Der neue, kompakte Range Rover Evoque sieht nicht nur smart aus, er trägt auch reichlich clevere Lösungen unter seiner Verbundkarosserie aus hochfesten Stahlsorten, Aluminium und Kunststoffen. Seine Fahrleistungen dürften in dem stark wachsenden Segment kompakter geländetauglicher Freizeitfahrzeuge zudem eine neue Benchmark setzen. So jedenfalls unser Eindruck nach einem intensiven Workshop im versteckt gelegenen Land Rover Entwicklungszentrum in Gaydon, Mittelengland. Eine Classic Driver Technik-Reportage.
„Revolution!“ Land Rover rührt derzeit mächtig die Marketing-Trommel, um alle Aufmerksamkeit auf den neuen Range Rover Evoque zu lenken. Denn ab sofort können Dreitürer und Fünftürer mit demselben Radstand bestellt werden, die ersten Auslieferungen sollen dann im Herbst des Jahres erfolgen. Doch das Interesse an Land Rover und dem neuen Evoque ist auch so ungebremst. Gerade erst konnte die traditionsreiche Geländewagenmarke für das erste Quartal 2011 neue Rekordzahlen hinsichtlich des Gesamtabsatzes in Deutschland melden. Und dies, obwohl bereits das vergangene Jahr als Rekordjahr in die Firmenbücher einging. In England markiert der Monat März 2011 gar den besten Verkaufsmonat in der gesamten 63-jährigen Firmengeschichte, berichtet John Edwards, Land Rover Global Brand Director. Und das alles ausdrücklich noch ohne Zutun des neuen Range Rover Evoque. Die viel beachtete Neuerscheinung wird der Marke nochmals einen kräftigen Schub geben.
Das jedenfalls ist unsere Einschätzung nach einer ausgiebigen Visite im Entwicklungszentrum im mittelenglischen Gaydon, Warwickshire. Hier konnten wir mit Entwicklern und Ingenieuren sprechen, den technischen Neuheiten auf den Grund gehen und auf der hauseigenen Teststrecke Prototypen des Evoque erstmals herausfordern. Bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem neuen Evoque fällt auf, dass es „den“ Evoque eigentlich gar nicht gibt. Denn die Modell- und Ausstattungsvarianten fallen unerwartet vielfältig aus. Basis bilden drei klar differenzierte Ausstattungslinien, die sowohl für das Coupé als auch für den Fünftürer zur Verfügung stehen. Hinzu kommen zwei Antriebs- und drei Motorenalternativen.
„Pure“, „Dynamic“ und „Prestige“ stellen die drei Ausstattungslinien dar. Sie unterscheiden sich durch Anbauteile und Interieurkonzepte. Hinzu kommen beim Evoque reichlich weitere Individualisierungsmöglichkeiten – ähnlich der von Mini bekannten Philosophie aus jedem Fahrzeug einen eigenen Charakter zu schaffen. Jedenfalls braucht der Evoque keine „Autobiography“-Linie, um besonders schick und individuell vorzufahren. Sogar die passenden Rennräder gibt es bereits für den Evoque. Das ist für Kunden attraktiv und für den Hersteller vermutlich lukrativ – jedenfalls gewährt die Liste der Sonderausstattungen beste Voraussetzungen für eine intensive Markenbindung.
Technisch stellt der Range Rover Evoque ein eigenständiges Fahrzeug dar. Er ist damit kein kleinerer Freelander, wie gelegentlich vermutet. Tatsächlich teilt er sich mit dem Freelander nur ein einziges Bauteil. Die drei Motoren, zwei Diesel und ein Benziner, sind vollkommene Neukonstruktionen. Der 2,0-Liter-Benzinmotor schöpft aus vier Zylindern mit Turbolader, Hochdruck-Direkteinspritzung und doppelter variabler Ventilsteuerung 240 PS. Die Dieselmotoren sind 2,2-Liter-Turbo-Aggregate. Die TD4-Motoren leisten entweder 150 PS oder 190 PS. In Verbindung mit Stopp-Start-Automatik zeichnen sich die Dieselmotoren auch durch ihre Wirtschaftlichkeit aus. Die Dieselmotoren sind zudem nach neuen Verfahren geräuschoptimiert gekapselt, bei unserem Motortest in Gaydon durchaus hörbar, insbesondere beim Kaltstartverhalten. Weitere Features wie Niederspannungs-Glühkerzen, reibungsarme Kolben, ein System mit Mehrfacheinspritzung und Abgasrückführung erhöhen die Effizienz der Selbstzünder.
