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Magazin

Range Rover V8

Von Jan Baedeker

Irgendwo da draußen muß sie sein! Glaubt man dem Off-Road-Marketing der großen Marken, so befindet sich abseits der urbanen Verkehrswege ein verloren geglaubtes Gut: Die Freiheit. Doch im gleichen Atemzug preisen die Werbetexte den Aspekt der Sicherheit. Classic Driver hat die Freiheit mit Doppelairbag und Seitenaufprallschutz getestet...

Range Rover V8 „Sometimes you find yourself in the middle of nowhere. And sometimes in the middle of nowhere you find yourself“, warb AM General für den größten aller Off-Roader, den monströsen Hummer. Doch die Automobilisten Nordamerikas sind mit ihrer Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit nicht allein. Auch in Europa suchen mehr und mehr Menschen das Gefühl, den Widerständen einer feindlichen Umwelt am Steuer eines Geländewagens zu trotzen.

Range Rover V8 In den letzten fünf Jahren haben sich allein in Deutschland die Neuzulassungen der so genannten SUVs mehr als verdoppelt. Und der Trend geht weiter: Kaum ein Hersteller, der in seinem Portfolio keinen Off-Roader mehr zu bieten hat. Porsche und der Cayenne, Volkswagen und der Touareg, der X5 und bald der X3 von BMW – die Liste ist lang. Doch was ist dran am Trend um den Pionier-Mythologie vom Abenteuer „Off-Road“? Sind die automobilen „Alleskönner“ nur Insignien männlicher Autorität oder steckt doch mehr dahinter? Am Steuer des neuen Spitzenmodell aus dem Hause Land Rover, dem wohl traditionsreichsten Geländewagenhersteller der Welt, wollen wir das Geheimnis lüften.



Hamburg im August 2002. Unseren traditionell ersten Test bei Fahrberichten – den Blickfang-Faktor zwischen Neuem Wall und Binnenalster – besteht der silberne Range Rover V8 mit Bravour. Auf Kopfhöhe gleitet man an großen Augen und offenen Mündern vorbei. Und wahrlich: Die Dimensionen des neuen Range Rover sind gewaltig. Das Vorgängermodell des Neuen, dass zufällig an der Ampel auf gleicher Höhe hält, wirkt aus dem Blickwinkel unseres Wagens fast zierlich. Schließlich hat der Wagen, der schon vor der Übernahme von Land Rover durch Ford im Jahr 2000 bei BMW entwickelt wurde, kaum ein mehr Bauteil mit dem alten Range gemein. Doch der Hamburger Jungfernstieg ist nicht wirklich der richtige Ort, um einen Geländewagen dieser Klasse zu testen.

Range Rover V8 Rund 800 Kilometer südlicher erreiche ich nach einer äußerst entspannten Autobahnfahrt - die hohe Sitzposition ist hierfür ideal – die traditionsreiche Berg-Rennstrecke Schauinsland. Die kurvige Strecke hatte seit 1925 von so manchem Wagen und Fahrer höchste Präzision gefordert und eignete sich nun ideal, um das Fahrwerk und das 4,4 Liter-V8-Aggregat auf Herz und Nieren zu testen. Zwar macht sich beim ersten Anstieg der Strasse das Gewicht von rund 2,5 Tonnen bemerkbar, doch mit ein wenig Nachdruck lässt sich der V8 per Gaspedal davon überzeugen, die vollen 282 PS zu mobilisieren. Fast leichtfüßig nimmt der Range eine Haarnadelkurve nach der anderen, ohne dass sich die Einwirkung der Fliehkraft auf das hohe Gefährt im Inneren bemerkbar machen würde. Und auch die hohe Positionierung der Ledersessel zahlt sich wieder aus: Die sonst eher als unübersichtlich geltende Strecke wirkt plötzlich sehr überschaubar.

Range Rover V8 Gute 20 Minuten und unzählige Liter „Super bleifrei“ später ist der Gipfel erreicht. Zeit, die eigentliche Mission wieder ins Auge zu fassen und dem großen Abenteuer der „Generation Jeep“ auf den Grund zu gehen.
Von weichem Leder umspielt und klimatisierter Schwarzwaldluft gekühlt verlasse ich die asphaltierte Strasse – nicht ohne auf dem Offroad-Navigationssystem eine erste Streckenmarke zu setzen. Noch einmal sehe ich die Straßenmakierung im Rückspiegel, dann umgeben mich nur noch dunkle Tannen und Büsche. Per Knopfdruck springen die Bi-Xenonlichter an und erhellen Bäume und Schotterpiste, ein paar Tropfen auf der Windschutzscheibe werden von den großen Scheibenwischern sofort entfernt. Weiter geht es – mehr Holz, mehr Laub, mehr Matsch.

Range Rover V8 Selten habe ich mich so entspannt und komfortabel durchs Unterholz bewegt. Mein Adrenalinspiegel ist jedoch immer noch nicht nennenswert gestiegen. Von Abenteuer keine Spur. Also schalte ich das DHC (Downhill Control) ein und verlasse die Schotterpiste in Richtung des lehmigen - und meiner Ansicht nach relativ steilen – Abhangs zu meiner Rechten. Auch hier klebt der Range Rover am Boden, als würde er der Erdanziehung trotzen. Mit einer Hand am Steuer erreiche ich den nächsten Trampelpfad, der mir schon aus gut einem Meter Entfernung durch lautes Piepen des Abstandsensors angezeigt wird. Da ich bereits von den Qualitäten der Bremsanlage überzeugt wurde, reicht ein sanfter Tritt aufs Pedal, um den Koloss abzufangen und aus der Schräglage wieder auf die Wagrechte zu befördern. Auf dem Offroad-Navigationssystem setze ich eine zweite Wegmarke – nur zur Sicherheit.

Range Rover V8 Einige Böschungen, Schlammpfützen und Bachläufe später erreiche ich wieder asphaltierte Zivilisation. Und obwohl ich weder Adrenalin noch Angstschweiss ausgeschüttet habe und ich dornige Büsche und sumpfige Schlaglöcher nur durch den Schutz der getönten Scheiben bewundert habe, fühle ich mich irgendwie gut, erfüllt und auch ein wenig frei. Vielleicht haben sich einfach die Zeiten geändert, sage ich mir. Vielleicht kann man Abenteuer nicht mehr mit maskuliner Zivilisationsflucht gleichsetzen. Vielleicht bedeutet Freiheit im Zeitalter der automobilen Alleskönner einfach, sich jederzeit überall hin bewegen zu können, ohne auf den Komfort unserer Zivilisation verzichten zu müssen. „Es gibt nur einen Dschungel,“ hieß es 2001 in der Werbung für den Jeep Grand Cherokee. Egal, ob natürlich oder urban – die Freiheit ist irgendwo da draußen...

Das Testfahrzeug wurde uns von Landrover Deutschland zur Verfügung gestellt. Fotos: Jan Baedeker

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