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Driven by Disruption - Die kreative Kraft des Neuanfangs

Was wäre die automobile Welt ohne ihre Designer und Ingenieure? Die Auktion „Driven by Disruption“ von RM Sotheby’s zollt diesem kreativen Geist nun Tribut. Wir haben uns mit Alain Squindo, dem Vizepräsidenten von RM Sotheby’s, über die wichtigsten Umbrüche der Automobilgeschichte unterhalten.

Im Vergleich zu anderen Auktionen darf dem „Driven by Disruption“-Sale von RM Sotheby’s am 10. Dezember 2015 in New York ruhig eine gewisse Exzentrizität bescheinigt werden. Nach mehreren Monaten der Suche nach außergewöhnlichen Objekten für die Auktion, wurde die finale Liste von 31 Autos jetzt vorgestellt – in all ihrer Pracht. Von Meilensteinen der Automobilgeschichte, die im Rahmen einer Kunstausstellung präsentiert werden, bis hin zu dem speziell gestalteten Hardcover-Katalog, der die Veranstaltung um einige Wochen verzögerte – die Auktion soll dem Publikum „die Extreme der Automobilgeschichte und die Durchbrüche, die von Designern erzielt wurden, um an die Grenzen des Machbaren zu gehen“ näherbringen. Die Kulisse für dieses ungewöhnliche Event ist der atemberaubende Galerieraum im 10. Stock des Sotheby’s Hauptquartiers in New York. Keine Frage: Die Veranstaltung verspricht eine der bemerkenswertesten Automobilauktionen des Jahres zu werden. Hier ist was RM Sotheby’s Vice President Alain Squindo zu sagen hatte.

Könnten Sie die Idee hinter der Auktion „Driven by Disruption” beschreiben?

Wir wollten auf eine frische Weise an die Dinge herangehen und ungewöhnliche und aufregende Automobile für die Versteigerung zusammentragen. Es ist spannend für die Kunden genauso wie für uns, wenn man mit einem Thema arbeiten kann, dass so eine Ausstellung wie eine Klammer umfasst. Hier bei Sotheby's besitzen wir im zehnten Stock einen schönen, großzügigen Galerieraum, um die Automobile auszustellen. Wir wollten selber mit diesem Projekt Spaß haben und etwas Unkonventionelles auf die Beine stellen. Deswegen haben wir Autos gesucht, die genauso „out of the box” waren und zu ihrer Zeit Traditionen über den Haufen warfen. Die störende, unterbrechende Kraft dieser „Disruptiveness” übertrug sich auf die Anlieferung der Fahrzeuge wie auf deren Präsentation im Saleroom. Wir haben nur 31 Autos ausgewählt. Was diese Beispiele aus der Geschichte gemeinsam haben, sind die Impulse für einen grundlegenden Wandel, die von ihnen ausgegangen sind, sei es in ihrem Segment, im Design oder in der Ingenieurstechnik. Natürlich sind auch einige sehr kostspielige Exemplare darunter, aber darum ging es bei diesem Thema nicht in erster Linie. 

Was unterscheidet diese Versteigerung von anderen?

Der Trendbegriff „Disruption” ist heute in aller Munde und dürfte auch die Käufer anziehen, die sich diese Sammlung ansehen wollen. Wie der Katalog wird auch die Versteigerung mit der eher herkömmlichen Präsentation von Sammlerstücken brechen. Diese Autos, die zu ihrer Zeit als revolutionär, sogar als höchst umstritten galten, entwickelten über die Jahre enorme Attraktivität. Ein Beispiel hierfür ist der Pierce-Arrow Silver Arrow von 1933, der absolut verblüffend ist. Das Design allein machte ihn damals einmalig. Im Rückblick stellen wir fest, dass daraus ein sehr teures Fahrzeug mit sechsstelligem Wert geworden ist. Für den Kunden, der uns das Auto in Kommission gegeben hat, liegt der Reiz auch darin, dass diese Auktion völlig anders ist. Für den Besucher liegt er darin, etwas wirklich Einzigartiges zu bestaunen.

In welcher Epoche machte Autodesign die meisten Fortschritte?

Ich finde, dass in den 1950er Jahren die größten Entwicklungen geleistet wurden. Spezialisten würden vielleicht eher die klassische Vorkriegs-Ära hervorheben. Aber ich betone deshalb die 1950er Jahre, weil damals viel in der Welt los war. Es war die Nachkriegszeit mit ihrer neuen, weltweiten Nachfrage nach Automobilen. Zugleich war es die goldene Epoche für Karosseure, die noch eng mit wichtigen Marken wie Ferrari arbeiteten und vergessen wir nicht, wie sich in dieser Zeit auch die Motorleistung immer stärker entwickelte. Es gab die Begeisterung für alle diese 24-Stunden-Rennen mit Weltklassefahrern am Start. Viele Berühmtheiten und die damaligen Superreichen wurden mit bestimmten Automobilen in Verbindung gebracht, außerdem gab es seinerzeit in Frankreich noch eine Reihe einflussreicher Concours. Für mich sind die 1950er Jahre wie ein Schmelztiegel der Kreativität - und da gab es ein paar ziemlich wilde Schöpfungen.

Wenn die klassische Ära in Frankreich die Vorspeise war, dann bildete Europa in den 1950er Jahren sozusagen den Hauptgang?

