Post aus Kalifornien. Während auf den Straßen noch die Achtzylinder blubbern, wird in den Think Tanks der Autoindustrie bereits die Grüne Revolution ausgerufen. Autor Jo Clahsen hat für Classic Driver in L.A. die automobile Wassertemperatur gefühlt und berichtet aus einer Stadt in Bewegung.
Schön. Das ist der erste Eindruck nach 11 Stunden Jet, einer Stunde Immigration und zwanzig Minuten am Koffer-Band. Den Koffer auf die Rollen stellen und hinaus ins Freie: 27 Grad, leichter Wind, schön. War Kalifornien im November schon immer so? Die Dame an der Rezeption des Mondrian sagt: Nein, es ist zu warm für diese Jahreszeit. Also doch Klimakatastrophe.
„Das Haus brennt und wir müssen alle Verantwortung übernehmen“, erklärt John Picard ein paar Tage später. Und er meint damit, dass alles aus den Fugen gerät, wobei die Amerikaner den Großteil dazu beitragen. Jeder Amerikaner stößt im Schnitt 26 Kilo CO2 pro Jahr aus. Fast doppelt so viel wie jeder Chinese. Und was soll, was will Amerika dagegen tun? Was treibt die Firmen in L.A. an, was in Kalifornien, wo doch neben den Computern und Chipsätzen auch gute Vorsätze geboren werden? Bei Designworks etwa, einer Designfirma, die von Design-Legende Chuck Pelly begründet wurde (1972) und seit 1986 mit BMW in zunehmend intensiverer Form zusammen arbeitet, da sie eine 100-prozentige Tochter der BMW-Group ist. Hier entstehen unter anderem als Tonmodelle einige Modelle der zukünftigen Karossen der Bayern. Aber auch so schnöde Dinge wie Handys, Espressomaschinen, Helme mit Sprechgarnitur, Fahrräder, Flugzeuge und Schiffe. Dabei färbt die „BMW-Autodesignsprache“ ein wenig auf die Produkte für andere Hersteller ab, etwa bei der Espressomaschine Aurea von Saeco und gleicht sich eine Spur weit an den Mainstream an. Sieht man den Server für Microsoft, ist er leicht ge-„applet“. Schaut man in das Innere der Yacht, denkt man an das – zugegeben sehr authentische – Interieur großer BMW-Limousinen.
Bavaria Cruiser 55 von DesignworksUSA, Designworks-Chef Laurenz Schaffer
Der neue Herr der 135 Mitarbeiter aus 24 Nationen, die seit 2000 in München und seit 2006 auch in Singapur als Designworks arbeiten, ist Laurenz Schaffer. Am ersten Arbeitstag in Kalifornien wirkt er noch etwas vom Jetlag zerzaust. Ja, er sieht die Herausforderung des „customer understanding“, ja er will weiter das „push and pull“ voran treiben, um Ideen rund um das Thema „Lifestyle“ von draußen nach drinnen zu holen. Und diese Ideen dann als verbrauchergerechte Produkte wieder nach draußen zu pushen. Und ja, Brasilien ist ein enorm wichtiger Markt, aber auch Indien und China, wie überhaupt der asiatische Markt eine „zehnfach höhere Herausforderung ist, als der Westen.“ Deshalb wird es, immer wieder in Etappen, ein Büro von Designworks in Peking geben. Und ja, es gilt für die Megastädte wie Mumbai, Sao Paulo und Tokio Dinge zu entwickeln, die eine „nachhaltige Mobilität gewährleisten“.
