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RM Sotheby’s versteigert diese 100 Traumwagen ohne Mindestpreis

Morgen startet der Bieterwettstreit für die European Sale von RM Sotheby’s. Eine Online-Auktion, welche die Petitjean Collection inkludiert, eine atemberaubende Sammlung von 97 meist europäischen Sammlerstücken. Sie werden alle ohne Mindestangebot versteigert...

Am letzten Wochenende ging ein makelloser Ferrari Enzo Baujahr 2003 aus zweiter Hand bei einer ausschließlich Online abgehaltenen Auktion von RM Sotheby’s für 2,64 Millionen US-Dollar über den Tisch. 

Der imponierende Betrag war ein Rekord für eine rein digital durchgeführte Verkaufsauktion und zeigt zwei Dinge auf: Dass inmitten der Corona-Krise etablierte Automobil-Auktionshäuser wie RM erfolgreich darin sind, ohne einen spürbaren Verlust an Quantität und Qualität auf die Online-Schiene umzusteigen; und dass Online Sales eine lohnenswerte und kosteneffiziente Alternative sind, auf die ohne Zweifel in Zukunft verstärkt zurückgegriffen werden dürfte.  

Eine weitere reale RM-Auktion, die der Corona-Pandemie zum Opfer fiel, war die eigentlich für März 2020 im Rahmen der Essener Techno Classica geplante Versteigerung. Die Veranstalter verlegten ihr Event zunächst sehr optimistisch in den Juni, doch weil sich das Virus wie ein Buschfeuer quer durch Europa verbreitete, wurde schnell klar, dass eine Komplettabsage unvermeidlich war.  

Ermutigt durch den Erfolg der Online-only Auktion in Palm Beach reagierte RM schnell und gab bekannt, die Essen Auktion inklusive der Fahrzeuge aus der schlagzeilenträchtigen Petitjean Collection unter dem Label The European Sale als digitale Versteigerung auszurichten. Gebote können vom 3.-11. Juni abgegeben werden. 

Ehe wir tiefer in die Petitjean Collection eintauchen  - eine Sammlung aus fast 100 Fahrzeugen eines einzigen Besitzers, die alle ohne Mindestverkaufspreis unter den Hammer kommen sollen – schauen wir kurz auf ein paar Highlights aus dem restlichen Verkaufskatalog. Der bis in die letzte Woche in quasi letzter Minute noch mit Neuaufnahmen erweitert wurde. Heraus ragt der Porsche 935 von 2020, ein „wie neues“ Exemplar in den nostalgischen Farben von Martini, das bislang noch keinen Meter bewegt worden ist. Es ist das zweite von 77 gebauten und nur für die Rennstrecke zugelassenen Exemplaren und tritt mit einem Schätzpreis von 1,275–1,375 Millionen Euro an. 

Andere aus unserer Sicht bemerkenswerte Lots aus diesem Teil der Auktion sind ein früher, wenig gelaufener Lancia 037 Stradale von 1981 (420.000–520.000 Euro), ein knallroter Volkswagen Golf 1 Gruppe 1, erster Renn-Golf der Welt, der vorbereitet von Tuner Nothelle Anfang 1975 mit Pilot Bernd Lilier in Zolder erstmals ausrückte (Schätzpreis 115.000-125.000 Euro) und fraglos der coolste Vertreter der Gruppe, der 1988 aufgebaute Hartge F1. 

Das von den deutschen Hartge Brüdern aufgebaute Unikat diente als Leistungsnachweis ihrer außergewöhnlichen Tuning-Talente und sah auf den ersten Blick wie eine nur dezent aufgemotzte Mercedes-Benz E-Klasse-Limousine auf W124-Basis aus. Doch weit gefehlt, saß doch unter der Haube eine 330 PS starke Version des BMW M88-Motors, bekannt auch aus dem M1 und dem „E28“ M5. Wenig überraschend wurde der Frankenstein „Beemercedes“ ein gefundenes Fressen für die Presse und in zahlreichen unterschiedlichen Magazinen teils hymnisch besprochen. RM erwartet einen Erlös zwischen 80.000 und 120.000 Euro. 

Das größte Interesse für sowohl ernsthafte Sammler als auch Erstkäufer dürften jedoch die Juwelen der Petitjean Collection hervorrufen. Die wunderbare Auswahl aus 97 Fahrzeugen der 1950er- bis 1990er-Jahre verkörpern die lebenslange Fantasie, Passion und Arbeit eines Mannes: Marcel Petitjean. Der frühere französische Rennfahrer stellte die Sammlung im Verlauf von fünf Jahrzehnten zusammen und ignorierte dabei sicherere und konservativere Formen der Wertanlage. An diesem Punkt lassen wir Oliver Camelin, den für die Versteigerung der Auktion zuständigen Experten bei RM Sotheby’s, den Gesprächsfaden aufnehmen.  

Oliver, können Sie uns ein wenig über Monsieur Petitjean erzählen? 

