Direkt zum Inhalt

Magazin

Moynet LM75: Drei Engel für Le Mans

Schon 1968 hatte André Moynet sein Glück in Le Mans herausgefordert – und war gescheitert. 1975 kehrte er an den Circuit de la Sarthe zurück: Mit aufgefrischtem Prototypen und einem rein weiblichen Rennfahrer-Trio. Es sollte nicht die letzte Überraschung bleiben.

Auch wenn die UNO-Generalversammlung 1975 als Jahr der Frau ausgerufen hatte – damit hätten Jacky Ickx, Derek Bell und die anderen Rennfahrer bei den 24 Stunden von Le Mans nicht gerechnet: Am 14. Juni 1975 stand dort nicht nur ein unbekannter, blau lackierter Prototyp in der Boxengasse, sondern auch ein überraschend feminines Team. Der Rennstall der Société Esso hatte Christine Dacremont, Marianne Hoepfner und Michèle Mouton als Pilotinnen für das Langstreckenrennen verpflichten können. Letztere Dame wird heute als erfolgreichste Rallye-Fahrerin aller Zeiten verehrt, hatte 1975 aber gerade erst ihr Debüt bei der World Rally Championship gegeben. 

Eine Biografie wie ein Abenteuerroman

Auch der blaue Rennwagen mit der orangefarbenen Schnauze war ein Hingucker. Gebaut hatte ihn André Moynet – ein Mann, dessen Biografie sich bereits 1975 laß wie ein Abenteuerroman: Als erfolgreicher Kampfpilot im Zweiten Weltkrieg war er bereits mit 20 Jahren zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und kurz darauf zum Offizier, dann zum Kommandeur befördert worden. Nach dem Krieg suchte er als Testpilot neue Herausforderungen, bis er den Weg in die Politik fand – und 1955 französischer Jugendminister wurde. Gleichzeitig war Moynet jedoch ein ambitionierter Konstrukteur, er baute Flugzeuge, Boote – und schließlich auch Rennwagen. 

Rückkehr nach Le Mans

Schon 1968 wollte Moynet bei den 24 Stunden von Le Mans mit einem eigenen Prototypen antreten, war jedoch nur auf der „Reservebank“ gelandet. Beim zweiten Versuch im Jahr 1970 kam er nicht über die Kandidatur hinaus. Für 1975 hatte André Moynet nochmals alles auf eine Karte gesetzt – und nicht nur den Präsidenten von Esso SAF mit seinem sportlichen Ehrgeiz angesteckt, sondern auf Basis des Moynet XS von 1968 einen vielversprechneden neuen Rennwagen gebaut. Der 2-Liter-Vierzylinder-Motor stammte von Chrysler-Simca und leistete 190 PS bei 7.000 Umdrehungen. Weil Simca sich nicht an eine Vereinbarung hielt, ließ Moynet jedoch kurz vor dem Rennen das Logo aus dem Zylinderblock feilen. Das Fünfgang-Getriebe stammte von Porsche. Mehr als der Antrieb sollte allerdings die Aerodynamik des neuen Moynet LM75 beeindrucken. 

Ein unverhoffter Sieg

Dacremont, Hoepfner und Mouton traten in der Gruppe 5 für Rennwagen unter Zwei Liter an – in direkter Konkurrenz mit dem Damen-Duo Marie-Claude Beaumont und Lella Lombardi im Alpine A441 für Elf Switzerland. Doch schon anderthalb Stunden nach dem Start setzten die ersten technischen Probleme ein. Mitten in der Nacht fielen die Armaturen aus – weil die Mechaniker kein Ersatzkabel dabei hatten, mussten die Pilotinnen fortan nach Gehör fahren. Die Legende besagt, dass sich André Moynet zu diesem Zeitpunkt bereits an die Hotelbar zurückgezogen hatte, um den erneuten Verlust im Alkohol zu ertränken – bis ihn ein Teamkollege aufgeregt aus dem Nirvana zurückholte: Der Moynet LM75 hatte vor dem Lola T292 die Führung übernommen! Und konnte sich gegen alle Voraussagen und nach 22 nervenzehrenden Stunden den Sieg in der Zwei-Liter-Klasse holen!

Auf den Triumph folgte das Vergessen: 35 Jahre schlief der Moynet LM75 in einem Lager, dann wurde er behutsam geweckt und vorsichtig wieder für den Renneinsatz fit gemacht. Heute steht der Prototyp bei Atelier 46 in Paris zum Verkauf. Eine einmalige Gelegenheit, nicht nur eine Le-Mans-Legende mit bewegter Geschichte, sondern auch den perfekten Rennwagen für die Le Mans Classic 2014 zu besitzen. Nur um das Casting eines dreiköpfigen Pilotinnen-Teams müssten Sie sich selber kümmern. 

Den Moynet LM75 finden Sie im Bestand von Atelier 46 im Classic Driver Markt.