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Das Lancia Sibilo Concept war Marcello Gandinis Science-Fiction-Meisterwerk

Im Jahr 1978 neigte sich die Epoche der spektakulären Keile dem Ende entgegen. Nur einer mochte die Trendwende noch nicht mitmachen. Der große Marcello Gandini, der bei Bertone stilbildend für dieses Design-Phänomen gewesen war, hatte noch einen letzten verrückten Trumpf im Ärmel: den Lancia Sibilo.

Waren die frühen siebziger Jahre noch der Gipfel des Automobildesigns, dann waren die nächsten fünf Jahre leider ein tiefes Tal. Astronomische Preise nach dem Ölschock und eine dramatische Zunahme an Sicherheitsbestimmungen bremsten die Fantasie der Künstler in den Studios aus. Die Folgen waren Gummistoßstangen, billiges Plastik und uninspirierte Entwürfe der Designer. Nur hatte sich das alles wohl nicht bis zu Marcello Gandini herumgesprochen. Er saß noch immer in Bertones kleiner Turiner Denkfabrik am Zeichentisch und entwarf weiter völlig unmögliche Keil-Konzepte. Und er hatte die Farbe Braun für sich entdeckt.

Eine optimale Ausgangslage

Ferrari Dino bekannten V6-Triebwerk, machte sich Gandini zunächst daran, das Chassis um 100 mm zu verlängern. Dann setzte er seine spektakuläre Form drauf: ein von Hand gedengelter Metallkörper mit erhöhnten, prononcierten Kotflügeln und der abgeflachten Nase eines Schnabeltiers. Die Frontscheibe sowie die Seitenscheiben aus Polykarbonat waren exakt in die Karosserie eingepasst genauso wie die Klappscheinwerfer und die Stoßstangen - wobei diese noch mit feinen orangefarbenen Streifen hervorgehoben waren. Weitere pfiffige Details waren die runden, nach innen auf Schienen beweglichen Seitenfenster, der solitäre Scheibenwischer, der sich horizontal statt in der konventionellen Bogenform bewegen ließ. Zur Premiere auf dem Turiner Autosalon erhielt das Concept Car ein goldbraunes Kleid. War es vielleicht sogar dieser Sibilo, der damals die „Stranglers” zu ihrem 1980er Hit „Golden Brown” inspirierte?

Sountrack aus Maranello

Selbst wenn die Klangkulisse aus der Ferrari-Heimat stammte, konnte der Lancia nicht unbedingt damit angeben, denn das Interieur war so schlicht, dass nicht einmal ein Kassettenrekorder zur Ausstattung zählte. Nur das absolute Minimum an Bedienelementen hatte Gandini einbauen lassen, wobei drei davon sich per Knopfdruck - asymmetrisch angeordnet - auf dem massiven Lenkblock bedienen ließen.

Der Sibilo blieb bis 2011 in der Obhut von Bertone. Dann wurde er ebenso wie andere automobile Kostbarkeiten des weltberühmten Karosseriebauers versteigert, um die drohende Insolvenz des Studios aufzuhalten. Bekanntlich kam 2014 das endgültige Aus für dieses einst so erfolgreiche Designhaus. Jetzt gehört der Lancia Sibilo zu Corrado Loprestos Sammlung der außergewöhnlichsten italienischen belle macchine. Classic Driver wird demnächst mehr über diese Kollektion verraten.

Fotos: Lopresto Collection / Carr Studio

Im Classic Driver Markt stehen zahlreiche klassische Lancia zum Verkauf.