Monsieur Petitjean ist ein früherer Rennfahrer, der am Steuer von Porsches in den 1960er- und 70er-Jahren an einer Reihe von prestigeträchtigen Events teilnahm. Als etablierter Geschäftsmann in Frankreich überwachte er den Betrieb verschiedener Familienunternehmen, darunter einen Autohandel, den heute sein Sohn Pascal leitet. Er liebt es, Auto zu fahren und klassische Modelle zu besitzen. Die Sammlung, auf deren Versteigerung wir im Rahmen der European Sale sehr stolz sind. 

Wie kam Petitjean zum Aufbau der Sammlung und über welchen Zeitraum betrieb er ihn? 

Ursprünglich wollte er in seiner Geburtsstadt Straßburg ein Automobilmuseum errichten. Die Sammlung startete in den späten 1970er-Jahren und ist seitdem immer weiter gewachsen. Dabei blieb er seinem Grundsatz treu, für ein Fahrzeug nie mehr als ein Drittel des ursprünglichen Werts zu zahlen. In den Anfangsjahren begann er langsam damit, die jeweils begehrtesten Versionen einer Baureihe zu erwerben. So haben wir jetzt einige einzigartige und exklusive Modelle in der Auktion. Die Gruppierungen spiegeln die zugrundeliegende Idee für das Museum wider – viele Autos sollten nach ihrem Ursprungsland eingeordnet werden – mit Schwerpunkten in England, Deutschland und Italien.

Angeblich wurden viele der Autos gekauft, eingelagert und dann kaum bewegt – in welchem Zustand befinden sie sich heute?   

Ja, das stimmt. Die Autos wurden für lange Jahre trocken gelagert, manche ohne jemals ein Rad gedreht zu haben. Kosmetisch präsentieren sie sich fast alle in einem guten Zustand, doch als Folge ihrer Inaktivität muss jedes zum Verkauf stehende Modell vor Einsatz auf der Straße gründlich überholt oder sogar restauriert werden. 

Welche sind die begehrenswertesten Lots aus der Petitjean Collection? 

Der Mercedes-Benz 300SL Roadster gehört zu den herausstechenden Modellen, mit einem Schätzwert von 800.000–1,1 Millionen Euro. Als eines von nur 30 Exemplaren mit vom Werk montierten Rudge-Felgen wurde es neu nach Frankreich geliefert und blieb seit 1976 im Besitz von Petitjean. Hervorzuheben ist auch ein Porsche 904 GTS, der seit 1993 zur Sammlung gehört und der als Erinnerungsstück an Petitjeans eigene Porsche Rennhistorie erworben wurde. Wir sind auch stolz darauf, einen Lamborghini Miura (Estimate 700.000-800.000 Euro) präsentieren zu können. Dieses Exemplar aus 1968 ist ein früher „thin-gauge“ P400 und war der erste nach Paris gelieferte Miura. 

Welche Modelle am unteren Ende des Spektrums sind die attraktivsten? 

Es gibt für jeden etwas aus der Petitjean Collection, darunter auch erschwingliche Angebote für potentielle Erstkäufer oder saisonale Sammler. Viele sind attraktive europäische Sportwagen aus den 70er-, 80er- und 90er-Jahren, die relativ unkompliziert wieder auf die Straße zurückgebracht werden können. 

War es wichtig, der epischen Youngtimer Collection der Essen Sale von 2019 etwas Adäquates folgen zu lassen?

Natürlich! Nicht nur in Bezug auf die Menge der offerierten Autos, sondern auch bezüglich ihrer Natur. Viele Modelle aus der Petitjean Collection gehören zu den seltensten und exklusivsten Versionen von Klassikern aus früheren Epochen. Wie wir letztes Jahr bei der Youngtimer Collection gesehen haben, konnten viele Autos die Aufmerksamkeit von Bietern erwecken und manche gingen dann zum mehr als Doppelten ihres Vorverkaufs-Schätzwertes weg.

Was ist Ihr persönlicher Favorit aus der Sammlung und aus welchem Grund? 

Es ist nahezu unmöglich einen speziellen Wagen herauszufischen, da es so viele interessante Autos in allen Altersgruppen gibt und dazu noch so viele verschiedene Marken. Dennoch, das Auto, das für mich alles ausmacht, ist der De Tomaso Mangusta, da er neu und in der Farbe Hellblau-Metallic nach Frankreich ausgeliefert wurde. 

In der Fantasie eine eigene Sammlung zusammenzustellen, ohne die üblichen Begrenzungen durch Raum und Budget – das ist doch der Traum eines jeden Car Guys, oder? Marcel Petitjeans rastlose Arbeit über das letzte halbe Jahrhundert wird viele Enthusiasten aus Europa (und jenseits davon) anziehen. Von klassischen Exponaten für Erstkäufer wie den Lancia Fulvia von 1966 (15.000–20.000 Euro) über ultraseltene Besonderheiten wie das 1972 gebaute Ligier JS2 Coupé (60.000–80.000 Euro) bis zu etablierten Ikonen wie dem Aston Martin DB6 von 1966 (550.000–650.000 Euro) erwarten wir bis zum Ende der Online-Auktion am 11. Juni eine Fülle von Kaufangeboten. 

Fotos RM Sotheby’s © 2020 

Sie finden den Gesamtkatalog für The European Sale Featuring The Petitjean Collection, abgehalten komplett online von RM Sotheby’s bis zum 11. Juni 2020, im Classic Driver Markt.