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Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen

Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen

Der erste Roadster von Mini soll dem Prinzip der Kompromisslosigkeit früherer englischer Sportwagen folgen. Platz für zwei, reichlich Leistung und ein knackiges Fahrerlebnis machen den Trip durch die Stadt zwar zum Vergnügen, aber aus dem Auto noch lange keinen echten Roadster.

An diesem Abend hat Anders Warming, Chefdesigner bei Mini und verantwortlich für den Mini Roadster, sichtlich Mühe, die richtigen Worte für das Design seines neuesten Wurfes zu finden. Doch weder die klassische Mini-Hügellandschaft auf der Motorhaube, auf Neudeutsch „Landscaping“ genannt, noch das Drei-Box-Design mit der um 13 Grad zusätzlich geneigten Frontscheibe und schon gar nicht das ungefütterte Stoffverdeck wollen beim Fachpublikum Assoziationen mit echten Roadster Legenden wie dem Lotus Elan oder dem Triumph Spitfire wecken. Der Mini Roadster ist, was er ist. Ein Mini Cabriolet, dem auf dem Weg von England in die Welt zwei Sitze abhanden gekommen sind. Gegen die Idee vom klassischen Roadster spricht neben dem Design aber auch die Tatsache, dass auch dieser Mini das Gen des Frontantriebs in sich trägt. Ein „no go“ für echte Roadsterfahrer, ebenso wie die Tatsache, dass im Motorenabteil ein quer eingebautes Triebwerk aus Frankreich seinen Dienst versieht.

Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen
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Doch bevor die Puristen nun den Untergang des Abendlandes herbeizitieren, heißt es: tief durchatmen und alte Vorstellungen über Bord werfen. In einer Welt, in der die letzte Bastion des Heckantriebes bei der Konzernmutter BMW zu fallen droht, darf ein kleiner offener Sportwagen durchaus Vorderradantrieb tragen. Und da die Bezeichnung Cabrio ja durch den Viersitzer schon belegt war, blieb dem Mini-Marketing vermutlich nur noch der Beiname Roadster übrig.

Roadster hin oder her – schon nach dem Türöffnen ist Schluss mit dem Gemecker. Die Sitzposition passt vor allem für die anvisierte weibliche Kundschaft perfekt, lediglich für Fahrer über 1,80 Meter sorgt die abgesenkte Frontscheibe für leichte Sichtbehinderung, da sich die Höhe der Vordersitze nicht ausreichend nach unten korrigieren lässt. Der Rundumblick im Cockpit verrät: „It’s a Mini.“ Das klassische Armaturenbrett mit dem großen Zentraldisplay und den der Tradition geschuldeten chromfarbenen Kippschaltern versprüht den Charme hoher Wertigkeit, die durch die klapperfreie Karosserie noch zusätzlich unterstützt wird. Und auch die wenigen grobschlächtig strukturierten und ungenau ausgeschnittenen Kunststoffteile im Dachrahmenbereich können diesen Eindruck nicht wirklich schmälern.

Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen
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Zentraler Kaufgrund für den 22.600 Euro teuren Mini Roadster soll laut Pressetext das ungestörte Offenfahrerlebnis sein, also runter mit dem ungefütterten Stoffmützchen. Das geschieht rein mechanisch, erst zum Verkaufsstart am 25. Februar folgt ein halbautomatisches Verdeck. Ein Dreh am Zentralgriff und eine etwas ungelenke, dafür aber umso kräftigere Handbewegung nach hinten – und das Verdeck rastet bei genügend Schwung hörbar ein. Mit etwas Übung funktioniert das an der nächsten roten Ampel schon ganz flott und spätestens nach dem dritten Mal hat man den Bogen raus. Elektronische Unterstützung ist also nicht unbedingt nötig. Dafür gönnt man sich im Mini Roadster lieber die zahlreichen Online-Features. Mini setzt im Roadster auf die Generation iPhone und bietet im Auto die Möglichkeit, zu twittern, zu googeln oder sich bei Facebook in Szene zu setzen. Was soll man im Auto twittern? Ganz klar, vom großartigen Auftritt mit dem kleinen Briten in der City, denn der Mini lässt Köpfe drehen und Münder offen stehen, wenn er mit durchdringendem Sound um die Ecken wischt.

Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen

Die Mini-Ingenieure haben ihm hierzu ein ganzes Bündel an Dynamikelementen in die Wiege gelegt. Auch wenn die vier zur Auswahl stehenden Motoren in ihren Grundzügen brave Alltagsaggregate sind, ist es Mini gelungen, ihnen für den Roadster eine ganz eigene Charakteristik anzuerziehen. Mit 1,6 Litern und 184 turbogeladenen PS ist der Mini Cooper S bestens zum Straßenfeger geeignet. Ein sportliches Fahrwerk, eine Go-Kart-Lenkung und ein perfekt abgestimmtes Sechsgang-Getriebe zaubern ein echtes Fahrerlebnis. In 7,0 Sekunden erreicht ein derart motorisierter Mini die 100-km/h-Grenze und schon wenig später liegt die Höchstgeschwindigkeit von 227 km/h an. Dass der Mini dabei sicher zu beherrschen ist, ist auch der Verdienst des serienmäßigen, elektrisch ausfahrbaren Heckspoilers, der bis zu 40 Kilogramm mehr Abtrieb erzeugt.

Mini Roadster: Offen für neue Beziehungen
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Doch diese perfekt initiierte Moderne ist es eben auch, die das angepeilte Roadster-Flair ruiniert. Im Mini wischt naturgemäß kein Heck über den nassen Schotter der feuchten Landstraße und auch das Lenkgefühl mit dem „Popometer“ stellt sich bei dem braven Untersteuerer nicht ein. Wer dennoch in Versuchung gerät und Momente überschwänglicher Fahrdynamik erleben möchte, erntet den mahnenden Eingriff von ESP und Co. Das ist sicher und politisch korrekt, aber eben weit entfernt vom klassischen Roadster-Feeling, das gerade vom Zwiegespräch zwischen Mensch und Maschine lebt. Doch für die angepeilte jugendliche Kundschaft dürfte dieser Einwand kaum mehr zählen. Sie gehören zur ESP-gewöhnten Generation Golf und werden die Problemlosigkeit dieses sechsten Mini-Derivates dankbar twittern.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Mini / Sven Jürisch