Direkt zum Inhalt

Magazin

Design sammeln leicht gemacht mit Alexander Payne von Phillips

Im Vorfeld der Modern Masters Sale vom 26. April lud Phillips weltweiter Designchef Alexander Payne Classic Driver am Hauptsitz des Auktionshauses am Berkeley Square zu einem Crashkurs über die Kunst des Sammelns von alten und neuen Designikonen ein...

Als lebenslanger Liebhaber der feinen Künste und des Designs des 20. Jahrhunderts begann Alexander Payne 1999 bei Philipps, um dort ein neues internationales Designstudio aufzubauen. Das heute in einem riesigen und breit gefächerten Markt eine Speerspitze modernen Designs abgibt. Speziell vor dem Hintergrund einer vernetzten Welt suchen Sammlern nach neuen Wegen, sei es zum persönlichen Vergnügen oder als Investitionsobjekt. Und obwohl die gegenseitige Befruchtung zwischen den Design- und Sammlerwelten nicht so offensichtlich ist wie zum Beispiel bei alten Uhren, gibt es doch große Parallelen. Wir verbrachten einen Morgen mit Payne und einigen faszinierenden Stücken aus seiner bevorstehenden Auktion. Und der Anziehungskraft dieser fesselnden Gegenstände auf den Grund zu kommen. 

Hat Sie Design schon immer fasziniert?

Ich war immer schon an feinen Küsten, Antiquitäten und Designs des 20. Jahrhunderts interessiert. Zugleich habe ich von einem jungen Alter an mit fantastischen Mentoren zusammengearbeitet. Von einem regionalen Auktionshaus fand ich den Weg zu Bonhams, deren Designstudio ich dann leitete. 1999 wechselte ich zu Philipps, um dort zunächst in Amerika sowie dann im UK und auf anderen internationalen Märkten den Designmarkt zu entwickeln. Ich schätze mich sehr glücklich, mit vielen zeitgenössischen Designern groß geworden zu sein und mit ihnen gearbeitet zu haben. Ich habe teils miterlebt, wie sie ihre Werke erstmals in Museen oder auf Messen präsentiert haben. Das war in dieser Hinsicht eine faszinierende Reise, und ich kann daher ihre Philosophien und ihre Ansätze sehr gut nachvollziehen.

Wie würden Sie ein Design-Meisterwerk definieren? Was macht einen Stuhl, eine Lampe oder einen Tisch zur Ikone?

Eine Kombination aus vielen Dingen. Es geht los mit der Herkunft, der Geschichte des Objekts. Woher stammt es? Gibt es ein besonderes Erbe, wurde es zum Beispiel auf einer speziellen Messe oder Ausstellung aus der Art Déco-Epoche gezeigt? Es kann auch sein, dass es sich um ein Unikat handelt, oder aus einer Kleinserie stammt, oder dass der Designer einer der Größen seines Fachs war oder noch ist. Vielleicht ist ein bestimmtes Werk eines bestimmten Künstlers in Bezug auf die Linien oder die verwendeten Materialien und Techniken weltweit einmalig – gepriesen in wichtigen literarischen Werken oder ausgestellt in den größten Museen? Der ikonische Status erwächst aus einer Kombination all dieser Faktoren. Es gibt heute eine allgemein anerkannte Definition von „großem Design“, und die Experten bauen darauf auf. Wir sind gerade dabei zu bewerten, wer und was die Größen des 21. Jahrhunderts sind...

Also berücksichtigen Sie alle diese Eigenschaften bei den für eine Auktion ausgewählten Gegenständen?

Absolut. Das ist ein sehr langer, organischer und ermüdender Prozess. Gegründet auf Vertrauen und Beratung. Ein Kunde ist ein Verwahrer eines Objekts, und wenn er oder sie danach trachten, es in den Markt abzugeben, geht es um den richtigen Zeitpunkt, die bestmögliche Beratung und das Verständnis ihrer Bedürfnisse und Erwartungen. Wir sind glücklich, dass uns die Kunden eher in der Rolle eines Connoisseurs sehen, der auch in Bezug auf die Katalogangaben und die sonstigen Präsentationsformen einen sehr hohen Standard pflegt. 

Was sind die Highlights Ihrer kommenden Modern Masters Sale?

Prouvés persönlicher Cité Lehnstuhl hat alles, was eine prominente Herkunft ausmacht. Frühe Cités sind nur sehr schwer zu finden, und die Tatsache, dass er in Prouvés eigenem Haus stand, macht ihn ganz besonders und sollte die Aufmerksamkeit einer weltweiten Sammlerschaft wecken. Es gibt auch schon viel Interesse an Ron Arads „Little Heavy“-Stuhl, eines seiner frühen Werke. Er ist sehr schön und zeigt, wie Arad Volumina zur vollen Wirkung brachte. Er wird ohne Zweifel an einen Sammler gehen, der die Evolution des Arad-Stils sehr gut versteht.