BMW Elektro-Studie Vision EfficientDynamics - ebenfalls zu sehen auf der LA Auto Show
Der neue Herr der 135 Mitarbeiter aus 24 Nationen, die seit 2000 auch in München und seit 2006 in Singapur als Designworks arbeiten, ist Laurenz Schaffer. Am ersten Arbeitstag in Kalifornien wirkt er noch etwas vom Jetlag zerzaust. Ja, er sieht die Herausforderung des „customer understanding“, ja er will weiter das „push and pull“ voran treiben, um Ideen rund um das Thema „Lifestyle“ von draußen nach drinnen zu holen. Und diese Ideen dann als verbrauchergerechte Produkte wieder nach draußen zu pushen. Und ja, Brasilien ist ein enorm wichtiger Markt, aber auch Indien und China, wie überhaupt der asiatische Markt ein „zehnfach höhere Herausforderung sind, als der Westen.“ Deshalb wird es, immer wieder in Etappen, ein Büro von Designworks in Peking geben. Und ja, es gilt für die Megastädte wie Mumbai, Sao Paulo und Tokio Dinge zu entwickeln, die eine „nachhaltige Mobilität gewährleisten“. Die Mitarbeiter zeigen später, was sie meinen, wenn sie von „The best way to predict the future is to create it“ sprechen. Durchsichtige Solarpaneele in Dächern, Glas als inside-out-material. Und alles im Sinne eines holistischen (ganzheitlichen) Ansatzes. Dafür wurde ein Kunstwort kreiert: SHIFT. Langversion: Sustainable Holism in Future Thinking. Mit Shift haben die Mannen und auch die Damen bei Designworks erkannt, dass man sich auch für die „Open-Source“-Community öffnen muss, auch wenn man das nicht mit Produkten von Fremdkunden machen kann. Und es ist endlich klar, dass R.O.I., als ein ordentlicher Erlös, auch beim Thema Umweltschutz zu erzielen ist. Erstes Produkt: Cyber Rain. Nein, kein künstlicher Regenmacher, sondern ein hoch interessantes und bis ins kleinste Detail ausgeklügeltes Gadget. Eine Sprinklersteuerung. In Kalifornien, wo trotz Regenmangel selbst die Bürgersteige mit Süßwasser gesprinkelt werden, ist das Tool – man spricht jetzt auch von „Toolness“ – sicher angebracht. Es holt sich über WLAN den aktuellen Wetterbericht und gleicht die Sprinkelmenge automatisch an. Tool, oder? Also alles im Fluss.
Cocktailparty mit Rolls-Royce: Premiere des neuen Ghost in den Hollywood Hills
Weiter oben, in den Hollywood Hills, treffe ich Jack. Das heißt: zunächst treffe ich finster bis grimmig schauende Wachen, die das Latifundium des Herrn ohne Nachnamen bewachen. Nach dem Okay steht entweder ein Elektromobil, wie es Grand-Hotels führen, oder ein fünfminütiger Fußmarsch als Option an. Jack, ein sympathischer Endfünfziger, der zu seiner eigenen Gala in lockeren Kleidern und Sneakers auftaucht, ist einer jener Menschen, die es geschafft haben. Was wiederum sehr gut passt, wenn der Begehr der Eingeladenen (außer mir) bei 250.000 Dollar anfängt. Nun gut, Jack hat schon ein paar Pretiosen. Unter anderem einen Rolls-Royce Phantom, einen Porsche GT3 RS, einen Z8 von BMW, einen GT 40, einen Porsche Carrera GT und, und, und. Da wird sich doch sicher für den Rolls-Royce Ghost noch ein Plätzchen in der gläsernen Garage finden lassen. Die Eingeladenen tragen Schuhe, die nicht für das grobe Gefliese der Präsentation geschaffen sind, dabei gehorchen Schuhe und Rock der 1:2-Regel. Kurz: Der Rock darf maximal zwei Mal so breit sein, wie die Stilettos hoch sind. Und nachdem Rolls-Royce-Chef Ian Robertson den Phantom als „tuxedo“ und den Ghost als „Business-Anzug“ präsentiert hat, der frauenkompatibel sei, fallen die Damen reihenweise ins weiche Gestühl, um sich von Freundinnen mit Hilfe des Blackberry „en garde“ ablichten zu lassen. Schön.
