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Go Continental - Ich packe meinen Bentley und nehme mit...

Es gab Zeiten, da fühlte sich Großbritannien magisch zum europäischen Kontinent hingezogen. Im Frühjahr packte der Gentleman seine Lederkoffer, suchte die passenden Straßenkarten zusammen und ließ den Bentley warm laufen für seine Fahrt in den Süden. Simon de Burton hat es nochmals ausprobiert.
Es ist schon ein paar Jahrzehnte her, da war die Redewendung to go continental für uns Briten ein geflügeltes Wort – und ein großes Versprechen. Auf dem Kontinent gab es „Continental Quilts“, also luftige Daunendecken anstatt der bei uns auf der Insel so beliebten, alten und schweren Wolldecken. Man aß morgens nur ein leichtes „Continental Breakfast“, anstatt sich mit Eiern und Speck den Bauch zu verrenken und gab sich auch sonst zahlreichen sehr kontinentalen Gewohnheiten hin. Nun ja, nicht alle konnten wir gutheißen. Heute, da man sich durch die Dunkelheit des „Tunnel sous la Manche“ auf die andere Kanalseite quält oder mit dem Billigflieger zum Preis einer halben Tankfüllung nach Cannes hinunterjettet, hat die Idee des Kontinental-Urlaubs leider den Großteil ihrer alten Strahlkraft verloren. 

Ein glamouröses Unterfangen

In der goldenen Ära der Nachkriegszeit war eine Automobilreise nach Europa, denn das meinten wir schließlich mit „The Continent“, ein äußerst glamouröses Unterfangen. Es war sogar so prestigeträchtig, dass Bentley der Reise auf die andere Seite des Ärmelkanals ein eigenes Modell widmete – den wunderbaren R-Type Continental. Mit seiner fließenden Mulliner-Karosserie, zwei Heckflossen frisch aus dem Windtunnel und einem äußerst komfortablen Fahrwerk war er eigens für die langen Landstraßen Frankreichs entworfen worden. Für einige Zeit galt er sogar als schnellster Viersitzer der Welt.

Die Eleganz der 1950er Jahre im modernen Straßenverkehr

In den 1950er Jahren war der Bentley R-Type Continental ein kosmopolitisches Statement allerersten Ranges. Doch wie haben sich die Europareisenden von einst auf ihre große Tour vorbereitet? Um den Abenteuergeist dieser aufregenden Epoche besser verstehen zu können, haben wir ein Experiment gewagt, die Zeit für einen Tag zurück gedreht – und uns am Steuer eines klassischen Continental-Bentley zum Reiseshopping ins Verkehrschaos der britischen Hauptstadt gestürzt. Und es ist nicht irgendein R-Type, den wir für unsere Einkaufsfahrt durch London ausgewählt haben – sondern das Showcar des Genfer Autosalons von 1954, das seit den 1970er Jahren zur Flotte des angesehenen Rolls-Royce- und Bentley-Spezialisten Frank Dale and Stepsons gehört. 

Der Wagen stammt aus der D-Serie und wird von einem großen 4,9-Liter-Reihensechszylinder samt manueller Schaltung angetrieben. Zur Ausstattung gehören Leichtbau-Sitze, eine Federung von Wilmot Breedon, eine leisungsstarke Kühlung und ein Tachometer, der die Geschichdigkeit in Kilometer pro Stunde misst – trotz des Steuers auf der rechten Seite. Selten habe ich in einem so ehrwürdigen Kontinental-Tourer gesessen, selten habe ich mich so geehrt gefühlt, einen Bentley bewegen zu dürfen. 

Karten für Kenner

Und so bewegten wir uns an Bord des großen und imposanten Bentleys durch den frühmorgendlichen Londoner Stadtverkehr. Unser erstes Ziel an diesem Tag war das exzellente Map House am Beauchamp Place in Knightsbridge – Londons ältester Spezialist für antike Landkarten, der 1907 eröffnete und bis heute Sammler, Abenteurer, Piloten und natürlich auch Automobilisten mit anspruchsvollem Kartenmaterial versorgt. 

Eleganter als jedes Navigationssystem

Die gut gelaunte Inhaberin des Landkarten-Antiquariats mit dem fabelhaften Namen Jessie Hex Fahy war sofort bei unserem kleinen Zeitreise-Spiel dabei – und versorgte uns mit historischem Kartenmaterial aus jener Zeit, als Autobahnen in Europa noch unbekannt waren. Besonders begeisterte uns ein kleiner Kartenkoffer aus Bakelit, neben dem selbst das eleganteste Navigationssystem sofort verblasst. 

Ausgestattet mit den passenden Straßenkarten für unsere Reise, steuerte ich den sanft nach vorne ziehenden Bentley gut gelaunt durch den Stadtverkehr – zumindest, bis mir Classic-Driver-Redakteur Joe Breeze die nächste Station unserer Shoppingtour verriet: Die Portobello Road im Stadtteil Notting Hill. 

Flohmarkt der Eitelkeiten

Berühmt für ihren Straßenflohmarkt, aber auch berüchtigt für ihr buntes Treiben zwischen weit auf die schmale Gasse hinausragenden Ständen, ist die Portobello Road eine der Straßen in London, durch die man einen historischen Eine-Millionen-Pfund-Bentley nicht gerne steuern mag. Doch wir hatten Glück, umschifften die Schaulustigen und Markstände ohne Zwischenfälle und kamen schließlich vor dem Geschäft von Henry Gregory Antiques zum Stehen. 

Der Laden ist berühmt für sein klassisches Reisegepäck – und es war wirklich erstaunlich, wie viele Koffer und Taschen man im Gepäckraum des Continental unterbekommt. Da wir noch Platz hatten, rollten wir weiter zum Portobello-Stand mit der Nummer 24, wo man bei Fine and Vintage klassische Sportausrüstungen aus längst vergangenen Tagen erstehen kann. 

Fremde Sitten und Gebräuche

Ich entschied mich zunächst für einen wunderbar geölten Cricketschläger, der aus der selben Zeit wie unser Reisewagen zu stammen schien. Doch dann überkamen mich Zweifel: Wird auf dem Kontinent denn überhaupt Cricket gespielt? Ich nehme an, dass es auch den distinguiertesten Bentleyfahrern der Insel nicht immer leicht viel, sich für die Sitten und Gebräuche der Kontinentaleuropäer hinreichend zu wappnen. 

Fotos: © Amy Shore for Classic Driver

Klassische Kontinental-Reisewagen von Bentley und anderen Traditionsmarken finden Sie im Classic Driver Markt.