Unter dem Star-Lots befindet sich auch ein Paar skurriler Sperrholzstühle von Carlo Mollino, die bis zu 250.000 Euro einbringen sollen. Was macht sie so speziell und begehrenswert?

Das Interessante an Mollino ist, dass er ein Flieger und erklärter Autofan war. Und diese Stühle sind extrem selten. Sie sind vergleichbar mit dem Auffinden eines Autos, das nie berührt und verkauft worden ist. Alles ist original – wir haben keinen  Millimeter Messing extra poliert, haben die Seele und Schönheit der Objekte nicht angerührt. Die Tatsache, dass diese Stühle zuvor nie auf den Markt gekommen sind, wird sie für viele Sammler spannend machen. Uns ist nicht bekannt, ob jemals ein anderes Paar bei einer anderen Auktion aufgetaucht ist. Daher ist das für uns eine wichtige und aufregende Entdeckung.

Was machen Sie mit einem zerlegbaren Prouvé-Haus? Und welche Kunden kaufen architektonische Objekte wie dieses?

Das sind Kunst- und Architektur-Sammler. Sammler, die es als Erweiterung ihres Eigenheims erwerben, sei es als Gästehaus, als Bibliothek oder als Rückzugsort von einem ansonsten geschäftigen Leben. Es ist dieser demontierbare Aspekt von Prouvé, der so aufregend ist. Die Vorstellung, ein Haus überallhin auf der Welt mitnehmen zu können, um es dann als Sommer- oder Winterquartier zu nutzen. Es gibt einige sehr wichtige Sammler in Europa, Asien und Amerika, die diese Anwesen auf diese Weise nutzen. Ich kenne sogar Sammler, die Autos in ihren Prouvé-Häusern abstellen. 

Warum ist Jean Prouvé solch eine einflussreiche Figur der Design-Welt?  

Er war ein Meister des Designs und der Architektur. Dazu ein genialer Konstrukteur, der Produktionstechniken aus der Industrie auf die Architektur übertrug, ohne dabei die ästhetische Qualität des Ergebnisses aus den Augen zu verlieren. Selbst die größten modernen Architekten feiern und ehren ihn bis heute – das zeigt, wie visionär er war. Man kann sich auf vielerlei Weise der Sammlung von Prouvé-Objekten nähern – von in relativ großen Stückzahlen hergestellten Stühlen bis zu sehr raren oder nur für ein bestimmtes Projekt entstandenen Gegenständen. Doch generell wird es schwieriger, Objekte aus seinem Werk ausfindig zu machen.

In der Welt des Autos spielt die Originalität, die Patina und der Grad der Restaurierung eine große Rolle. Trifft das auch auf Design zu?

Unbedingt. Man muss auf so vielen Nuancen achten. Womit wir auch wieder beim Punkt der für einen Sammler so wichtigen Herkunft wären. Wir suchen immer nach den perfekten Exemplaren. Es gibt immer Gebrauchsspuren, sie sind Teil der Patina, aber auch Teil der Historie eines Gegenstands und steigern so die Begehrlichkeit. Wo nötig, arbeiten wir eng mit Konservatoren zusammen, mit dem Ziel, eine Arbeit für die nächste Generation zu erhalten.

Objekte zeitgenössischer Meister wie Joris Laarman und Marc Newson verkaufen sich mittlerweile zu Wahnsinnspreisen – woher kommt diese Entwicklung?

Ich bin noch immer davon überzeugt, dass es einen breiteren Ansatz zur Sammlung von Designgegenständen gibt. Noch ist keine bestimmte Richtung sozusagen gettoisiert worden. Die Tatsache, dass es keinen verengten Zugang in die Sammlerwelt gibt, ist doch das wirklich Aufregende. Und dass ein neues Verständnis dafür aufgekommen ist, woher Design und dekorative Künste herkommen. Es gibt Sammler der modernen Ära der 1920er- und 30er-Jahre, die jetzt überlegen, wie sie Werke von Newson, Laarman und Hadid in ihre Sammlungen, ihre Häuser oder andere Lebensbereiche integrieren können. Sammler verfolgen heutzutage sehr unterschiedliche Strategien, daher stellen wir bahnbrechende, innovative Gegenstände auch immer in einen interessanten Kontext. 

