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Porsche Boxster S & Cayman S: Zweimal mit Scharf

Zwergenaufstand bei Porsche: Mit zackiger Doppelkupplung, reichlich Mittelmotor-Pfeffer und chilischarfer Fahrdynamik heizen die Updates von Boxster S und Cayman S dem allmächtigen 911er ordentlich ein. Doch welche der beiden Würzmischungen punktet im direkten Vergleich? Coupé oder Roadster? Classic Driver hat beide Rebellionsmodelle zum doppelten Schärfetest nach Hamburg geholt.

Manchmal gibt es in diesem Beruf noch Überraschungen: Da denkt sich der abgebrühte Autojournalist, nach tausenden von Kilometern im Lamborghini, Bugatti oder Rolls-Royce könnte ihn keine Reaktion mehr schockieren. Und dann wird er urplötzlich von kreischenden Teenagern mit Fotohandies durch den Hamburger Stop-and-Go-Verkehr gejagt. In einem jalapeñogrünen Porsche Boxster S. Und versteht die Welt nicht mehr. Denn wo die Passanten bei einem heranrollenden Bentley den Blick abwenden, um dem Fahrer seine automobile Überheblichkeit mit betontem Desinteresse zurückzuzahlen, scheinen dem Einstiegs-Porsche mit seinem plakativen Racing-Schriftzug die Herzen regelrecht zuzufliegen. Vielleicht, so denkt der Profi-Fahrer und verspürt einen kurzen Stich von Eifersucht, gilt die Sympathie gar nicht ihm, sondern dem Redaktionskollegen im paprikagelben Porsche Cayman S, der sich gerade neben ihm an die Ampel schiebt und die Fangemeinde mit bellendem Motor weiter anzuheizen versucht – und hält dagegen.

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Die Hanseaten wissen: Wer in Hamburg unauffällig bleiben möchte, kauft einen Porsche 911, vorzugsweise in Schwarz, Anthrazit oder seit neuestem auch in gedecktem Braun. Die Schwaben wissen: Hanseaten verstört man am besten mit grellen Farben – und schickt die beiden neuen Mittelmotor-Sportwagen mit schelmischem Grinsen im Obstkorb-Look zum nordischen Doppeltest. Doch die Signalfarben treffen ins Schwarze – denn tatsächlich sind die mitunter als Frauenporsche belächelten Entry-Level-Modelle Cayman und Boxster nach dem letzten Modell-Update so etwas wie die rebellische Antithese zum allzeit perfekten Klassenprimus Neunelf. The enemy within, sozusagen. Porsche bestreitet freilich jegliche Konkurrenz, doch schon der (vergleichsweise) immer geringer werdenen Preisabstand zwischen den sportlichen Topversionen der beiden Kleinen und dem Basis-Elfer lässt erahnen, dass die Stuttgarter ihre Sportwagen-Zukunft nicht nur dem ewigen Selbstläufer überlassen mögen.

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Dass beide Modelle anecken wollen, würde auch ein Farbenblinder erkennen, hätte er denn die Zündschlüssel parat: Im Porsche Cayman S erwacht nur Handbreit hinter der belederten Rückenlehne mit einem heiseren Brüllen das 3,4 Liter Sechszylinder-Triebwerk mit – der neuen Benzindirekteinspritzung sei gedankt – 320 PS und 370 Nm. Im Boxster S generiert dasselbe Aggregat zwar „nur“ 310 PS und 360 Nm, ist in unserer Testversion aber mit einem charmanten kleinen Knopf bestückt, der das Knurren der Abgasanlage in Sekunden von Schäferhund- auf Rottweiler-Tonalität umschlagen lässt. Was man angesichts der akustischen Drohgebärden schnell vergisst: Beide Motoren sind im Zuge der aktuellen Modellpflege um 15 Prozent sparsamer und 16 Prozent sauberer geworden. Das ist schön, doch letztlich unterschreiben wohl die wenigsten Porsche-Kunden ihren Scheck mit grünem Daumen. Was zählt, gerade in der neuesten Generation, ist der Fahrspaß – und an diesem Ende ist weiterhin keine schwäbische Sparsamkeit zu spüren.

