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BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Auf diesen grauen Sommer kann eigentlich nur eines folgen: ein goldener Herbst! Das passende Cabriolet für den Saisonausklang haben wir – strategisch gut und italiennah gelegen – in München gefunden.

 

„Der Sommer kann kommen“, hatten wir im Januar nach unserer ersten Fahrt mit dem neuen BMW 6er Cabriolet in Kapstadt noch vollmundig gefordert. Doch nach Frühjahr kam nicht Sommer, sondern chronisches Schmuddelwetter – und die Stoffverdecke und Hardtops blieben vielerorts geschlossen. Dennoch wollen wir uns nicht geschlagen geben und haben die bayerische Frischluft-Landyacht noch einmal auf die Straße geholt. Zum großen Saisonfinale freilich in ihrer derzeit stärksten und schnellsten Version, als 650i. Unsere Tour führte von München aus nach Südwesten, über Liechtenstein, Chur, Como bis nach Modena und über Verona, Bozen, Innsbruck zurück nach München. Eine wunderbare Cabriostrecke mit herrlichen Bergpanoramen und hoher Sonnenwahrscheinlichkeit, aber auch genügend anspruchsvollen Alpenstraßen, um den großen BMW aus der Reserve zu locken.

BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Nochmal zur Erinnerung: Mit der Enthüllung des neuen Cabriolets lief im Januar in Detroit die neue Sechser-Reihe vom Stapel. Mittlerweile ist auch das Coupé auf der Straße, und die passenden M-Modelle stehen ebenso in den Startlöchern wie das neue, viertürige Coupé – doch als eines der wenigen großen Cabrios für vier Personen nimmt der offene Sechser-BMW im Premium-Markt eine Sonderstellung ein. Das erste BMW 6er Cabrio von 2003 stammte aus der Feder von Chris Bangle und sorgte mit seinem eigenwilligen Design noch für Diskussionen. Mit dem neuen, von Adrian van Hooydonk als Designchef verantworteten Modell haben sich die formalen Wogen deutlich geglättet: Gefälligeres Design im Stil der aktuellen 5er-Reihe (die übrigens auch als technische Basis diente) machen den 4,90 Meter langen und 1,90 Meter breiten Gleiter zumindest ästhetisch zu einer sicheren Wette.

 

BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Auch bei der Verdeck-Konstruktion hat man sich keine Experimente erlaubt und setzt – entgegen dem Branchentrend – auf ein vergleichsweise leichtes, dreilagiges Stoffverdeck. Finnen statt C-Säulen sorgen für Schutz, dazwischen dient eine beheizbare Heckscheibe als Windschott. In 19 Sekunden ist das Dach geöffnet, in 24 Sekunden wieder geschlossen – und selbst auf der Autobahn wird es kaum lauter als in einem vergleichbaren Coupé. Auch offen fährt es sich auf unserer Tour über die Europastraße 43 in Richtung Italien äußerst komfortabel: Von oben wärmt die Sonne, doch bei geschlossenen Fenstern ist es im Innenraum fast windstill. So erreicht man das Grand Hotel Villa d’Este leicht gebräunt und unzerzaust, um mit Blick auf den Comer See einen ersten italienischen Espresso zu genießen. Für diese Art des „Gran Turismo“ wurde das 6er Cabrio schließlich erdacht.

 

BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Der Innenraum überzeugt derweil durch eine moderne Interpretation des automobilen Luxus-Begriffs: Edles Holz und weiches Leder – dass sich bei Sonneneinstrahlung übrigens nicht mehr so schnell aufheizt – dominieren das funktional gehaltene Ambiente. Schön gelöst ist das freistehende 10,2-Zoll-Display, dass man wie gewohnt über den iDrive-Contoller bedient. Gleichzeitig kann man im Interieur natürlich auch ordentlich Geld ausgeben: Viele Optionen wie die Komfortsitze, Sitzbelüftung, beheizbares Lenkrad sowie die aus 7er und 5er bekannten Assistenz-Systeme lassen den Preis von 94.300 Euro schnell über 100.000 Euro springen. Im Gegensatz zu anderen 2+2-Sitzern wie etwa dem neuen Bentley Continental GTC freilich noch immer ein Schnäppchen. Als vollwertigen Reisewagen für viel Erwachsene sollte man das 6er Cabrio übrigens trotz der zweiten Sitzreihe nicht einplanen, denn 300 bis 350 Liter Gepäckraum sind schnell belegt. Wer zu zweit reist und sich auf Sonnenbrille, Zahnbürste, Kreditkarte und einen Weekender mit Wechselwäsche beschränkt, kommt dagegen gut zurecht. Und die Opernkarten für die Festspiele in Verona oder ein, zwei Flaschen Balsamico aus Modena bekommt man im Notfall auch noch unter.

 

BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Viel Platz benötigt derweil der 4,4 Liter großer Biturbo-V8 mit Benzin-Direkteinspritzung. Mit 407 PS zwischen 5.500 und 6.400/min und 600 Nm ab 1.750/min ist er kraftvoll wie ein amerikanischer Big Block, im Auftritt aber europäisch kultiviert und souverän. Der perfekte Cruiser für Boulevard und Serpentine, nur das Gesamtgewicht von mehr als zwei Tonnen kann der Power-V8 nicht vergessen machen. So ist der von BMW errechnete Durchschnittsverbrauch von 10,4 Litern in der Realität wohl nur dann zu schaffen, wenn man das Gaspedal ausschließlich mit dem kleinen Zeh bedient.

 

 

BMW 650i Cabriolet: Recht auf Sonne

Dafür ist es den BMW-Ingenieuren gelungen, die Bandbreite der Fahreigenschaften deutlich zu erweitern: Wer etwa gegen Aufpreis zu Adaptiv-Dämpfern, Wankstabilisatoren oder Integral-Aktivlenkung greift und auf bergig-kurviger Strecke in den Sport-Modus wechselt, wird mit dem Handling eines Sportwagens belohnt. Dass man angesichts dieser Leistungen meist etwas schneller zu Hause ist, als einem lieb ist, sollte dem großen Bayern nicht angekreidet werden.

 

Text & Fotos: Jan Baedeker