Ich denke, dass die wirklich ungewöhnlichen Modelle in den 1930er Jahren entstanden. In Frankreich gab es einige exzentrische Karosseure, die für die Concours verrückte One-Offs schufen, selbst die amerikanischen Werkstätten hatten da einiges zu bieten. Aber mit dem Beginn der Nachkriegszeit und in die 1950er Jahre hinein kam etwas ins Rollen, das für das Jahrhundert bestimmend sein sollte. Ferrari beispielsweise schuf damals einige einmalige Klassiker, die noch von legendären Karosseriedesignern entworfen wurden. In den 1960er und 1970er Jahren folgte die Welle der Supercars - und was haben wir heute? Es gibt diese limitierten Enzos und LaFerraris, aber ihre aberwitzige Ausstattung trägt die DNA eben dieser Pionierzeit der Marke.Man hatte die richtigen Visionäre an der Front. Man hatte das richtige Management, das sich traute, unerhörte Dinge zu wagen, sei es im Bereich Leistung, Design oder Luxus. Egal, was es ist, man braucht einen Querdenker, der sagt: Wir lösen das jetzt einmal anders. 

Wer sind Ihre Lieblinge unter den Autodesignern?

Luc Donckerwolke, dabei habe ich seinen Namen erst während der Vorbereitung zur Auktion kennengelernt. Von ihm stammt der faszinierende Lamborghini Concept S. Er entwarf das Auto, das er selbst fahren wollte, und es ist etwas völlig Verrücktes dabei herausgekommen. Es handelt sich um einen Dual Cockpit Roadster, der nur einmal gebaut wurde und eine Straßenzulassung besitzt. Etwas in der Art dieses Autos habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen, es ist eine große Hommage an die Historie. Was mich beeindruckte war, das er das Concept S für sich selbst entwarf. Es war ein grandioser, einmaliger Coup, weswegen wir das Auto vorab veröffentlicht haben: Es definiert, worum es sich bei „Driven by Disruption” dreht.

Welches Auto aus dem Auktionskatalog verkörpert das Thema „Driven by Disruption” am besten?

Der BMW M1 ist ein großartiges Beispiel. Historisch hatte das Unternehmen Frontmotor-Autos gebaut, die mal sportlich, mal elegant waren. Und dann bricht man mit der Tradition: wählt italienisches Design im Stil der 1980er Jahre, wählt ein Mittelmotor-Konzept und verhilft damit der sportlichen M-Abteilung zum Debüt. Der M1 ist wahrhaft disruptiv gewesen. Ein ähnlicher Fall ist der Porsche 911 Turbo. Man verpflanzt einen Turbolader in einen Heckmotor-Sportwagen wie den 911.  Das war ein Stück Motorsport-Technologie und gleichzeitig hoch riskant. Ich glaube, diese Art von Wagemut trug auch zu seinem Nimbus bei. Wie andere Beispiele aus dieser Kategorie hat der Turbo zeitlose Gültigkeit. Er war verrückt und er war das schnellste Auto der Welt, als er Premiere feierte. Aber seine Entwickler haben Recht behalten. Der Turbo zählt immer noch zu den begehrenswertesten Modellen.

Gibt es bestimmte Autos, Designer oder Ingenieure, die uns vielleicht noch unbekannt sind?

Im Rahmen der Versteigerung wäre das der Pegaso Z-102. Es verlangte schon gehörigen Mumm, ein solches Auto in der damaligen Zeit zu bauen. Die 1950er Jahre in Spanien waren eine Epoche der Microcars und des öffentlichen Nahverkehrs, der gerade für die europäischen Großstädte entwickelt wurde. Einen Pegaso mitten hinein in diesen Zeitgeist zu setzen, war schon bemerkenswert. Aber dann auch noch das damals finanzielle Risiko einzugehen, einen Rivalen für Ferrari aufzubauen, ist schon verblüffend. Der Pegaso ist kaum bekannt, passt aber wie maßgeschneidert in unser Konzept. 

 

Gibt es im aktuellen Autodesign noch ebenso viel Raum für Innovation?

Die Antwort des Pessimisten wäre: Nein. Aber auch heute verblüffen uns Designer immer wieder mit verrückten Sachen, nicht nur im Entwurf, sondern auch in der Leistung. Man denkt noch, es wäre unmöglich, in drei Sekunden den Sprint von 0 auf 100 Stundenkilometer zu schaffen, und dann sind 2,5 Sekunden auf einmal die Regel. Der Bugatti Veyron als Beispiel widerlegt pessimistische Ansichten über die Beschränkungen der Autoindustrie, denn er wurde von Grenzgängern entwickelt.

Wenn Sie mit einem Auto aus der Auktion nach Hause fahren könnten, welches wäre es?

Ich liebe den Flügeltürer. Ich bin stark in die operative Seite unseres Unternehmens eingebunden und hatte folglich das Vergnügen, mit dieser spät angebotenen Kommission viel zu tun zu haben. Es ist einfach ein tolles Auto, das leider die längste Zeit unter dem Radar geblieben ist. Mich begeistert, welchen unglaublichen Seltenheitswert dieser Mercedes-Benz besitzt. Die Alumiumin-SLs haben ja in der Szene die Bedeutung eines Heiligen Grals, aber es gab nur vier offizielle Rennwagen, wovon zwei Exemplare überdauert haben. Das ist Wahnsinn. Wir haben über die Bedeutung von Ferrari für die Automobilgeschichte gesprochen, aber dieser Mercedes ist der wichtigste, der seit sehr langer Zeit wieder unter den Hammer kommt.

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von RM Sotheby´s © 2015

Sie finden den vollständigen Katalog von RM Sotheby´s Driven by Disruption-Auktion am 10. Dezember 2015 in New York im Classic Driver Markt.