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Peter Muller-Munk, der unbekannte Großmeister des Industriedesigns

Der deutschstämmige Designer Peter Muller-Munk stand immer im Schatten gefeierter Kollegen wie Norman Bel Geddes und Raymond Loewy. Doch wie bedeutend sein Beitrag zur Gestaltung des „American Way of Life” tatsächlich war, würdigt nun eine große Ausstellung in Pittsburgh.

„Design ist eine Haltung. Es ist kein Zaubergemisch. Es ist Brot und Butter, und manchmal ist es auch Marmelade.” Das gab Peter Muller-Munk seinen Studenten am Carnegie Institute of Technology in der Stahlstadt Pittsburgh mit auf den Weg. Die Hochschule in der Hochburg der Industrie war die erste in den Vereinigten Staaten, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg einen Studiengang für das blutjunge Fach Industriedesign anbot. Hier erlebte der deutsche Einwanderer seine größten Erfolge als Lehrer und als Gestalter für namhafte Firmen. Mit der Ausstellung „Silver to Steel” im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh wird nicht nur ein bedeutender Designer wieder entdeckt. Die Ausstellung wirft auch einen Blick auf die Epochen der Mad Men, als Alltagsprodukte wie Kühlschränke, Autos, Lokomotiven, Rasierapparate nicht nur innovativ, sondern auch international stilbildend wirkten.

Als man dem deutschen Einwanderer, der schon Jahre vorher den Umlaut aus seinem Namen getilgt hatte, Mitte der dreißiger Jahre einen Lehrauftrag anbot, hatte sich Muller-Munk bereits in den USA einen Namen als Gestalter von luxuriösen Silberwaren gemacht. Im Jahr 1926 hatte der 22-jährige, eloquente und elegante junge Mann Berlin in Richtung New York verlassen. Als Silberschmied, der an der Berliner Hochschule für Kunst und angewandte Kunst sowohl die englische Art and Crafts-Bewegung wie das Bauhaus kennengelernt hatte, marschierte er selbstbewusst zum berühmten Juwelier Tiffany & Co. und wurde sofort eingestellt. Anders als in Deutschland, wo es in der schwierigen wirtschaftlichen Situation nach dem Ersten Weltkrieg kaum Bedarf an edlen Manufakturobjekten gab, waren New Yorker Kunden wie auch Magazine schnell auf das Talent Muller-Munks aufmerksam geworden. Schon nach einem Jahr machte er sich mit einem Atelier selbständig und schuf silberne Schalen, Bürstensets für die Damen, Rasiersets für die Herren und Trophäen für Gentleman-Segler.

Geschickt verband er den dekorativen Art Deco-Stil seiner neuen Heimat mit der kühleren Formensprache der europäischen Moderne. Zu den berühmtesten Arbeiten aus dieser Zeit zählt ein Teeservice aus Silber und Elfenbein von 1931, das heute zur Sammlung des Metropolitan Museum of Art gehört. Obwohl Muller-Munk in einem traditionellen Kunsthandwerk ausgebildet worden war, interessierte er sich zunehmend für die Gestaltung von Industrieprodukten und hielt Vorträge über den Beruf des Designers und über dessen fundierter Ausbildung. Mit dem Ruf an das Carnegie Institut Mitte der dreißiger Jahre konnte er endlich seine Vorstellungen umsetzen: „Nichts ist schlimmer, als Fabrikprodukte, die wie Handarbeit aussehen wollen. Es fehlt der Mut zur ästhetischen Eigenständigkeit”. In Pittsburgh schickte er seine Studenten in die Stahlwerke, um das Material und seine Möglichkeiten kennenzulernen, ebenso mussten sie auch zu den Keramik- und Glasherstellern. Wie sein Zeitgenosse Norman Bel Geddes, der als Bühnenbildner angefangen hatte, interessierte sich Muller-Munk für Mobilität und ließ seine Studenten Lokomotiven und Trambahnen entwickeln. Zugleich förderte er Kontakte zwischen der Universität und den Designern und Ingenieuren von Unternehmen – ein Ansatz, die für die damalige Zeit außergewöhnlich waren.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Spross einer jüdischen Akademikerfamilie US-Bürger und entwarf beispielsweise Tarnmaterial für die Streitkräfte. Nach 1945 erlebten die Vereinigten Staaten die Blütezeit, die den „American Way of Life” begründete: Mit dem wachsenden Wohlstand kamen immer größere Autos, Häuser und Alltagsgegenstände, die auch in ihren Dimensonen mitwuchsen. Für Westinghouse zeichnete Muller-Munk einen jener typischen runden riesigen Kühlschränke und großformatige Herde. Er entwarf Chromelemente für Segelschiffe, eine Kühlbox für Coca-Cola, Radios und Filmkameras sowie -projektoren für Bausch & Lomb. Er schuf die für die sechziger Jahre typischen dekorativen Glaswände und machte sich Gedanken, wie ein modernes Labor optimal gestaltet sein sollte. Um alle Aufträge zu bewältigen, gründete er schließlich ein eigenes Büro, Peter Muller-Munk Associates (PMMA), für das er auch ehemalige Studenten gewann. Heute kaum vorstellbar: Die Regierung der USA schickte einst Designer wie ihn los, um in Ländern wie Indien oder der Türkei Entwicklungshilfe in Sachen Modernisierung und Design zu leisten.

Er war aber nicht nur Mentor, Unternehmer und ebenso geschickter Selbstvermarkter, ebenso wichtig war es ihm bis zu seinem Tod 1967, in den Medien mit eigenen Beiträgen Werbung für die Rolle des Industriedesigns, dieses noch unbekannten Wesens, zu machen. „Wir sind die Bildhauer der Massenherstellung”, schrieb er einmal. „Was den modernen Menschen umgibt, wurde von jemand mit Sinn für Farben, Formen, Materialien und Technologien gestaltet, egal ob Benzinpumpe, Badewanne oder Plastikbürste.” Anders als Geddes oder Loewy arbeitete er aber nie für die US-Autoindustrie. Das damals übliche „Styling” wirkte für ihn, der ein Produkt von Anfang an mit den Technikern entwickeln wollte, wie nachträglich aufgeklebt. „Gutes Design ist kein Luxus. Man muss seinen Markt kennen und beste Qualität liefern, dann wird sich ein Produkt auch durchsetzen.” Sätze, die auch heute noch richtig sind, auch wenn sie von 1949 stammen.

Die Ausstellung „Silver to Steel” im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh läuft noch bis zum 11. April 2016. Nähere Informationen finden Sie unter cmoa.org.