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Mille Miglia – 1000 Glückwünsche für das schönste Rennen der Welt

Die Mille Miglia ist vielleicht die einzige Fernfahrt, bei der Fahrer und Autos mit den an der Route liegenden Gemeinden und ihren am Straßenrand jubelnden Einwohnern zu einer Einheit verschmelzen. Rémi Dargegen war beim 90. Geburtstag der "Mille" dabei...

Happy birthday to you

Für mich ist die Mille Miglia noch immer eines der größten Rennen der Welt. Die Auswahl der Autos ist einzigartig und ergänzt trefflich jene der Tour Auto. Denn das Alter der jüngsten Autos hört ungefähr da auf (1957), wo die Jahrgänge der Tour-Teilnehmer beginnen. Es hätte in diesem Jahr kaum wichtigere Ferrari geben können – passend zum 70. Geburtstag der Marke und dem 90. Geburtstag der erstmals 1927 ausgetragenen „Tausend Meilen“. Ein 375MM, 500 Mondial, 340 America Touring, 250MM, 750 Monza und 225S gehörten zweifellos zu den denkwürdigsten Autos in einem Feld, dem auch noch ein Maserati A6 GCS, Jaguar D- und C-Type, Gregor Fiskens Aston Martin DB3S sowie ein Alfa Romeo 8C Monza und Alfa Botticella Glanz verliehen. 

Der Weg in unsere Herzen

Gesamt betrachtet ist die gewählte Route noch immer phantastisch, auch wenn man mitunter den Eindruck gewann, als habe man der historischen Genauigkeit wegen Konzessionen gemacht. Zum Beispiel ging es nach dem Start des ersten Tages zunächst lange Zeit durch eine gesichtslose norditalienische Industriestadt nach der anderen. Obwohl in nicht allzu großer Entfernung wunderschöne Landstriche lockten, durch die man genauso gut hätte fahren können. Am zweiten und dritten Tag änderte sich die Szenerie dann zum Besseren. Als wir einige meiner Lieblings-Etappen befuhren, durch wunderschöne historische Städte, den Appenin nordwestlich von Florenz und natürlich die Toskana. 

Keine Pause für die Schwachen

Man kann es aber nicht oft genug betonen – die Mille Miglia ist keine gemütliche Kaffeefahrt durch Italien. Die Tage sind unglaublich lang, die Checkpoint-Zeiten herausfordernd und das Wetter immer gut für Kapriolen. Als wir am zweiten Abend in Rom ankamen, empfing uns ein apokalyptischer Sturm mit Starkregen. Er hielt anderthalb Stunden an und verwandelte die Kopfsteinpflasterstraßen in munter sprudelnde Flüsse. Doch niemand beschwerte sich. Jeder Teilnehmer weiß, auf was er sich hier einlässt, und irgendwie gehört so etwas auch zum Gesamterlebnis dazu. Aber keine Frage: Wer die Ziellinie in Brescia überquert, hat sich einen großen Schluck aus der Flasche seines Lieblingsgetränks mehr als verdient. 

Langsamer wäre besser

Was mich direkt zu meiner nächsten Beobachtung führt: Viele Teilnehmer nehmen das Rennen viel zu ernst. So kann man zum Beispiel bei vielen Wagen kaum noch das Armaturenbrett oder nur noch die Hälfte der Windschutzscheibe sehen. Warum? Weil sie mit modernen Navigationsinstrumenten vollgepackt sind. Was hat das, so frage ich mich, noch mit dem Grundgedanken der Veranstaltung zu tun? Die Organisatoren sollten neben dem Roadbook nur noch einen guten alten „Tripmaster“ zulassen. Um so gleiche Bedingungen für alle und Authentizität zu gewährleisten. Darüber hinaus fahren die meisten wie verrückt, um ihre Checkpoints zu erreichen – dafür sollte man doch nicht Leib und Leben riskieren! Die Polizei ist zwar sehr darum bemüht, die Autos durch den Verkehr und aus den größeren Orten heraus zu eskortieren, doch zu viele Starter nehmen beim Kampf um Sekunden zu große Risiken auf sich.

Bis zum nächsten Jahr

Als ich am Sonntagnachmittag zurück in Brescia war und zusah, wie die Autos nach und nach stolz auf die Zielrampe fuhren, überkam mich wieder dieses bittersüße Gefühl des Abschieds. Als mir klar wurde, dass es nun wieder für ein Jahr vorbei sein würde. Hinter mir lagen wieder einmal vier unvergessliche Tage. Die wieder einmal zeigten, dass die Mille Miglia nicht nur nur eine der weltweit schönsten Rennen, sondern die schönste von allen ist. La corsa più bella del mondo…

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017 

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