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Der Alltag bei der Hairpin Company ist alles andere als Arbeit

Sie sind stolz auf ihren perfekten Bestand, auf wunderbare Kunden und sogar ihre köstlichen Mittagessen: Die Hairpin Company ähnelt mehr einem englischen Club als einem Handel. Wir möchten auf der Stelle Members werden!

Platz zu nehmen im Hairpin-Showroom in Burford ist wie auf einen Plausch in der Garage eines Freundes vorbeischauen. Ich fühle mich sofort behaglich – wie bei ein paar alten Freunden mit denen man über ihre Leidenschaft fachsimpelt und Geschichten teilt. Das schöne und wertvolle Inventar bildet die Kulisse im Sitzbereich, wo im Kühlschrank Rosé lagert und aromatischer Kaffee bereitsteht.

Neil Dickens hat das Unternehmen 2003 mit seinem Geschäftspartner Charles Reis gegründet und ist quasi der Frontmann dieses Business, während sich Charles Metcalfe an Ort und Stelle um die täglichen Abläufe des Handels kümmert. Wie sind sie alle an diesem Punkt angekommen. Ich will von Dickens wissen, woher diese Leidenschaft stammt.

„Ich war schon als Kind von Autos begeistert“, erzählt Neil Dickens. „Meine Familie war weniger interessiert. Bis auf meinen Großvater, der seit 1947 einen Ford-Handel im Norden Londons betrieb. Schon als ich kleine war, brachte er mir Autobroschüren und Corgi-Modelle mit, die ich zuhause von den Sockelleisten fliegen ließ. In den siebziger Jahren plünderte ich Broschüren bei den örtlichen Händlern und der jährlichen Motor Show. Damals waren die Messen noch richtig aufregend, weil man dort neue Autos zum ersten Mal bestaunen konnte, ohne wie heute alles schon vor einer Premiere im Internet gesehen zu haben. In den nüchternen und kargen siebziger Jahren erhaschte man nur bei einem Trip nach London die seltenen Marken.“

Der Bestand im Showroom ist ein vielfältiger Mix aus Vorkriegs- bis hin zu aktuellen Exemplaren. Aber es gibt durchaus einen alles überspannenden Bogen. „Es dreht sich ausschließlich um Qualität, das verbindet die Fahrzeuge, die wir hier stehen haben. Graham Cook war vor vielen Jahren mein Mentor – ein großartiger Mann mit einem ebenfalls großartigen Geschmack in Autos, der sowohl Romans wie Bramley. Sein Inventar bewegte sich für einen Studenten, der alle Einflüsse aufsog, auf einer schier unerreichbaren Qualitätsebene. Seine Anzeigen in der „Sunday Times“ waren immer eine Lektion in automobiler Perfektion und nur mit Modellen mit traumhaft niedrigem Kilometerstand und fabrikneu bestückt.“

Mein Blick wird von einem hinreißendem Golf GTI Mk1 in Silber gefesselt – das sehr seltene Modell von 1979 mit den kleinen Heckleuchten. Es ist zwar ein feines Beispiel für die Haltung von Hairpin, ist aber unverkäuflich. Dickens überzeugte seine Mutter davon, diesen Golf als Neuwagen zu kaufen, nachdem sich ihr Alfasud 5M rasch verabschiedet hatte – schon nach nur zwei Jahren hatte er ernsthaft mit Rost zu kämpfen.

In 1986 übernahm Dickens den VW während seiner Studienzeit und nutzte ihn regelmäßig bis 1990 ein Dienstwagen da war, danach parkte der GTI in der Garage zuhause. Vor fünf, sechs Jahren hatte sein Vater schließlich genug und insistierte, dass der „bloody Golf“ den kostenlosen Lagerplatz verlassen müsse. Pläne für eine leichte Umwandlung zu einer R-Ausführung gerieten etwas außer Kontrolle. Heute sieht dieser seltene Golf nach einer umfassenden Restaurierung besser aus, als je zuvor. Zu unserem Glück muss sich Dickens nicht lange bitten lassen, um dem Auto für ein Fotoshooting Auslauf zu gönnen. Metcalfe ist auf seiner Honda Africa Twin mit von der Partie – er wird mit dem Bike den extremen Sand Raiders-Event mit Start in Marrakesch in Angriff nehmen. 

