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Rolex & Patek: Zwischen Tauchgang und Oper

Zeitmesser der Marken Rolex und Patek Philippe teilen sich den Spitzenplatz in der Uhrenwelt – dabei könnten ihre Kunden unterschiedlicher nicht ticken: Während sich das Stahlarmband einer Rolex "Submariner" für gewöhnlich am Arm eines Sportlers beim Tauchgang findet, wird man eine Patek Philippe "Calatrava" eher an der manikürten Hand eines Wirtschafsführers entdecken können, der sich in seiner Freizeit für klassische Musik begeistert.

Nun gibt es auf dem riesigen Uhrenmarkt viele hervorragende Zeitmesser. Dass Rolex und Patek Philippe dennoch für viele Uhrenliebhaber die einzig mögliche Wahl darstellen, erklärt sich – wie bei vielen Luxusmarken – aus ihrer Geschichte. Patek Philippe steht seit der Firmengründung 1839 durch Graf Antoine Norbert de Patek für uhrmacherische Höchstleistungen – man entwickelte unter anderem einen modernen Kronenaufzug, der das bis dahin umständliche Aufziehen des Taschenuhrwerks mit einem Schlüssel überflüssig machte.

Die Uhren der 1908 von Hans Wilsdorf gegründeten Marke Rolex sollten dagegen weniger durch uhrmacherische Finessen überzeugen, als durch eine damals nicht bekannte Robustheit und Dichtigkeit. Zwar gehen auch technische Neuentwicklungen wie der Selbstaufzug und die automatische Datumsanzeige auf das Konto der Rolex-Ingenieure, doch hielt man sich bei der Entwicklung der Marke nicht unbedingt mit uhrmacherischen Komplikationen auf.


Dafür verstand man sich bei Rolex schon früh auf Markenkommunikation. Der erste große Marketing-Coup gelang Hans Wilsdorf bereits im Jahr 1929, als die Engländerin Mercedes Gleitze als erste Frau den Ärmelkanal durchschwamm. Am Arm trug sie eine Rolex "Oyster", die diese Tortur unbeschadet überstand. Tags darauf kaufte Wilsdorf die Titelseite der britischen Tageszeitung "Daily Mail" und ließ die Welt von der Dichtigkeit seiner Uhren wissen.

Während Rolex seitdem als Uhr vermarktet wird, die Luxus und Sportlichkeit auf einzigartige Weise verbindet, stellt Patek Philippe sich dar als Marke für den Kenner und Liebhaber höchstmöglichster Uhrmacherkunst. Dieses Festhalten an alten Werten zeigt sich auch im Umgang mit neuen Märkten. Während andere Luxusuhrenmarken sich dem Lebensgefühl der Bewohner neuer Uhren-Goldgründe wie Asien, dem Orient und Russland anpassen, verfolgen Patek Philippe und Rolex einen persönlichen und sehr europäischen Nimbus.

Die Ur-Submariner von 1953Erste Rolex Oyster von 1926


Das zeigte sich einmal mehr Anfang des Jahres auf der BaselWorld, der größten Uhren- und Schmuckmesse der Welt: Während andere Marken mit Riesenaquarien und gewaltigen schwarzen Show-Quadern versuchten, sich solventen Kunden aus Fernost geschmacklich zu nähern, schlug man bei Patek Philippe und Rolex gemäßigtere Töne an.

Das wiederum können sich die beiden Häuser nur leisten, weil sie bis heute – anders als viele andere traditionsreiche Uhrenmarken – unabhängig sind von Luxuskonzernen wie Richemont oder LVMH. Auch diese Tatsache ist ein Teil der erfolgreichen Marketingstrategie - genau wie die Werbebotschaften beider Marken. So zeigt Rolex seine Neuheiten gern im Umfeld großer Sportler wie Tennis-Ass Roger Federer und Ausnahmesegler Paul Elvström. Bei Patek Philippe nutzt man den Stellenwert, den die Familie innerhalb der gesellschaftlichen Elite besitzt, um die eigenen Produkte nicht als hedonistische Selbstbeschenkung, sondern als verantwortungsvolle Investition in die nächsten Generation darzustellen. Eine Patek, so die Botschaft, kauft man nicht für sich selbst – auch wenn die digital aufgerüsteten Enkel demnächst vielleicht nicht einmal mehr wissen, wie man eine mechanische Uhr liest.

Patek Philippe Jahreskalender Referenz 5205G in Weißgold Der aktuelle Rolex Cosmograph Daytona in Weißgold


In Zeiten zunehmender mass customization – sogar Schokoladentafeln gibt es mittlerweile als limitierte Sonder-Editionen im Supermarkt – suchen viele Uhrenliebhaber nach einem Stück, das kein anderer hat: der sogenannten bespoke watch. Wem ein kostspieliges limitiertes Uhrenmodell nicht genügt, der kann sich seine Rolex oder Patek von Manufakturen wie Bamford & Sons und Pro Hunter in London nach Wunsch personalisieren lassen. Besonders beliebt sind derzeit das Schwärzen des Gehäuses und das Aufbringen von bunten Indizes. Diese "Veredelung" hat – neben den Kosten für die Anschaffung der Uhr und für die Individualisierung – einen hohen Preis: Die Garantie verfällt.

Großen Zulauf verzeichnet derzeit auch die Vintage-Bewegung, die sich auf den Wert klassischer Uhren von Patek Philippe und Rolex besinnt. Diese Uhren spiegeln nicht nur den Geist der damaligen Zeit, sie erzählen auch Geschichten, die im Zweifelsfall so genau dokumentiert sind wie die Historie eines Vorkriegs-Bentley oder -Bugatti. Nicht umsonst werden die derzeit höchsten Preise bei Uhrenauktionen für historische Patek Philippe erzielt. Beide Trends sind Anzeichen für die Zukunftsfähigkeit von Rolex und Patek Philippe und damit für die Zukunftsfähigkeit der automatischen Uhr im digitalen Zeitalter: Von dem Moment an, in dem Kunden das Bild einer Marke nicht nur konsumieren, sondern es selbst mitgestalten und weiterentwickeln, ist die Bindung kaum mehr zu lösen.

Übernahme aus der Welt am Sonntag

Text: J. Philip Rathgen
Foto: Rolex / Patek Philippe



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