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Der Ferrari 212 Vignale war einst ein futuristischer Jetsetter

Als das Zeitalter der Düsenjets anbrach, veränderte sich nicht nur die Gesellschaft. Auch das Autodesign griff die neuen Impulse auf, man denke nur an die US-Straßenraketen. Aber erst mit dem kühnen Vignale Ferrari 212 Inter bekam das Jet Set ein richtiges Statussymbol.

Nachdem Ferrari mit dem 166 Inter den ersten Sportwagen aus Maranello für die Straßen gezähmt hatte, zeigte der 212 Inter, dass man auch die Kür von atemberaubender Leistung gepaart mit verschwenderischem Luxus beherrschte - eine Evolution, die im Flugzeugbau vom de Havilland Comet, dem ersten Düsenflieger, gespiegelt wurde. Während dieser Epoche gestalterischen Neuanfangs Anfang der 1950er Jahre wurden rund 80 Ferrari 212 mit Inter-Spezifikationen gebaut und für maßgeschneidertes Einkleiden an unabhängige Karosseure geliefert. Zu dieser Elite zählte auch das Studio von Vignale, deren verrücktes Styling dem Commentatore Enzo Ferrari weitaus besser gefiel, als das anderer damaliger Partner wie Ghia und Touring.

Die sechs Genf-Coupés

Eines der sechs 212 Inter-Modelle, die als „Genf-Coupés” in die Geschichte eingingen, ist hier auf den Bildern zu sehen. Die ersten Zeichnungen stammten von Giovanni Michelotti und wurden dann in der Werkstatt von Alfredo Vignale zum Leben erweckt. Wie ein Bildhauer, der aus einem rohen Block Marmor Einzigartiges entstehen lässt, übersetzte das Metallgenie aus Turin das Konzept des Designers für ein rollendes Chassis. Diese Genfer Coupés aus dem Jahr 1953 teilten einige visuelle Elemente - sowohl untereinander, als auch mit dem für die Carrera Panamericana entworfenen Ferrari 340 Mexiko Berlinetta aus dem Jahr zuvor. Aber sie besaßen auch einige markante Unterschiede.

Von der Luftfahrt inspiriert

Neben dem charakteristischen Kühler, der ein wenig an einen Eierkarton erinnerte, hatte das Coupé auch zierliche Stoßfänger-Stäbe, die, wenngleich nicht funktional, doch das Aussehen dieses Ferraris bestimmten. Sie waren oberhalb der eigentlichen Stoßfänger montiert und führten das Auge entlang einer hohen Schulterlinie, welche im Verbund mit dem niedrigen Dachbogen dem Design etwas beinahe Abgehacktes verlieh. Der Falz der Motorhaube und die Heckflossen waren Beispiele für pures Aero-Styling und wurden von dem Duoton-Farbschema akzentuiert. Man könnte fast meinen, die eleganten Uniformen der damaligen Stewardessen hätten hier einen Trend gesetzt. Einige dieser Einfälle sollten später eine ganze Ära des amerikanischen Automobildesigns definieren. Obwohl dieser Ferrari italienische Couture zur Schau trug, konnte er es durchaus mit Ikonen des Jet Age-Styling wie dem Cadillac Eldorado und dem ersten Firebird von General Motors aufnehmen, die beide im selben Jahr entstanden.

Nicht nur schön, sondern auch schnell

Obwohl erst die nächste Ferrari-Generation mit technischen Innovationen wie Scheibenbremsen und synchronisierten Getrieben ihre ganze rennerprobte Dominanz ausspielen sollte, suchte der Ferrari 212 auf der Straße nach ebenbürtigen Konkurrenten. Mit neuen Features wie einem Fünfganggetriebe und der jüngsten Version des 2,6-Liter-Motors des schon legendären V12 von Colombo bot der Sportwagen seinen Kunden sowohl grandiose Leistung als auch luxuriöse Ausstattung. Der seltene Ferrari von Vignale auf unseren Bildern wurde neu vom Rennstallbesitzer eines zweimaligen Indy 500-Gewinners gekauft. Kurz zuvor hatte es sein Debüt beim San Remo Concours d'Elegance gefeiert. Bei RM Sotheby's „Driven to Distraction”-Auktion am 10. Dezember 2015 dürfte er einmal mehr die Bieter begeistern, schließlich lautet das Motto der Versteigerung „Bahnbrechende Entwicklungen von Ingenieuren und Designern”. Nicht nur lockt das Coupé mit Ferrari-typischen Attributen. Es ist vor allem auch eine kaum bekannte Ikone des Jet Age, das Automobildesigner bis heute inspiriert.

Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2015