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Magazin

Die Wiederentdeckung eines verlorenen Porsche 911 2.7 Carrera RSH

Jeder Fan klassischer Automobile träumt davon: Einen verlorenen Schatz zu heben und ihn wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Man stelle sich daher die Freunde von Classic Driver Händler Jan B. Lühn vor, als er in einer Scheune einen der seltensten jemals gebauten Porsche entdeckte.

„Jeder glaubt ja, dass auf der Suche nach den letzten automobilen Schätzen längst jede Scheune und Garage durchsucht worden sei. Dass es keine Überraschungen mehr geben würde“, sinniert Jan B. Lühn.  Um so größer war seine Freude, nachdem er diesen Porsche 911 2.7 Carrera RS – eines von nur 17 Exemplaren nach „H“-Spezifikation (für Homologation) – an einem geheim gehaltenen Ort irgendwo in Deutschland aufgetrieben hatte. „Wenn die Augen zum ersten Mal eine solch seltene und sehr spezielle Facette der Porsche-Geschichte erblicken", schwärmt Lühn, "dann fühlt man sich schon ein bisschen wie Howard Carter bei der Öffnung des Grabes von Tutanchamun.“

Wir können die Begeisterung nur zu gut nachfühlen, die Lühn und sein Team erfasste, als sie das Tor zu dem kleinen Verschlag öffneten und plötzlich vor diesem mysteriösen Porsche 911 in Grünmetallic standen. Der Carrera 2.7 RSH gehört neben dem 3.2 Carrera Club Sport aus der G-Serie und dem Carrera 4 Lightweight aus der 964-Baureihe zu den seltensten Elfern überhaupt – so selten ist er, dass überhaupt nur sehr wenige Menschen von seiner Existenz wissen. Allein schon das ist eine bizarre Vorstellung, gilt doch der 911 als beliebtester Sportwagen der Welt, dessen Geschichte in Form hunderter Bücher von A bis Z durchdokumentiert wurde. So gehen wir nochmals einige Schritte zurück.

Der Porsche 911 RS 2,7 feierte im Oktober 1972 auf dem Pariser Salon seine Weltpremiere. Die ursprüngliche Idee sah den Bau von maximal 500 Exemplaren vor – das Minimum, um die Homologation für die FIA Gruppe 4 zu erhalten. Um das Homologationsgewicht von 960 Kilogramm zu erreichen, wurden die ersten 500 Modelle so radikal wie möglich von allem unnötigen Schnickschnack befreit und auf einer offiziellen Waage der Stadt Stuttgart gewogen. Danach ging es dann zurück ins Werk, wo die Autos zu komfortableren Touring- oder sportlichen „Leichtbau“-Varianten aufgebaut und an Kunden verkauft wurden.

Insgesamt baute Porsche 1.590 Exemplare des 2.7 RS – zehn Prototypen, 1308 RS Touring, 200 RS „Leichtbau“, 55 RSR 2.8 und dazu noch 17 der ultraleichten RSH-Modelle, so genannte Homologation Specials. Wog ein RS Touring bereits 1.075 Kilo, war ein Sport Leichtbau rund 100 Kilo leichter. Doch der besonders gründlich abgespeckte RSH brachte sogar nur 935 Kilo auf die Waage. Jedes erdenkliche Gramm war bei ihm eingespart worden. So fehlten die dicken serienmäßigen Bodenteppiche ebenso wie die Klappe des Handschuhfachs, die Uhr, der Werkzeugsatz, der Beifahrersitz und die Sonnenblenden, um nur die wichtigsten Teile zu nennen. Für die Karosserie wurde besonders dünner Stahl gewählt, an jedem Rad saßen schmalere 6-Zoll-Fuchs-Felgen und statt emaillierter Embleme taten es an Bug und Heck auch simple Aufkleber. Wer diesem Auto als Fahrer gerecht werden wollte, verzichtete nach dem Essen nicht nur auf den kalorienreichen Nachtisch, er ließ mit Blick auf das Leistungsgewicht sogar seinen Espresso stehen.

Der im Mai 1973 an einen Tegernseer Hotelbesitzer gelieferte RSH mit Chassisnummer 9113601256 wurde ohne Extras bestellt. 1982 verkaufte der Erstbesitzer das Auto mit 68.000 Kilometern auf der Uhr an den zweiten und zugleich auch schon letzten Besitzer. Der tauschte den „Entenbürzel“-Spoiler gegen eine (eigentlich vom Werk nicht autorisierte!) glatte Motorhaube aus, ließ das Auto zumindest äußerlich vom sehr exaltierten Farbton „Viper“ in Metallic-Grün umlackieren und fügte ein Radio, eine Uhr, einen Aschenbecher und Bodenteppiche hinzu. Alles Details, die ein neuer Kunde dem Vernehmen nach sehr schnell wieder entfernen kann. Während der letzten 34 Jahre legte der zweite Besitzer gerade einmal 10.000 weitere Kilometer zurück, so dass sich das immer schön trocken gelagerte Auto mit matching numbers heute in einem vorzüglichen Zustand befinden soll. 

Ein automobiler Scheunenfund ist an sich schon ungewöhnlich. Doch einen solchen Schatz zu heben, grenzt an eine kleine Sensation. Auch wenn er eine relativ unbekannte Größe in der Porsche-Welt sein mag, reicht der 911 Carrera 2.7 RSH in punkto Begehrlichkeit und Philosophie sogar an den legendären Porsche 911 R heran. Wir fragen uns, ob wohl auch die anderen 16 Exemplare irgendwo ihrer Entdeckung harren – für die Hardcore-Fraktion unter den Porschephilen eine unwiderstehliche Vorstellung.

Fotos: Stefan Bogner für Classic Driver © 2016

Sie finden diesen 1973er Porsche 911 Carrera 2.7 RSH im Classic Driver Markt gelistet, zusätzlich zu Jan B. Lühns komplettem Inventar.