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Porsche Cayenne Turbo: Der Bär im Schafspelz

Er ist leichter. Er ist dynamischer. Er ist sparsamer. Porsche hat alles daran gesetzt, den neuen Cayenne Turbo ins rechte Licht zu rücken, nachdem der Vorgänger zuletzt hart in die Kritik geraten war. Schon auf den ersten Blick wirkt der Platzhirsch der Cayenne-Baureihe weniger opulent als die erste Generation. Dafür sorgt ein neues Design, das den großen Bären sprichwörtlich in einen Schafspelz hüllt. Wie sich die neue Bescheidenheit in der Praxis bemerkbar macht, zeigt unser Fahrbericht.

Es geht doch! Obwohl der neue Cayenne Turbo 6,0 Zentimeter länger und 1,1 Zentimeter breiter als sein Vorgänger ist – bei fast identischer Fahrzeughöhe – bringt er fast 200 Kilogramm weniger Gewicht auf die Waage. Die radikale Diät sieht man dem Allrad-Porsche sogar an, er wirkt dynamischer und trotz seines Wachstums kompakter. Dazu tragen in der Seitenansicht vor allem der um 4,0 Zentimeter längere Radstand und die coupéhafte Dachlinie bei. Während der allererste „Turbo“ seine Nase noch majästetisch in den Fahrtwind hielt und mit seinem riesigen Kühlerschlund ahnungslose Fahrradfahrer in Angst und Schrecken versetzte, ist die neue Front feiner und flacher gezeichnet. Die in die Heckklappe ragenden Rückleuchten lassen auch das Ende des Turbos etwas schlanker wirken, wenngleich die vier Endrohre der Abgasanlage unmissverständlich vermitteln, dass hier etwas Großes am Werke ist.

Porsche Cayenne Turbo: Der Bär im Schafspelz Porsche Cayenne Turbo: Der Bär im Schafspelz

Das Cockpit des neuen Porsche Cayenne Turbo wurde auffallend „panamerisiert“ und vermittelt daher die bekannte Jet-Atmosphäre der Sportlimousine aus Zuffenhausen. Das Sitzvergnügen in der ersten Reihe fühlt sich durch die hohe Mittelkonsole sehr arrangiert an und lässt wenig Bewegungsspielraum. Spontanausflüge der Beifahrerin auf die Fahrerseite sind hier kaum vorstellbar. Stattdessen lassen sich die Sitze so vielfach in Form und Stellung variieren, dass das Repertoire praktisch von Couchatmosphäre bis zur Rennstreckenkonfiguration reicht. Alles nur eine Frage der Einstellung.

Mit der Couchgemütlichkeit ist Schluss, sobald man das Gaspedal des 500 PS starken 4,8-Liter-V8-Biturbos antippt. Dann erwacht der Bär unter dem Schafsrock und klingt, als würde er schon nach dem Erwachen mit 80 prozentigem Stroh Rum gurgeln. Zwischen 2.250 und 4.500/min entwickelt der Achtzylinder ein maximales Drehmoment von stämmigen 700 Newtonmetern. Die Kraftübertragung auf alle vier Räder übernimmt beim Turbo ausschließlich das 8-Gang-Tiptronic-S-Getriebe mit Schalttasten am Lenkrad und Auto-Start-Stop-Funktion.

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Das Antriebspaket katapultiert den rund 2,2 Tonnen schweren Cayenne Turbo in nur 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der Vorgänger hat dafür fast eine halbe Sekunde länger gebraucht, was in diesen Sphären bekanntlich Welten sind. Die Höchstgeschwindigkeit ist im neuen Turbo erst bei 278 km/h (Vorgänger: 275 km/h) erreicht. Die neue Leichtigkeit des Porsche Cayenne Turbo macht sich jedoch nicht nur im Vortrieb, sondern auch in der Querdynamik bemerkbar. So leichtfüßig ließ sich das Achtzylinder-SUV aus Zuffenhausen bisher nicht durch die Kurve treiben. In kritischen Situationen hilft eine Armee an Assistenzsystemen unter dem Oberbegriff Porsche Stability Management, kurz PSM, den wütenden Bären wieder einzufangen.

Und der Verbrauch? Nun ja, der hängt stark vom Einsatzbereich des Bären ab. Porsche gibt einen Durchschnittsverbrauch von 11,5 Litern auf 100 Kilometern (CO2: 270 g/km) an. Da wir den Cayenne Turbo hauptsächlich in der Stadt bewegt haben, blieb der Verbrauch die meiste Zeit nur knapp unter der 20-Liter-Marke. Das ist für einen 2,2 Tonnen schweren 500-PS-Koloss kein schlechter Wert, in der heutige Zeit jedoch kaum politisch vertretbar.

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Dennoch: Es hat sich einiges zum Positiven gewandelt in der Offroad-Ecke von Porsche. Allein die radikale Abspeckkur zeigt, dass Porsche bei der Entwicklung der neuen Cayenne-Baureihe nicht gekleckert, sondern geklotzt hat. Auch wenn der Cayenne Turbo mit seinem üppigen Verbrauch nicht gerade begeistern konnte und man sich über die Sinnhaftigkeit seiner erstklassigen Offroad-Fähigkeiten streiten kann, hat er doch einige Altlasten des Vorgängers abgeworfen. Wer sparsamer im Porsche-SUV unterwegs sein möchte, kauft ohnehin nicht den 115.526 Euro teuren Turbo, sondern greift auf die deutlich preiswerteren und verbrauchsärmeren Sechszylinder beziehungsweise das Hybridmodell zurück. Oder blickt noch zwei Jahre in die Sterne, bis neben dem großen Bären der kleine Cajun aufleuchtet.

Text: Jan-Christian Richter
Fotos: Jan Baedeker