Am 11. und 12. November war es soweit. Der neue Bentley Continental GT, das schnellste viersitzige Coupè der Welt, stand in Hamburg zur Probefahrt bereit. Classic Driver war dabei und hat den 560 PS starken Gran Tourer auf norddeutschen Autobahnen und Landstrassen getestet.
Los ging es beim Studio Hamburg, wo ein herkömmlicher Aufnahmeraum, in gewohnter Bentley-Atmosphäre, zum exklusiven Showroom umgebaut wurde. Käufer konnten sich Ihren neuen Wagen aus der Nähe ansehen. So tat es auch der Hamburger Kaufmann Herr Bösch (im Bild zu sehen). Hier konnte der Motor, die Bremsscheiben und auch das Holz für das Interior unverbaut bewundert werden - alle Fragen zum Auto wurden von den zahlreich anwesenden Instruktoren versiert beantwortet. Ebenfalls zu Ausstellungszwecken vor Ort waren ein wunderschöner Bentley R-Type Continental aus dem Jahr 1952 sowie ein neuer Bentley Arnage.
In einer anderen Halle warteten rund ein halbes Dutzend neuer Bentley GT’s auf ihre Fahrer. Wir entschieden uns im ersten Durchgang für einen GT mit Neptun-Lackierung. Diese Farbe ist wahrscheinlich eher in Großbritannien gefragt, schaffte aber einen wunderschönen Kontrast zu dem eher dunklen Dezembermorgen.
Das Erste, was beim Bentley GT auffällt, ist das Design, welches eindeutig auf der Designphilosophie des R-Type Continental von 1952 basiert: Kurzer Frontüberhang mit einer dominierenden Motorhaube. Die ausgeprägten Schulterpartien mit dem auf eine B-Säule verzichtenden Dachbereich, vermittelten dem Betrachter den visuellen Eindruck einer sprungbereiten Raubkatze. Soweit der erste Eindruck.
Beim Öffnen der Tür besticht sofort die edle Qualität. Feinste Holzfurniere und dickes Leder umgeben den Fahrer und seine Passagiere. Bemerkenswert ist die Sorgfalt, welche in die Entwicklung der Rücksitze geflossen ist. Genügend Beinfreiheit (mit Wohlwollen des Beifahrers) und muschelförmige Vertiefungen für die Ellenbogen bieten auch Erwachsenen einen individuellen Raum. Der Autor, selbst 1.80 Meter groß, konnte jedenfalls bequem hinten Platz nehmen.
Im Innenraum finden sich an vielen Stellen die unverkennbaren Bentley Stilelemente. Dazu zählen die Aluminiumpedale, die in Chrom eingefassten Instrumente, die klassischen „Bullaugen“ der Lüftungsöffnungen und natürlich die zentral angebrachte Analoguhr aus dem Hause Breitling. Für meinen persönlichen Geschmack hätte die Chromumrandung der Uhr allerdings etwas dezenter ausfallen können. Im Unterschied zu klassischen Sportwagen bleibt dem Fahrer im Bentley Continental GT die typisch hohe Sitzposition. Überflüssig zu sagen, dass dieser Wagen über sämtliche technische Details, wie getrennt regulierbare Klimaautomatik, Navigationssystem, Reifendruckkontrolle, etc. verfügt. Sämtliche Ausstattungsmerkmale eines Luxusfahrzeuges sind hier selbstverständlich.
Nach dem Drücken des Starterknopfes erwacht der mächtige W12-Motor. Allerdings kein gewöhnlicher Zwölfzylinder, wie er auch im VW Phaeton eingesetzt wird. Nachdem die Entscheidung für den W12 gefallen war, wurde ein Twin-Turbo-System ausgewählt, um ein höheres Leistungs- und Drehmoment-Niveau zu erreichen. Das Resultat: Ein Sportwagen mit 411 kW / 560 PS Leistung (bei 6.250 U/min) und 650 Newtonmetern maximalen Drehmoment, bei nur 1.600 U/min – einer Drehzahl, bei der die meisten Motoren knapp über dem Leerlauf arbeiten. Diese Leistung wird Dank des Vierradantriebs auf beide Achsen verteilt.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Als wir aus den Toren des Studio Hamburg rollen, wird sofort klar: Wir sitzen in einem echten Bentley. Der subjektive Eindruck ergibt sich aus dem Gewicht. Man glaubt sofort in einem wirklich schweren, allerdings nicht schwerfälligem Auto zu sitzen. Diese Einschätzung wird mit einem Blick auf das Fact Sheet bestätigt: 2.4 Tonnen bringt ein leerer GT auf die Waage.
![]() |
![]() |
Nach einigen Kilometer im Hamburger Stadtverkehr kommen wir in Richtung Autobahn. Um es gleich vorweg zu sagen: Im Dezember sollte man einen Testwagen mit Winterreifen fahren. Eine mögliche Höchstgeschwindigkeit von knapp 320 Km/h wurde so automatisch auf 250 Km/h begrenzt. Dennoch werden die beeindruckenden Fahrleistungen schnell deutlich. Mit einem beherzten Tritt aufs Gaspedal spurtet das Coupè in 4.8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Wir fahren rund ein Fünftel schneller und ein Heckspoiler fährt sich aus, um für verbesserte Aerodynamik zu sorgen. Einziger Wermutstropfen: Der technische Helfer verkleinert deutlich die Sicht durch die sowieso nicht gerade riesige Heckscheibe.
Fast wichtiger als die Beschleunigung ist die Verzögerung. Große innenbelüftete Scheibenbremsen mit einem Durchmesser von 400 Millimetern sorgen für einen schnellen Stand – es sind übrigens die derzeit größten Scheiben, die bei einem Serienfahrzeug verbaut werden. Bei Tempo 200 km/h soll der Gran Tourismo auf dem Papier nach 177 Metern stehen. Wir haben es auf der Autobahn ausprobiert und können nur bestätigen: Die Bremsen packen kräftig zu und der Wagen bremst exceptionell.
![]() |
![]() |
Auf der Landstrasse wurden dann sowohl für den Fahrer als auch für die Beifahrer die Handling-Eigenschaften des Fahrwerks deutlich. Hier hat Bentley unter der VW-Regie ganze Arbeit geleistet. Im Detail bietet das Fahrwerk eine eher straffe als harte Abstimmung. Auf schlecht asphaltierten Strassen bot es in jeder Situation Widerstand gegen jegliche Wankbewegungen. Selbst unter extremen Bedingungen liegt der Bentley perfekt auf der Straße, ohne auch nur ansatzweise zu "Versetzen". Die Basis dieser Fahrwerksstrategie bilden eine steife Karosserie, eine Doppelquerlenker-Vorderachse und eine aufwändig geführte Multilink-Hinterachse. Darüber hinaus wurden Luftfeder-Elemente verwendet, von denen jedes einzelne mit einem stufenlos einstellbaren elektronischen Dämpfer kombiniert ist.
Ein wahrer Bentley ist ein Automobil, das mehr als die Bedürfnisse seiner Kunden erfüllt: Es soll vielmehr alle Erwartungen übertreffen. Dies ist der Firma VW, die mit einem Investitionsprogramm von 500 Millionen Pfund die Entwicklungsarbeit finanziert hat, mit dem neuen Bentley Continental GT gelungen. Der Wagen besticht durch sein beeindruckendes und trotzdem zurückhaltendes Auftreten. Das passt zu dem Anspruch W.O Bentleys, fortschrittliches Design mit unglaublicher Leistung und edelster Verarbeitung zu kombinieren.
Text: Philipp Stodtmeister
Fotos: Classic Driver