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Das Eisrennen in Zell am See war eine grandiose Pistengaudi

Selten gab es bei einer Rennveranstaltung so viele rote Backen und strahlende Gesichter zu sehen wie bei der Neuauflage des legendären Eisrennens in Zell am See am vergangenen Wochenende.

Eigentlich gibt es in der automobilen Welt nur zwei Arten von Menschen – diejenigen, die ihren Sportwagen in die beheizte Garage stellen, sobald die ersten Schneeflocken zaghaft aus den Wolken fallen. Und diejenigen, für die der Fahrspass bei arktischen Temperaturen, bei Eis und Schnee erst so richtig beginnt. Freilich waren es Vertreter letzterer Spezies, die sich am vergangenen Wochenende auf einer Eisfläche im österreichischen Zell am See versammelten, um beim GP Ice Race die Grenzen der Physik und ihr fahrerisches Können bei minimaler Traktion auf die Probe zu stellen. Und die Liebe zum winterlichen Motorsport scheint zu verbinden – vom Amateurfahrer bis zum Rallye-Weltmeister, vom Vorkriegsrennwagen bis zum Elektro-Katapult ging alles an den Start, was die automobile Welt zu bieten hat. 

Schon in den 1930er Jahren hatten sich wagemutige Burschen aus Zell am See ihre Ski angeschnallt – und beim nordischen Eisjöring per Seil von einem Motorrad mit Karacho übers Eis ziehen lassen. In den 1950er Jahren drehten beim Eisrennen – das in Erinnerung an Ferdinand Porsche schon bald den Namen des großen Ingenieurs und Firmengründers trug – dann auch die ersten Automobile ihre Pirouetten. Am vergangenen Wochenende erlebte das Eisrennen nun seine Neuauflage. Organisiert von Ferdinand Porsche – dem Urenkel des gleichnamigen Patriarchen – und Vinzenz Greger, war das erste GP Ice Race ein frostig-fröhliches Festival der Geschwindigkeit, dass den mehr als 8.000 gut gelaunten Besuchern und zahllosen Zuschauern in aller Welt, die das Spektakel per Instagram auf ihren Smartphones verfolgten, bewies: Es gibt ihn noch, den guten alten Spass am Automobil.

Und tatsächlich ist dem jungen Organisatoren-Duo gelungen, was sonst nur der Duke of Richmond in Goodwood vermag – sie vereinten die Szene, über alle Baujahre und alle Generationen hinweg. Hans-Joachim „Striezel“ Stuck wagte sich mit einem Auto Union Typ C Rennwagen von 1938 aufs Eis, während Walter Röhrl am Steuer eines Audi Sport Quattro seine Vorliebe für seitwärtige Fortbewegung demonstrierte. Rallye-Fahrer Jochi Kleint startete mit dem einzigartigen zweimotorigen VW Golf 2 Pikes Peak von 1987 und Daniel Abt demonstrierte, dass man auf Eis selbst mit einem Formel-E-Weltmeisterrennwagen wie dem Audi e-tron FE04 nicht ins Schleudern kommen muss.

Im Wettbewerb zeigte der Skoda-Werksfahrer und WRC2-Champion Jan Kopecký sein Talent – am Steuer eines Skoda Fabia R5 landete er sowohl am Samstag als auch am Sonntag auf der Pole Position und sicherte sich den Siegertitel des GP Ice Race. 

Mit Eugenio Amos und seinem dunkelgrünen Lancia Delta Futurista sowie dem geflügelten Porsche 550 RS aus der Garage des als „Powerslidelover“ bekannten Sammlers waren derweil auch die großen Stars der Generation Instagram dabei.  Sein Schnee-Debüt gab derweil der neue Porsche 911, der am Freitag per Hubschrauber eingeflogen wurde – und den wir zusammen mit seinem Urahnen, einem Porsche 356, für einige Runden auf der Strecke begleiten durften. 

Es spricht für den Sportsgeist der Sammlergemeinde, das sie selbst wertvollste Klassiker, die sonst höchstens in Pebble Beach oder bei der Villa d’Este zu sehen sind, ohne Bedenken aufs Eis schickte. Da war etwa ein Alfa Romeo 8C 2900, der einst Ferry Porsche gehörte, ein Abarth Porsche 356 mit Le-Mans- und Targa-Florio-Geschichte – und natürlich der großartige „Fetzenflieger“. Der österreichische Rennfahrer Otto Mathé hatte den 490 Kilo leichten Rennwagen mit seinem 1,5-Liter-Porschemotor in den 1950er Jahren konstruiert. Dem Hamburger Automobilmuseum Prototyp ist es zu verdanken, dass der „Fetzenflieger“ nicht nur auf dem Eis seine Runde drehte – sondern beim Skijöring sogar zum rennsportlichen Skilift umfunktioniert wurde. 

Zu den Bildern, die uns vom Eisrennen nicht so schnell aus dem Kopf gehen werden, gehört sicherlich auch der Anblick von Dr. Wolfgang Porsche mit stilechter Pudelmütze, der sich das Cockpit eines Porsche 550 Spyder aus Familienbesitz mit seinem gut gelaunten Sohn Ferdinand teilte. Gratulieren muss man nicht nur den Organisatoren Ferdinand Porsche und Vinzenz Greger, die mit ihrem Eisrennen einen wunderbaren Saisonstart geschaffen haben, sondern auch den Mitarbeitern, die über Wochen eine erstklassige Eispiste angelegt haben. Wir hätten nicht gedacht, dass wir das einmal sagen, aber: Wir freuen uns schon jetzt auf den nächsten Winter!

Fotos: Stefan Bogner für Classic © 2019