Besonderes Ausstattungsmerkmal ist das neue optional erhältliche MagneRide Fahrwerk der dritten Generation. Erstmals kommt dieses aktive Dämpfersystem in einem Geländewagen zum Einsatz. Über 1.000 Mal pro Sekunde werden hierbei Straßen- und Fahrimpulse überwacht und die Dämpfersysteme optimiert. Das System wirkt bemerkenswert und erinnert an die Tugenden eines Luftfederfahrwerks. Hügel in der Fahrbahn werden nicht mehr übersprungen, sondern scheinbar geschluckt. Nick- und Wankbewegungen gleicht das System aus. Möglich macht dies eine ventillose Technologie: In den Dämpfern arbeiten synthetische, mit Eisenpartikeln angereicherte Öle. Elektromagnetische Spulen erzeugen ein veränderbares Magnetfeld im Kolben und unterschiedliche Dämpferwirkungen. Das geht geräuschlos und blitzschnell. Das ganze System ist zudem wartungsfrei und für den gesamten Lebenszyklus eines Evoque ausgelegt.
Verbessert ist auch die Berganfahrhilfe „Hill hold“, die das Fahrzeug für einige Sekunden in der Steigung festhält und das Anfahren erleichtert. Hierbei wird der Kraftfluss kontrolliert freigegeben – für ein möglichst schlupffreies Anfahren. Auch eine Anhängerstabilisierung ist erhältlich. Die neueste Generation einer elektrischen Servolenkungstechnologie mit variablem Ansprechverhalten, weichen Anschlägen, aktiver Lenkungsrückstellung und Dämpfungsfunktion kommt im Evoque serienmäßig zum Einsatz. Die Karosserie ist ein komplexes Gebilde aus hochfesten Stahlsorten, leichten Aluminiumteilen und flexiblen Kunststoffen. Die komplette Heckklappe beispielsweise wird komplett aus Kunststoff gefertigt. So starten die Leergewichte des Evoque bereits ab 1.600 Kilogramm. Damit ist auch die Ökobilanz des Evoque ausgewogen, zahlreiche Recyclingmaterialien bessern die Gesamtrechnung noch auf. Gleichzeitig wirken die Innenräume der Evoque-Modelle ausgesprochen hochwertig. Dies liegt an rund 21 Kilogramm natürlichen Materialien, zu denen auch Leder und Hölzer zählen. Insgesamt macht der Evoque einen sehr überzeugenden Eindruck, doch zur Gesamtschau gehört auch die Preiskomponente.



Das klar gezeichnete „Pure“-Modell, welches am stärksten an das Konzeptfahrzeug LRX erinnert, wird in Deutschland Als Evoque eD4 mit fünf Türen ab 33.100 Euro erhältlich sein. Als kraftvollere „Dynamic“-Ausführung kostet der gleiche Basiswagen 41.300 Euro. Die edle „Prestige“-Variante kostet ab 42.100 Euro. Wer das Coupé statt des Fünftürers wählt, zahlt einen Aufschlag von 1.000 Euro. Die Varianten mit dem 190 PS starken Dieselmotor kosten ab 37.700 Euro, die 240 PS starken Benziner notieren mit 39.900 Euro in der Preisliste. Allradmodelle gibt es ab 34.900 Euro. Wir haben es überschlagen: wer sich für einen top-motorisierten und umfangreich ausgestatteten Evoque erwärmt und zusätzlich neben weiteren Gimmicks Panorama-Glasdach, MagneRide Fahrwerk, 20-Zoll-Felgen, Meridian-High-End-Soundsystem mit 17 Lautsprechern und in unserem Testlauf einwandfrei funktionierenden Parkassistent bestellt, durchbricht problemlos die 50.000 Euro Marke. Das ist viel Geld für ein kompaktes Auto, aber immer noch relativ wenig im Vergleich zum großen Range Rover, zumal ein so aufgeladener Evoque in punkto Technik und Komfort dem großen Bruder ebenbürtig scheint.
Wer sich selbst vom neuen Range Rover Evoque ein Bild machen will, kann dies in wenigen Wochen auch in Deutschland tun. In einer Sommer Style Tour geht der Evoque in über 30 Städten auf Tournee. Zunächst statisch, ab dem Spätsommer dann auch dynamisch. Die Tour startet am 24. Mai in Hamburg. Es folgen Städte wie Frankfurt, Düsseldorf, München, Stuttgart und Berlin. Die offizielle Markteinführung erfährt der Range Rover Evoque dann mit der IAA im Herbst des Jahres.
Text: Mathias Paulokat
Fotos: Land Rover