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Die Ledermacher von Tolentino: Ein Besuch bei Poltrona Frau

Vom Ferrari bis zum EU-Parlament – an den exklusiven Orten dieser Welt sitzt man oft auf Leder von Poltrona Frau. Doch was steckt eigentlich hinter dem italienischen Traditionshaus? Wir waren neugierig – und sind mit dem Ferrai FF nach Tolentino gefahren.

Dieses tiefe, cognacfarbene Braun! Dieser kräftige, würzige Duft!

Auch das kann Italien sein: Ein tiefer und bleigrauer Himmel über der Adria, dazu strömender Regen, endlose Baustellen. Für einen 660-PS-Ferrari nicht unbedingt die idealen Bedingungen. Doch uns geht es heute ohnehin nicht um Beschleunigungswerte, sondern die Inneneinrichtung, das Leder im Speziellen – und das lässt sich gerade bei Tempo 90 ganz vortrefflich bewundern. Dieses tiefe, cognacfarbene Braun! Dieser Eindruck von Wärme und Natürlichkeit, wenn die Finger über Flächen und Nähte gleiten! Dieser kräftige, würzige Duft! Es ist ein Leder von großer Sinnlichkeit, wie man es eigentlich nur in Italien findet. Es stammt von Poltrona Frau in Tolentino an der Adriaküste, eine Autostunde südlich von Ancona. Und alle Welt will es derzeit haben.

Vom Clubsessel zum Hubschrauber

1912 gründet der Sarde Renzo Frau eine Lederwerkstatt in Turin – und entwirft mit dem Edwardianischen Clubsofa „Chester“ gleich den ersten großen Klassiker, der sich auch 100 Jahre später noch blendend verkauft.  Unter dem Namen Poltrona Frau – Poltrona ist das italienisch Wort für Sessel – entstehen fortan zahlreiche Designikonen. Ab den 1960er Jahren holt die Manufaktur für ihre neuen Modelle bekannte Designer an Bord: Große Gestalter wie Gio Ponti, Marco Zanuso oder Ferdinand A. Porsche entwerfen zeitgemäße Sitzgelegenheiten. Ein Tradition, die bis heute anhält: Vor wenigen Tagen erst wurde der Aluminiumstuhl „Luft“ des VW-Designers Walter de Silva enthüllt. 

Doch Poltrona Frau beschränkt sich nicht mehr auf die Wohnzimmer der Stilvollen und Reichen, man wagt auch größere Projekte: Seit den 1990er Jahren arbeiten die Leder- und Möbelmacher mit Architekten wie Renzo Piano, Santiago Calatrava und Herzog & de Meuron zusammen, in Frank O. Gehrys Walt Disney Concert Hall in Los Angeles sitzt heute man auf Frau-Sesseln, genauso im Europäischen Parlament in Straßburg. Poltrona Frau investiert in Materialentwicklung und Forschung, macht seine Leder immer feiner und strapazierfähiger, gilt bald als eine der besten Ledermanufakturen der Welt. Mittlerweile werden auch Flugzeuge, Hubschrauber, Yachten und Luxuszüge mit dem besonders schönen und stabilen Leder aus Tolentino ausgestattet. Und eben Autos.

Prädikat „Made in Italy“

Der Startschuss fällt bereits 1984 mit dem Lancia Thema 8:32, einer „Lounge on Wheels“ mit Ferrari-Motor – und einer prächtigen Lederausstattung von Poltrona Frau. Die Marke wird zum Verkaufsargument für Luxusautos, doch erst 1998 kommt Bewegung ins Spiel: Zunächst lässt Ferrari den eleganten 456M beledern, kurz danach erhält auch der 550 Maranello ein Ausstattung von Poltrona Frau. Als der beliebte britische Lederhersteller Connolly im Jahr 2000 seine Produktion einstellt, stehen die Marken in Tolentino Schlange: Lancia, Fiat, Maserati, Alfa Romeo, BMW, Mercedes, Jaguar, Land Rover und Bugatti – überall findet sich plötzlich das Leder von Poltrona Frau. VW wirbt heute in China mit bereits der Sonderausstattung „Made in Italy“ für den Phaeton und schenkt jedem Neukunden einen passenden Sessel, bei Audi läuft demnächst eine auf 50 Exemplare limitierte Kleinserie des A8 mit dem exklusiven Poltrona-Frau-Leder vom Band.

Auch wer sich einen aktuellen Ferrari kauft, sitz auf dem Luxus-Leder aus Tolentino. Die enge Zusammenarbeit kommt übrigens nicht von ungefähr – Ferrari-Vorstand Luca di Montezemolo hatte schon als Kind auf einem Chester-Sofa „Rennfahrer“ gespielt und übernahm 2003 die Poltrona Frau Group, zu der auch andere italienische Designmarken wie Cassina und Cappellini gehören. Ein perfektes Geschäft für beide Seiten, dabei ist die Herstellung alles andere als einfach: Die italienischen Häute werden entsprechend strenger Qualitätsvorgaben gegerbt, gespalten, gefärbt und geschnitten, ohne dabei ihren Natürlichkeit zu verlieren. Im Vergleich zum Leder für Sessel und Sofas, die in den selben Hallen verarbeitet werden, sind die Auto-Leder deutlich fester und dicker. Im hauseigenen Labor müssen die Leder zudem endlose „Stresstests“ über sich ergehen lassen, und auch nach 200.000 Sitzvorgängen und 300 Stunden Sonnenbestrahlung noch knitterfrei und farbecht glänzen.

Eine Frage der Individualität

Das Geheimnis des Erfolges von Poltrona Frau liegt jedoch im Wissen um das Geheimnis der Individualität: Jeder Ferrari FF hat die gleiche Leistung, dieselbe Silhouette – seine Persönlichkeit erhält der Wagen erst im Detail. Welches Leder, welche Gerbung, welche Farbe, welchen Faden wählt man aus dem Programm? Sogar die Stichdichte der Nähte kann man bei Poltrona Fraus Individualisierungsabteilung „Interiors in Motion“ beeinflussen – und wenn man es ganz ausgefallen mag, für seinen Sportwagen auch die passende Lederausstattung zu den geliebten Krokoslippern maßschneidern lassen. „In Italien gibt es zahlreiche Firmen, die Ferrari sehr ähnlich sind“, erklärte Luca di Montezemolo jüngst. „Sie tauchen vielleicht nicht auf den Titelblättern und in den Nachrichten auf, doch sind Talent ihrer Mitarbeiter, das Niveau ihrer Handwerkskunst und ihre Exklusivität auf dem selben Niveau. Eine solche Firma ist Poltrona Frau.“

Fotos: Jan Baedeker

Weitere Informationen über Poltrona Frau und seine Produkte erhalten Sie unter www.poltronafrau.com. Allen Interessierten legen wir zudem einen Besuch im neuen, wunderbar gestalteten Poltrona Frau Museum in Tolentino sowie das zum 100. Jubiläum im Rizzoli-Verlag erschienene Buch „Poltrona Frau: Intelligence in Our Hands“ ans Herz. Den Ferrari FF sowie weitere Modelle mit Poltrona-Frau-Leder finden Sie zudem im Classic Driver Markt.