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Magazin

Rendezvous mit Ferrari 330 GT und Bentley S3

Kaum eine traditionsreiche Automarke, die in den 1960er Jahren nicht versucht hätte, durch frische Design-Elemente neue Kunden zu gewinnen. Trés chic waren etwa die avantgardistisch-schräg gestellten Scheinwerfer, die von England bis Italien zum Einsatz kamen.

Auch das jüngst zu einer eigenen Marke verschmolzene Bentley-Designstudio Mulliner Park Ward in London arbeitete damals an einer drastisch modernisierten Karosserievariante des Bentley S3. Die Kreativen verabschiedeten sich von der klassisch-schwerfälligen Eleganz bisheriger Modelle und verliehen dem neuen S3 Continental mit seiner Aluminium-Karosserie einen schwungvoll-sportlichen Look, der vor allem in den USA neue Kunden ansprechen sollte. 

Die wilden Sechziger

Die wichtigsten Elemente der ästhetischen Revolution waren die geglätteten Flanken, die Heckflossen – und die angeschrägten Doppelscheinwerfer, die dem Bentley einen dynamischeren Ausdruck verliehen und bald als „Chinese Eyes“ bekannt wurden. Heute würde den Marketing-Verantwortlichen bei ähnlichen Spitznamen vermutlich die Political-Correctness-Polizei die Türen einrennen. Doch hey – es waren die Sixties, man trank schon zum Lunch seinen Martini, rauchte bei jeder Gelegenheit und erfreute die Vorzimmerdamen mit markigen Sprüchen und lüsternen Blicken. Auch bei Ferrari in Maranello hatte der Zeitgeist seine Spuren hinterlassen. Die legendäre 250er-Baureihe lief ihrem Ende entgegen und der erste 2+2-Sitzer brauchte einen Nachfolger. Anfang 1964 zeigte Ferrari den 330 GT, einen Viersitzer mit verlängertem Radstand und einem 4,0-Liter-Colombo-V12. Der Newcomer ging neben dem sportlichen 275 GTB und dem ultra-exklusiven 500 Superfast an den Start und war deutlich komfortabler ausgelegt. Für das Styling war der Pininfarina-Designer Tom Tjaarda verantwortlich. Er entwarft nicht nur die Scheinwerfer im angesagten Chinese-Eye-Look, sondern verbreiterte auch den Grill und kippte die „Nase“ leicht nach vorn – ein Stilelement, das bei BMW bis in die Achtzigerjahre Verwendung fand. 

Im Sommer 1964 dürfte es für wohlhabende Gentlemen von Welt kaum eine attraktivere Automobil-Kombination gegeben haben, als das „chinesische Doppel“ aus Ferrari und Bentley (das man bei Bedarf auch noch mit dem Rolls-Royce Silver Cloud III „Chinese Eye“ von Mulliner Park Ward zum Trio erweitern konnte). Der Trend hielt allerdings nicht lange: Schon 1965 kehrte man mit dem Ferrari 330 GT der zweiten Serie zu den einfachen Rundscheinwerfern zurück, während bei Bentley die T-Serie mit konverntioll stehenden Doppel-Leuchten Einzug hielt. Insgesamt wurden bei Bentley und Ferrari keine 600 Chinese Eyes gebaut. Heute sind die wenigen Exemplare gesuchte Sammlerstücke – und dazu eine schöne Erinnerung an die revolutionären 1960er Jahre, deren Zeitgeist damals auch im automobilen Oberhaus Einzug hielt.

Fotos: Jan Baedeker

Der goldfarbene, wunderbar restaurierte Ferrari 330 GT 2+2 mit Matching Numbers und Ferrari-Classiche-Zertifikat steht derzeit bei Hexagon Classics in London zum Verkauf. Der graue Bentley S3 Mulliner Parkward bietet reichlich Patina stammt aus dem Angebot von Classic Automobiles, ebenfalls in London. Wir danken beiden Händlern herzlich für die Unterstützung unserer Fotoproduktion.