Nach knapp 20.000 verkauften Panamera legt Porsche die zukünftigen Einstiegsversionen des Gran Turismo nach: Panamera und Panamera 4. Angetrieben von einem neu entwickelten 3,6 Liter V6, wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb, sollen sie eine jüngere Zielgruppe ansprechen und einmal 50 Prozent der gesamten Panamera-Produktion ausmachen. Classic Driver hat vorab das Potenzial der Allradvariante getestet.
Mit den neuen Volumenmodellen, dem Porsche Panamera und dem Panamera 4, geht erstmals ein komplett von Porsche entwickelter V6-Motor in Serie. Zwar hatte Porsche bereits Mitte der Achtzigerjahre einen Sechszylinder in V-Anordnung entwickelt, dieser kam in der Formel 1 zum Einsatz. Niki Lauda und Alain Prost waren die Piloten, die damals zahlreiche Siege mit dem Porsche-Triebwerk im Rücken einfuhren. Ganz zum Leid der Fans war der potente Sechszylinder doch eben nur dem Motorsport vorbehalten. „Diesmal sorgen wir für mehr soziale Akzeptanz“, verkündet Porsche-Pressesprecher Eckhard Eybl augenzwinkernd. „Mit dem neuen Gran Turismo stellen wir unseren Sechszylinder nun einer breiten Zielgruppe zur Verfügung.“ Breit bedeutet im Falle des Panamera, dass sich jährlich weltweit 10.000 Käufer für die Sechszylindervariante entscheiden sollen. Diese müssen immerhin mindestens 75.900 Euro für den Panamera und rund 84.000 Euro für den Panamera 4 berappeln. Mit Ausstattung sollte kaum ein Allradexemplar unter 100.000 Euro über den Ladentisch gehen.
Mehr soziale Akzeptanz sollte die Baureihe Panamera nun dank V6-Triebwerk auch hinsichtlich der aktuellen Klima-Politik ernten. Denn bisher wurde mit den Achtzylindermodellen Panamera Turbo, Panamera S und 4S lediglich die PS-Klasse bedient. Der neue 3,6 Liter V6 verspricht dagegen, statt überragender Performance, vor allem wirtschaftlicheren Vortrieb. Abgeleitet wurde das Triebwerk vom Achtzylinder-Saugmotor des Panamera S. Es übernimmt daher bewährte Technikkomponenten wie Benzindirekteinspritzung, VarioCam Plus, Trockensumpfschmierung und, in Verbindung mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe PDK, eine Auto-Start-Stop-Funktion. Zur Gewichtsoptimierung kommen im Sechszylinder-Aggregat zahlreiche Bauteile aus Aluminium oder Magnesium zum Einsatz. Mit 183 kg DIN-Gesamtgewicht ist der Sechszylinder ganze 30 kg leichter als der V8-Block und 14 kg leichter als der aktuelle Sechszylinder des Cayenne. Und das soll sich bei unserem ersten Ausritt vor allem im Kurvenmodus bemerkbar machen.
Unsere Testfahrt hätten wir vermutlich auch problemlos auf der Rennstrecke absolvieren können, ist der Panamera 4 mit der 8.000 Euro teuren Keramik-Bremsanlage PCCB ausgestattet. Ihre riesigen, gelblackierten Bremssättel leuchten hinter den optionalen 20-Zöllern hervor. Von den Achtzylindermodellen unterscheidet sich der Panamera V6 normalerweise durch schwarz lackierte Bremssättel und 18-Zoll-Aluräder im Fünfspeichendesign. Außerdem sind die Einfassungen der Seitenscheiben beim Sechszylinder matt-schwarz statt in Chrom gehalten. Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die ovalen Abgasendrohre aus gebürstetem Edelstahl. Der Innenraum unterscheidet sich optisch nicht von den Achtzylindern. Wir nehmen in einem Bi-Color-Lederinterieur im Farbton Luxurbeige/crema Platz, das mit der Außenfarbe Carbongraumetallic in bester Classic Driver-Manier harmoniert. Als Fahrer greift man hier zudem ins optionale Dreispeichen-Sportlenkrad mit Schaltpaddles, das bereits aus dem Porsche 911 Turbo bekannt ist.
Im kurvig-hügeligen Rheingau, nahe Frankfurt am Main, zeigt sich der Panamera 4 erstaunlich gelassen. Die Luftfederung einschließlich PASM strafft die Dämpfer des Gran Turismo auf Sportwagenniveau. So lässt sich der 1.820 Kilogramm schwere Panamera 4 (Panamera: 1.760 kg) geradezu leichtfüßig durch die Kurven treiben. Auch wenn der 300 PS starke V6 den Panamera nicht gerade nach vorn katapultiert. Mit einer Beschleunigung von 6,1 Sekunden von Null auf 100 km/h – im Panamera sind es 6,3 Sekunden mit PDK – überzeugen zwar die Fahrdaten, im komfortablen Panamera bekommt man von dem Durchzug jedoch wenig mit. Gut zu wissen, dass man die Bestzeit noch einmal um 0,2 Sekunden unterbieten kann, wenn man die Launch Control des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes aktiviert. Das PDK für schnelle Schaltsequenzen ist im allradgetriebenen Panamera 4 serienmäßig an Board. Beim Hecktriebler ist es gegen Aufpreis anstelle des serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebes verfügbar.
Die Kurvendynamik des Panamera steigt zusätzlich durch das in Verbindung mit dem Fahrwerksregelsystem PDCC erhältliche PTV Plus. Während PDCC die Seitenneigung des Gran Turismo merklich reduziert, verbessert PTV Plus durch Bremseingriffe an der Hinterachse aktiv das Lenkverhalten: Fährt man beispielsweise in eine Linkskurve, bremst das System das kurveninnere linke Rad gezielt ab, wodurch das rechte Rad eine höhere Antriebskraft erhält. PTV Plus ist ab Mai auch erstmals für die Achtzylindermodelle erhältlich.
Aktiviert man dann wieder den Komfort-Modus, wiegt sich der Panamera in S-Klasse-Manier sanft durch die Kurven. Dass der Panamera V6 – wie schon seine großen Brüder – den Spagat zwischen Sportwagen und Reiselimousine beherrscht, war jedoch zu erwarten. Anders die Erwartungen beim Verbrauch: Hier verspricht Porsche mit dem neuen Sechszylinder eine deutliche Reduzierung und gibt einen Durchschnittsverbrauch von 9,6 Litern auf 100 km/h für den Allrad-V6 und 9,3 Liter auf für den heckgetriebenen Panamera in Verbindung mit dem PDK an. Bei unserer abwechslungsreichen, aber vor allem entspannten Testfahrt lagen die Werte jedoch deutlich über der Zehn-Liter-Marke. Da hilft vermutlich nur üben, üben, üben. Zum Glück will Porsche mit den neuen Einstiegsversionen eine jüngere Zielgruppe ansprechen – und die ist bekanntlich lernfähig.
Text: Jan Richter
Fotos: Jan Richter / Christoph Bauer
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