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Magazin

Zwei gar nicht brave Engel und ein himmlischer Ferrari

Es ist 1978, Du bist 19 Jahre alt und Deine Familie ist über die Feiertage nach Martinique geflogen. Doch Du weisst, wo die Schlüssel zum Ferrari Deines Vaters liegen – und wann die Schul-Prinzessinnen vom Sportunterricht kommen. Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte.

Freie Fahrt für ein frivoles Fest

Eigentlich sollte es ja eine Strafe sein: Nachdem Du im letzten halben Jahr lieber mit den Surfern und Bikini-Mädchen am Strand von Antibes herumgehangen hast, als in der Schule, darfst Du nicht mitfliegen nach Martinique. Doch Weihnachten alleine zu Hause ist für Dich kein Grund zur Sorge, sondern viel mehr der Traum Deiner schlaflosen Nächte – und nachdem das Taxi mit Deiner Familie in Richtung Flughafen verschwunden ist, drehst Du natürlich sofort Ça Plane Pour Moi von Plastic Bertrand auf volle Lautstärke, blätterst zur Inspiration ein bisschen in der neuesten Ausgabe der Lui und machst Dich auf die Suche nach dem Kästchen, in dem Dein Vater den Schlüssel zu seinem Ferrari versteckt. Es ist ein Ferrari 365 GTC/4 – und obwohl Du einen „Daytona“ noch viel cooler fändest, beneidet Dich die halbe Schule um den orangefarbenen „Abschleppwagen“ in Eurer Garage. Du hast erst seit einem Jahr den Führerschein und bis zudem die harte Schaltung nicht gewohnt. Doch beim dritten Versuch hältst Du den Motor am Laufen, lässt die Scheinwerfer aufklappen und dröhnst hinaus in die milde Dezembernacht.

Vollmond über St. Tropez

Der Ferrari gleitet über die Küstenstraße, der Klang des Zwölfzylinders erfüllt die Luft, auf dem Meer spiegelt sich der Vollmond. Auf dem Beifahrersitz liegt Deine neue Canon A-1 mit Blitz – ein Weihnachtsgeschenk Deines Onkels Jean-Pierre aus Paris. Du weisst, dass die Mädchen nach dem letzten Sportunterricht vor den Ferien immer noch in einer Bar am alten Hafen eine Orangina trinken gehen. Also schaltest Du herunter und biegst in die schmalen Gassen, die hinunter zum Wasser führen. Doch als Du an der Bar ankommst, sind die Mädchen schon verschwunden. Du kauft eine Dr. Pepper Cola, gehst wieder hinaus – und entdeckst Françoise und Victoire, die in ihren Sportklamotten an der Bushaltestelle stehen. Du steckst Dir eine Chesterfield an, schlenderst herüber und bietest an, die beiden nach Hause zu fahren. Und los geht es: Du, so lässig es die Situation zulässt, hinter dem Steuer, die beiden lachend auf dem Beifahrersitz. Dann entdeckt Victoire Deine Canon – und schlägt vor, statt nach Hause lieber zum Strand zu fahren – für ein „harmloses Fotoshooting unter Klassenkameraden“ im Mondlicht. Als Du mit dröhnendem Motor und quietschenden Reifen in Richtung Antibes abbiegst, ahnst Du noch nicht, dass Du dieses "Fest der Liebe" von 1978 auch in den nächsten 36 Jahren nicht mehr vergessen wirst.

Zeitreise mit charmanter Begleitung

Sie fragen sich, was sich die Redakteure von Classic Driver in ihre Weihnachtsplätzchen geflockt haben, um auf solch einen Unfug zu kommen? Nun, eigentlich können wir gar nichts dafür: Da war zunächst dieser französische, leuchtend orangefarbene Ferrari 365 GTC/4 aus dem Jahr 1972 mit diesen herrlich gelben Schweinwerfern in unserer Redaktionsgarage. Dann entdeckten wir durch Zufall eine Fotostrecke des Hamburger Fotografen Ben Bernschneider, der einen DeLorean mit viel nostalgischem Feingefühl (gut, und zwei frivolen Fräulein als Zeitreisebegleiterinnen) zurück in die 1980er Jahre geschickt hatte – und schlugen Ben kurzerhand eine Verlängerung der Reise bis in die 1970er Jahre vor. Das Ergebnis des knisternden Fotoshoots sehen Sie hier.

Fotos: Ben Bernschneider (benbernschneider.com)

Der Ferrari 365 GTC/4 ist übrigens nicht nur verdammt cool, sondern auch eine gute Geldanlage, deren Wert sich in den vergangenen Jahren vervielfacht hat