileg, an diesen Autos arbeiten zu dürfen. Was ich in diesen Autos an Erfindungsgeist entdecke, findet man nicht mehr im modernen Motorsport.

Aber du bist Italiener, was ist mit Ferrari, Maserati und Lamborghini?

Ich bin stolz auf die italienische Automobilgeschichte, in der Vergangenheit hatten wir wirklich die besten Marken und Designer. Und ich meine nicht nur Ferrari, Maserati und Lamborghini, sondern auch Pininfarina, Giugiaro, Carrozzeria Touring Superleggera und viele andere. Das waren Künstler! Leider ist diese Kultur verschwunden.

Was könnt ihr bei RS Historics besonders gut?

Abgesehen von Motoren und Karosserien können wir fast alles: Fahrwerke aufbauen, neue Teile produzieren, Getriebe und Mechanik abstimmen, Restaurationen durchführen. Wir bieten unseren Kunden von der Rennvorbereitung bis zum Support an der Rennstrecke und der Organisation von Events wirklich alles an. 

Was unterscheidet euch von anderen Werkstätten?

Ich würde sagen der Spirit. Wir lieben die Autos, an denen wir arbeiten – mehr noch als unsere Kunden. Wir behandeln sie, als würden sie uns gehören. Am wichtigsten ist uns aber die Kommunikation mit unseren Kunden: Wir sprechen immer wieder mit ihnen und erklären, was ihr Auto unserer Meinung nach zu einem Siegerauto macht. 

Wie sieht die Zukunft für RS Historics aus?

Mein Ziel ist es, ein Vorzeigebetrieb für historischen Rennsport zu werden – in Italien, und warum nicht auch darüber hinaus?

Du bist ein Racing Guy, aber Concorso d’Eleganza Villa d’Este 2018 saßt du am Steuer eines Alfa Romeo Tipo 182 F1 und hast einen Kunden mit dem Lotus 21 von Jim Clark begleitet. Was war das für ein Erlebnis.

Als wir kontaktiert wurden, fühlten wir uns gleichzeitig geschmeichelt und verunsichert. Solche Autos hatte man bisher nicht bei einem Concours gezeigt. Aber wir taten unser Bestes, um den Zuschauern ein unvergessliches Erlebnis zu bereiten. Tatsächlich gibt es zum Alfa Romeo 182F1eine kleine Anekdote:EinenMonat bevor wir die Einladung erhielten, hatten wir bei einer Fotoproduktion in Vairano festgestellt, dass das Gaspedal hängen blieb – und machten uns an die Arbeit. Eine Woche vor dem Concorso setzten wir den Motor wieder ein, doch als wir ihn starteten, sprühte er Wasser – das Magnesium war korrodiert. Der Motorkonstrukteur Renato Melchioretto und sein Team setzten alle Hebel in Bewegung, legten Nachtschichten ein. Am Abend vor dem Event um elf Uhr nachts wurde der Alfa auf den Hänger geladen. Als ich dem Besitzer sagte, dass wir es geschafft hatten, war das ein emotionaler Moment. Und als ich am Samstag vor der Jury vorfuhr, sah ich, wie er sich gerührt die Augen trocknete – das war für mich die größte Belohnung.

Gehören solche Rennwagen an einen solchen Concours?

Ich finde nicht. Es war toll, anders, die Zuschauer haben es geliebt – aber der Concorso d’Eleganza Villa d’Este hat seine ganz eigenen Standards und Logiken und ich denke, dabei sollte man es belassen. Wenn sie dennoch einmal wieder einen Rennwagen über den Kies jagen wollen, bin ich gerne dabei.

Fährst du privat auch einen Klassiker?

Ich besitze einen Alfa Romeo Duetto aus dem Jahr 1991, mit dem ich damals von Simon Hadfield zurück nach Italien fuhr. Seitdem wartet er in Einzelteile zerlegt darauf, dass ich ihn endlich wieder zusammenbaue.

In deiner Werkstatt steht auch stets ein Fiat Panda, mit dem du täglich fährst. 

Ach der Panda! Das beste Auto, das ich jemals besessen habe! Vor allem die Allrad-Version ist genial – auf Schnee schlägt sie mit ihren kleinen Reifen jedes SUV. Wie auch den Duetto werde ich auch den Panda niemals verkaufen. Den Alfa bekam ich von meinen Eltern zum 18. Geburtstag geschenkt, den Panda schenkte mir mein bester Rennfahrerfreund zu meiner Hochzeit. Ich fuhr ihn sechs Monate lang ohne Schalldämpfer, ohne Hinterradbremsen, ohne Öl im Getriebe – und er fuhr dennoch perfekt. Oh Mist, das hätte ich als Mechaniker vielleicht nicht sagen sollen (lacht). Der Fiat Panda steht für diese italienische Kunst, mit einfachen Mitteln viel zu erreichen. Giugiaros Design hat ihn Weltberühmt gemacht, er ist eine Ikone wie der Fiat 500.

Wenn Geld keine Rolle spielen würde – wie sähe die Garage deiner Träume aus?

Als Klassiker würde ich mir wohl einen Alfa Romeo 8C 2900 und einen Aston Martin DB4 GT aussuchen, für die Rennstrecke einen Porsche 917K, einen Alfa Romeo 33/2 und einen Brabham BT46B.

Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2019