Wobei es natürlich wieder „typisch Porsche“ ist, dass das neue, für rund 2.950 Euro zurüstbare Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe PDK gleichzeitig die Effizienz und die Fahrdynamik steigert. Selbst eingefleischten Handschaltern und Automatikverächtern gehen nach dem ersten Spurt mit einem der beiden Topmodelle die Argumente aus: So millisekundenschnell und ohne Unterbrechung der Zugkraft könnte selbst Walter Röhrl sich nicht durch die Gänge knüppeln. Derart straff gespannt schnellt der Boxster S in nur 5,3 Sekunden auf 100 km/h, der Cayman S benötigt sogar nur 5,1 Sekunden für den Sprint. Mit dem neuen Getriebe und dem optionalen „Sport Chrono“-Paket ist für die beiden Kleinen auch der „Launch Control“-Modus für maximale Beschleunigung sowie eine Einstellung für rennstreckenähnliches Schaltverhalten verfügbar. Der Verweis auf die historischen Vorbilder beider Modelle – das „Le Mans Coupé“ von 1953 für den Cayman, der 550 Spyder für den Boxster – sollte als Rechtfertigung gegenüber der reinen Vernunft und ähnlichen Spaßbremsen genügen.

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Auch das Fahrwerk beider Modelle hat derart an Schneid gewonnen, dass man sich nach wenigen Test-Tagen dabei ertappt, im Internet Stellenangebote für die Eifel durchzusehen. Tatsächlich kann man auf unserem obligatorischen Hamburger Stadtparcours (Alster – Hafencity – Freihafen – Köhlbrandbrücke – Elbtunnel – Alster) nur erahnen, welche Fahrdynamik beide Modelle auf der Nordschleife entwickeln würden. Das geringe Gewicht und die Mittelmotor-Architektur sorgen für das sprichwörtliche Go-Kart-Feeling, das durch absolut präzise Steuerung, enorme Fahrstabilität und das Ausbleiben von Wank- und Nickbewegungen jeden Sportwagenfahrer überzeugen sollte. Spannend wird es auch auf der Liste der kostenpflichtigen Extras: Das optionale PASM-System ermöglicht zudem die präzise Einstellung der Dämpferkennlinie, die ebenfalls optionale Hinterachs-Quersperre sorgt für zusätzliche Traktion an der Antriebsachse. Bucht man das Chrono Sport Paket Plus, erhält man zudem Einfluss auf die Abstimmung des Fahrwerks, die Motordynamik, die Abgasanlage und die Schaltpunkte des PDK. Und ein weiteres Häkchen hinter dem Kürzel PCCB beschert dem Besitzer neben der stattlichen Rechnung einen leistungsfähigen Satz Keramikbremsen.

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Während man wieder an der Ampel steht und versucht, trotz kreischender Jugendlicher die Basispreise (Porsche Boxster S: 55.781 Euro, Porsche Cayman S: 61.493 Euro) mit den Optionszuschlägen zu addieren, kommt die Leitfrage dieses Fahrberichtes in den Sinn: Was also spricht für den Roadster, was für das Coupé – und wieso sollte man sein Geld nicht gleich in die solide Elfer-Bank einzahlen? Sieht man von der marginalen Leistungsschwankungen und den visuellen Unterschieden ab, mit denen Porsche seit dem Facelift eine stärkere Differenz zwischen Boxster und Cayman zu kommunizieren versucht, läuft eigentlich alles auf eine Geschmacksentscheidung hinaus.

Der Boxster S mag im Preis-Leistungs-Vergleich die bessere Wahl darstellen und gerade zur Sommersaison ein wunderbar sportliches Freiluft-Erlebnis versprechen; der Cayman S wirkt dagegen markanter und maskuliner. Mit seinem eigenständigen, jugendlich-rebellischen Design steht er – zumindest gefühlt – näher am großen 911. Und statt eines Boxster S oder Cayman S mit maximaler Ausstattung einen Basis-Elfer ohne Extras zu wählen, käme wohl für kaum einen potenziellen Kunden in Frage – schließlich ist es gerade das kompakte, straßennahe, puristische Fahrerlebnis, mit dem sich die angeschärften Einstiegs-Modelle immer deutlicher vom großen Bruder distanzieren. Wir behaupten: Bis Porsche dem 911er wieder einen ebenbürtigen Mittelmotorsportwagen zur Seite stellt, ist nur noch eine Frage der Zeit.

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Text & Fotos: Jan Baedeker


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