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Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück

Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück

Unvernunft lässt grüßen, denn politisch korrekt sind die 550 PS im neuen offenen Jaguar XKR-S sicher nicht. Doch bevor die Ölreserven zu Ende gehen, haben wir uns mit dem schnellsten offenen Jaguar aller Zeiten auf den Spuren der legendären Rallye Monte Carlo bewegt.

An der Côte d’Azur herrscht Winter. Sieben Grad über Null sind im Auge von Kältehoch Cooper zwar beinahe frühlingshaft, doch zum Offenfahren ist es eigentlich viel zu kalt. Aber die Versuchung ist groß und am Ende siegt die Unvernunft, die Liebe zum Bad in der Menge an der Croisette. Nur zum Cruisen an der Strandstraße zwischen Nizza und St. Tropez ist der 550 PS starke mit dem neuen Jaguar XKR-S Cabriolet eigentlich zu schade. Jeder Meter im 30-km/h-Zuckeltrab macht deutlich: Dieser Jaguar braucht Auslauf, will seine üppig gespannten Muskeln spielen lassen. Also rauf in die Berge, wo andere Verkehrsteilnehmer rar, die Kurven dafür umso zahlreicher sind.

Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück
Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück

Ein ideales Auslaufgebiet findet der XKR-S dabei oberhalb der Haute-Volée auf einer Tour zum Col de Turini. Die legendäre Strecke durch die bizarre Berglandschaft ist in diesen Februartagen annähernd eisfrei, und der letzte Teilnehmer der hier noch vor kurzem ausgetragenen historischen Rallye Monte Carlo dürfte inzwischen das Ziel erreicht haben. Freie Bahn also für den Gipfelstürmer aus England, der nun beweisen kann, das der optische Zierrat – wie Front- und Heckspoiler aus Carbon, Seitenschweller und Luftkiemen – nicht nur auffällige Accessoires sind, sondern an diesem Sportler ihre Berechtigung haben.

Das Verdeck bleibt natürlich geöffnet, auch wenn die Temperatur im Schatten nun deutlich unter Null Grad liegt. Wärme spendet neben der effizienten Heizungsanlage auch die Sitz- und Lenkradheizung. Deren Aktivierung setzt jedoch intime Kenntnisse des verschachtelten und antiquierten Infotainmentsystems voraus, denn Jaguar verzichtet nach wie vor auf separate Knöpfe für eine unkomplizierte Bedienung dieser Features. Einfacher lassen sich dagegen die beiden elektrisch verstellbaren 16-Wege-Performance-Sitze mit speziellem Lederbezug bedienen. Mit ihren verstellbaren Seitenwangen umklammern sie die Insassen trotz üppiger Winterkleidung fürsorglich und bieten eine optimale und zugfreie Sitzposition hinter der großen Frontscheibe.

Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück
Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück

Schon nach den ersten Metern auf der mit Eisplatten gespickten Piste wird klar, warum hier 1967 ein Mini Cooper die besten Chancen auf den Sieg hatte. Für den opulenten Jaguar wird es zwischen Berg und Hang bisweilen eng, und auch die Haarnadelkurven sind zunächst nichts für ihn. Doch der direkteinspritzende Kompressor-V8, eine nur mäßig traktionsfreudige Hinterachse mit üppiger 20-Zoll-Bereifung und ein satter Gasstoß im Kurvenscheitelpunkt ändern die Situation. Das XKR-S-Heck schwenk kurz herum, und mit Einsetzen der vollen Traktion prescht der Jaguar mit martialischem Sound auf die nächste Kurvenkombi zu. Bei Bedarf ist er dabei binnen 4,4 Sekunden auf Tempo 100 km/h, was dann mit der vergrößerten Bremsanlage souverän auf kurventaugliches Tempo zusammengebremst werden kann.

Dass der offene Zweisitzer bei diesem Einsatz keine Miene verzieht, ist Ehrensache. Jaguar hat mit einer modifizierten Fahrwerksgeometrie und einer geänderten Abstimmung des aktiven Fahrwerks vorgesorgt. Daneben ist es aber vor allem die verwindungssteife Bauweise der komplett aus Aluminium gefertigten Karosserie, die den XKR-S zur soliden Basis für die zünftige Bergtour machen. Oben am Col de Turini angekommen, verschafft dann ein schneebedeckter Parkplatz die Erkenntnis, dass der Einsatz von Sommerreifen auf losem Schnee auch bei einem 138.100 Euro teuren Jaguar zu keinem anderen Ergebnis führt, als bei jedem falsch bereiften Kleinwagen. Trotz aktivem Differential und moderner elektronischer Traktionskontrolle scharren die 295er Gummiwalzen hilflos auf der Stelle – erst der Einsatz der ledergekettelten Hochfloor-Veloursfußmatten bringt den Jaguar zurück auf die Piste.

Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück
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Die Abfahrt vom Col de Turini erfolgt genauso spannungsgeladen, wie die legendäre Nacht der langen Messer. Die Tunneldurchfahrten geraten dabei zum Klangerlebnis der besonderen Art: Auf Befehl bellt der V8 im Dynamik-Modus brutal aus der Vier-Rohr-Abgasanlage, sodass selbst das bordeigene Premium Klangsystem von Bowers und Wilkens trotz seiner 525 Watt nicht mehr viel zu sagen hat. Man befürchtet gar, der immense Schalldruck könnte die ehrwürdigen Tunnelwände zum Einsturz bringen. Je näher das Tal kommt, umso öfter übernehmen nun lange Geraden die Pace in der Routenführung. Ein letztes Mal misst sich der XKR-S mit den Freizeitpiloten der örtlichen Motorrad-Nerds und rollt heiser röhrend Richtung Nizza. Der Blick auf den Verbrauch schafft kurzfristig ein schlechtes Gewissen, doch spätestens wenn der XKR-S zufrieden knisternd sein elektrisches Verdeck in der Hotelgarage schließt, bereut man keinen Meter und freut sich auf die nächste unvernünftige Reise.

Jaguar XKR-S Cabriolet: Einmal Col de Turini und zurück
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Jaguar XKR-Sportwagen finden sich im Classic Driver Marktplatz.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Gudrun Muschalla / Sven Jürisch