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Jäger der gefundenen Schätze auf der Techno-Classica 2017

Mögen sich manche Preise zwar abgekühlt haben, die Begeisterung für Klassiker ist aber ungebrochen. Tendenz steigend. Der Begriff "lebendige Vergangenheit" ist im dichten Gedränge der Essener Messehallen mit Händen zu greifen. Und die Sammler von morgen suchen die zukünftigen Stars.

„Very beautiful, very much!” Für die drei chinesischen Studenten war es der erste, überwältigende Besuch auf der Techno-Classica. Ja, erzählten sie, wenn sie eines Tages beruflich erfolgreich sein werden, würden sie sofort ein schönes altes Auto aus Europa kaufen. Was die drei künftigen Start-up-Millionäre bei der Weltmesse in Essen in diesem Jahr geboten bekamen, waren über 2.500 ausgestellte Sammlerfahrzeuge, mehr als 1.250 Aussteller, die wachsende Präsenz der großen Marken, welche zunehmend die Pflege der Tradition als eigenes Geschäftsmodell erkannt haben und die vielen Clubs und skurrilen Enthusiasten, die mit ihrem Herzblut eine Verkaufsmesse beleben.

Im letzten Jahr sollen rund 40 Prozent der Angebote verkauft worden sein. Ein gutes Omen für das noch junge Unternehmen von Max Girardo. Für ihre Messepremiere hatten sie unter anderem einen Lancia Aurelia B245 Spider America von 1955 mit matching numbers und den Porsche 993 GT" „Strassenversion” von 1996 aus dem Besitz von Ralph Lauren dabei. „Wir waren schon mit der Rétromobile sehr zufrieden, aber man spürt sofort, dass hier ernsthafte Interessenten auf Shoppingtour sind.” Das sieht Markus Fograscher von HK Engineering ganz ähnlich. Der Mercedes-Benz-Spezialist beobachtet, wie das Interesse am 190 SL als kleinerem Gefährten der Ikone 300 SL gerade rapide steigt. „Unsere Kunden arbeiten viel und haben wenig freie Zeit, deswegen möchten sie jederzeit einsteigen können, um ihren Klassiker sorgenfrei zu genießen.” Obwohl das Leben zunehmend digitalisiert ist, so Fograscher, ist der persönliche Kontakt, den ein Messestand ermögliche, unersetzlich.

Wie wichtig ein klares Profil und damit auch die ausgestellte Expertise auf einer Messe sind, kann man beispielsweise bei Jan B. Lühn erleben. Unter den Motorsport-Heroen, die er in Essen versammelt hatte, war ein sehr seltener ex-Le Mans-Porsche 924 GTR von 1981 von dem sich ein Sammler trennen wollte. Nicht minder beeindruckend war der cremeweiße Audi Sport quattro aus den Achtzigern mit puristischem Interieur in schwarz mit olivgrünem Leder für den fast eine halbe Million Euro aufgerufen sind.

Einen Messerundgang erlebt man wie einen Seismographen der aktuellen Trends. Bei Größen des Handels wie Thiesen mit einem wunderbar von Frua entworfenen Maserati Mistral 4000 Coupé von 1968 oder Mechatronik mit dem Über-Modern Classic wie dem Mercedes-Benz SLR „Stirling Moss” von 2009 erlebt man die unendliche Vielfalt der Tradition. Viele Händler reagieren auf die steigende Nachfrage nach Klassikern in Wartestellung wie den BMW M5 der neunziger Jahre und Porsche 911 der Neunziger in allen Ausbaustufen, die manch voll geparkten Stand eher wie einen Gebrauchtwagenhandel am Stadtrand aussehen lassen. Schnäppchenjäger mit leerer Shoppingtasche dürften die Höhen und Tiefen des Suchens erlebt haben. Denn es gibt immer wieder Entdeckungen wie den Lancia Fulvia 1600 HF Fanalone Corse von dem nur 200 gebaut wurden (matching numbers) bei DeLeon Classic Cars für knapp 60.000 Euro oder den vielleicht eher optimistisch eingepreisten Datsun 240 Z eines belgischen Händlers für 43.000 Euro mit dem handschriftlichen Zusatz „No Rust”. Und kommt man zu einem Auto, das Interesse weckt, wie das charmante silberne Glas-Coupé auf einem der Freigelände-Areale, dann steht dort schon: verkauft.

Der Reiz dieser Messe ist das Nebeneinander von großer automobiler Tradition in funkelnder Qualität, deren Preis nur auf Anfrage verraten wird und Veteranen des Alltags, die auf einen Käufer warten, der bereit ist, bei der Marktlage spekulativ in die Restauration zu investieren. Längst haben die großen Hersteller entdeckt, dass ihre Klassiker nicht nur die DNA der Herkunft illustrieren wie die Jubiläen bei Opel und Volvo, sondern auch wie bei Ferrari mit der Classiche-Zertifizierung ein Geschäftsmodell bilden. Lamborghinis junge Polostorico-Abteilung zeigte auf der Techno-Classica einen atemberaubend und quasi ab Werk restaurierten Miura P400 SV von 1971 und die Rohkarosse des nächsten Projekts, einem Countach LP400 von 1976. Porsche feierte in der VW-Halle, die alle Marken des Konzerns bündelte, das 40-jährige Jubiläum des 928. Auch Bentley und Bugatti stellten wie bei Rolls-Royce mit dem neuen Wraith alt und neu Seite an Seite. 

Anders als Aston Martin, die ihren Kunden ebenfalls werkseitig mit der Suche nach bestimmten Modellen und der anschließenden Restaurierung zur Seite stehen, geht Jaguar Land Rover mit dem mittlerweile sehr erfolgreichen „Reborn”-Programm einen innovativen und eigenständigen Weg. In Essen wurde - nach dem zweitürigen Range Rover - nun der erste E-type Reborn vorgestellt. Der Series 1 Fixed Head Coupé 4.2 von 1962, der ab 332.832 Euro angeboten wird, wurde in der neuen Werkstatt in Coventry nach Originalspezifikationen restauriert und ist zunächst auf zehn Exemplare limitiert. Für Enthusiasten, die auch hier zu spät kommen, gibt es aber als Trost kunstvoll gestaltete E-type-Motorhauben als Wandschmuck.

Für alle anderen Besucher in Essen, die noch an der Größe des Budgets arbeiten, locken neben Modellautos jeglicher Qualität zumindest historische Ersatzteile in Hülle und Fülle und Memorabilia aus jeder Epoche. Und wer sich noch für das Goodwood Revival einkleiden wollte, dürfte Staubmäntel, Brillen und Tweedjacken zur Komplettierung des Looks gefunden haben.

Fotos: Frederik Dulay für Classic Driver © 2017

Der Classic Driver Markt bietet Tausende von klassischen und für Sammler interessante Autos zum Verkauf; täglich kommen neue Angebote hinzu. Sie finden auch eine Auswahl an klassischen Motorrädern sowie YachtenUhrenSammlerstücken und sogar Luxusimmobilien zum Verkauf.