Sind Möbelhersteller wie Vitra und Herman Miller, die Reproduktionen ikonischer Designstücke zu Spottpreisen anbieten, eine Konkurrenz für Sie? Oder eher eine gute Werbung für die Welt des Designs?

Vitra ist ein sehr wichtiger Verwalter vieler großer Architekten und Designer. Und ihr Museum und der Campus in Weil am Rhein sind schon seit Jahrzehnten ein Magnet für Design– und Architekturliebhaber aus aller Welt. Vitra hat eine für mich sehr schöne Vision: Sie feiern nicht nur die Designer des 20. Jahrhunderts, sondern auch die der neuen Generation. Das ist sehr nachhaltig und setzt viele Erfolgsgeschichten fort. Es schmälert nicht unsere Märkte, auch wenn es nicht allzu teuer ist, einen Cité-Sessel von Jean Prouvé zu erstehen. Doch was ich Ihnen anbieten kann, ist der persönliche Cité-Lehnstuhl von Prouvé....

An welches der von Ihnen verkauften Objekte haben Sie die stärksten Erinnerungen und welches hätten Sie am liebten behalten?

Oh, das gab es viele. Der Isamu Noguchi Goodyear Tisch war sicher ein echtes Highlight und ein sehr wichtiger Moment für unsere Abteilung. Das bewies, wie wir als Team die Bedeutung eines bestimmten Werkes feiern und präsentieren konnten. Auch Marc Newsons Lockheed Lounge war für mich ein spezieller Moment. Doch am höchsten in Ehren halte ich den „Transat“-Stuhl von Eileen Gray für den Maharadscha von Indore. Eines der ikonischsten Werke des 20. Jahrhunderts.

Die Märkte für zeitgenössische Kunst, Sammlerautos und Uhren, aber auch für Vintage Design und Möbel sind in den letzten Jahren explodiert. Was haben sie gemeinsam?

Es ist dieser „Spirit“ der Sammler, der Drang, immer nach dem nächsten besten Gegenstand zu suchen, der die Preise so hochgetrieben hat. Dazu hat sich der Designmarkt immer stärker internationalisiert. Kontinuierlich kommen weltweit neue Kunden hinzu. Entweder weil sie nach etwas für ihr Haus oder ihre bereits bestehende Sammlung suchen oder weil plötzlich Gegenstände aus einer bestimmten Geschichtsperiode eine Renaissance erleben. 

In der Autoszene stellen wir eine Verlagerung zu jüngeren Käufern fest. Beobachten Sie das auch in Ihrem Geschäftsfeld?  

Teilweise ja. Natürlich arbeiten wir mit den etablierten Sammlern zusammen, wie wir es seit über 20 Jahren getan haben. Denn sie waren durch alle Jahre hindurch immer eine Konstante. Sie haben das Grundthema ihrer Kollektion gefunden, und sammeln weiter in dieser Richtung. Doch in der Tat sehen wir auch eine neue Generation von Sammlern. Sie trägt dazu bei, dass der gesamte Markt weiter wächst. Wie wir es auch bei anderen Sammlerkategorien sehen, sind plötzlich die 35- bis 45-Jährigen sehr interessant geworden.

Woher kommen diese neuen Kunden?

Sie können aus der Welt der zeitgenössischen Kunst, aber auch aus der modernen Autowelt kommen. Zum Beispiel kann es sein, dass ein neuer Kunde ein bestimmtes Auto erworben hat und nun erforschen will, wie es ist, ein Sammler zu sein, was eine Kollektion wirklich ausmacht und wer die wahren Designhelden des 20. und 21. Jahrhunderts sind.

Interessieren Sie sich für klassische Automobile?

Ich liebe sie mehr als früher und versuche, sie noch besser zu verstehen. Alles, was Lord March in Goodwood veranstaltet, hat mich dieser Szene nähergebracht. Mittlerweile entwickle ich auch Vorlieben – so ist zum Beispiel die RAC TT beim Goodwood Revival mein Lieblingsrennen dort.

Welche Designplätze sollte man während eines Tages in London besuchen?

Ich würde auf jeden Fall versuchen, einen Besuch bei einer Auktions-Preview zu buchen. Weil man dabei sehr nahe an die Objekte herankommt. Natürlich ist das neue Designmuseum ein ‚must’; zugleich empfehle ich die wichtigsten kommerziellen Galerien, um auf diese Weise so viel wie möglich aufzusaugen. 

Fotos: Robert Cooper für Classic Driver © 2017 

Sie finden den kompletten Katalog für Phillips Modern Masters und Design Sale vom 26./27. April gelistet hier.