Ein Tag im Leben von The Hairpin Company wirkt für den Besucher nicht wie Arbeit. Aber Dickens und Metcalfe betonen auch, dass sich das Business verändert hat: Die Website ist nun der Showroom, was bedeutet, dass man nicht dauernd zu den Öffnungszeiten im Handel präsent sein muss. Und sollte sich die Gelegenheit ergeben, ist so ein „Business Lunch“ immer eine begrüßenswerte Idee. Gesagt, getan. Wir eilen zum örtlichen Hotspot namens The Bell in Langford, um eine Kleinigkeit zu essen und ein Glas Rosé zu genießen.

Mich interessiert natürlich auch, wie Hairpin die Beziehungen zu den Kunden pflegt. Dieses Gefühl, Teil eines Enthusiasten-Clubs zu sein, der auch zu informellen Ausfahrten einlädt, stößt bei ihrem treuen Kundenstamm auf viel Gegenliebe. „Ich finde, dass die Kunden so interessant sind wie ihre Autos. Letztlich handelt es sich hier um kostbares Spielzeug, deswegen sind auch die Menschen, die man in unserem Business kennenlernt, so faszinierend – der Weg, den sie absolviert haben, um heute ihrer Passion zu frönen.“ Es muss befriedigend und für beiden Seiten befruchtend sein, wenn man die Kunden unterstützen und beraten kann. „Wenn sie ihre persönlichen Vorstellungen ausdrücken können, dann ist das für den Markt gesund. Ich finde es auch spannend, die subtilen aber auch sich stetig wandelnden Wünsche der Sammler zu beobachten.“

Ich bin schon enttäuscht, dass ich den fantastischen Porsche 911 964 3.8 RS, der bis vor Kurzem angeboten wurde, verpasst habe. „Ach ja, als ich ihn entdeckte, wusste ich, wir müssen ihn kaufen. Ein 3.8 RS nur für den britischen Markt“, schwärmt Dickens.

„Eine relativ hohe Investition, aber das Risiko wert. Und innerhalb von zwei Wochen waren uns die Götter hold. Das Kennzeichen RS38 stand zum Verkauf. Ich musste es natürlich haben. Wir haben das Exemplar an einen neuen aber großartigen Kunden verkauft, der gerade ein sehr ansprechende Porsche-Sammlung zusammenstellt.“

Der Markt war ein interessanter Ort in den letzten 18 Monaten. Obwohl sich die Situation durchaus negativ hätte darstellen können, haben viele Händler wie auch Hairpin kontinuierlich gute Abschlüsse gemacht. Vielleicht, weil alle noch diese Passion auskosten wollen, so lange das noch geht.

„Dieses wiedergefundene Gefühl von individueller Freiheit ist unglaublich. Die Einschränkungen in unserem Leben waren für uns alle schwer. Aber es hat uns auch erstaunt, wie schnell wir uns anpassten. Während dieser Pandemie ereilte uns auch die Ankündigung, dass das Ende der Verbrenner naht. Das hat den Markt noch mal geschärft. Ich denke, dass sich die Fortbewegung dadurch verändern wird. Und vielleicht wird Fahren eines Tages nicht mehr eine Frage des alltäglichen Bedürfnisses sein, sondern Verkörperung der Freude.“

Ein berechtigtes Argument, denn eines Tages sind wir vielleicht nur mehr in der Lage, unsere Leidenschaft in statischen Museen auszuleben. Wir wollen hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt. Mit der Entwicklung neuer Kraftstoffe und mit Marken wie Porsche, die enorm in diese nachhaltige Richtung investieren, sieht es aus, als ob die Enthusiasten nicht kampflos das Feld räumen. Ich frage Dickens, wie wichtig ihm Design für die Attraktivität eines Autos ist.

„Ich liebe die Gestaltung und Formensprache eines Autos – man könnte sagen, so stellt es sich vor. Dann lernt man es näher kennen, spürt die Qualität und die unterschiedlichen Texturen, dann fährt man es. Beim eigentlichen Fahren bewertet man noch einmal das Design in positiver und negativer Hinsicht. Aber Autos sind mehr als nur die ästhetische Komponente. Es muss sich hier das ganze Paket entfalten, um wahrhaft großartig zu sein.“

 

Fotos: Amy Shore © 2021