Rolls-Royce-Designchef Ian Cameron
Ich erinnere mich derweil an den End-of-life-cycle, den die Designworker im Schilde führten. Und denke: Mein Gott, dann ist Rolls-Royce wahrscheinlich die nachhaltigste Firma der Welt. Erstens ist die Produktionsstätte in Goodwood nach bestem Wissen und Gewissen nachhaltig gebaut. Und zweitens fahren nach wie vor 80 Prozent der jemals gebauten Rolls noch immer herum. Dann kommt Tom und erzählt mir, wie toll es in Kalifornien ist, weil die Menschen nicht negativ drauf seien, sondern die Möglichkeiten sehen würden. Und irgendeine Dame spricht mich an und fordert mich dazu auf, mit ihrer Freundin Deutsch zu sprechen. Sie selbst sei nur „half German“, aber ihre Freundin sei Deutsche. Aus Karlsruhe. Die Welt ist klein.
Publikumspremieren in LA: VW-Studie Up Lite, Porsche Boxster Spyder
Wie klein die Welt ist, zeigt die L.A. Auto Show. Hie die BMW „Vision“ eines ultramodernen Hybrid-Sportwagens mit Minimalverbrauch („Der Spiegel ist Türscharnier, ist Kamera“, Jochen Paensen, Interior Designer). Und das Mini Crossover-Konzept eines Roadsters oder Coupés. Da die Muscle-Cars wie Dodge Challenger oder die Urzeitsünden à la Jeep Laredo mit 25-Zoll-Felgen und sicherlich 25 Litern Verbrauch. Und das alles, obschon die Gallone Sprit inzwischen fast vier Dollar kostet. Hier der Volkswagen Up Lite, der sich dank ausgetüftelter Materialien und Hightech mit 3,44 Litern Diesel zufrieden geben soll. Da ein bisschen Supercharged mit V8 Motor. Und auch die Teslas, Spykers und Lotus’ stehen in Reih’ und Glied. Sowie, frisch gebürstet und bright-eyed, der neue Spyder von Porsche. 80 Kilo hat er weniger auf den Rippen als ein normaler Boxster und soll, so Kollegen, abgehen wie die berühmte Katze von Schnitt. Mitsubishi, Honda und Audi mit dem e-tron zeigen Flagge, während GM noch kurz vor Eröffnung der Show den Namen Fritz Henderson mit Bob Lutz überkleben muss. Herr Henderson hatte am Vorabend einfach den Hut genommen.
Typisch amerikanisch: Der Jeep Laredo. Untypisch Audi: Der Stromsportwagen e-tron
Indes, auf den Straßen tobt weiter das Gemisch aus Riesen-SUV, der auch mal als Tahoe Hybrid daher kommt, aus großvolumigen Limousinen und knatternden Achtzylindern in betagten Corvettes. Wer am Sunset Boulevard oder in Beverly Hills spazieren geht, der mag den Eindruck gewinnen, dass Umwelt nur bis zum äußersten Epithel der Menschen selbst reicht. Dünn ist wichtig. Fit ist wichtig. Langhaarig ist wichtig. Aber die Zukunft hat schon begonnen. John Picard, ein charismatischer Ingenieur, Architekt und seit mehr als 20 Jahren grün, hilft nicht nur BMW bei Efficient Dynamics und den Designworkern bei R.O.I. Er baut zudem selbst nachhaltige Tankstellen, die auch als Club genutzt werden können. Oder Flugzeug-Hangars, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Ein Seher, der es den internationalen Konzernen ins Poesie-Album schreibt, dass sie mit Nachhaltigkeit durchaus Erlöse generieren können. Und das dürfte dann irgendwann auch bei den amerikanischen Autobauern ankommen, die sich bis dato noch an das hängen, was sie über so viele Jahrzehnte gut gekonnt haben: Hubraum. John Picard hat das zentrale Wort der Autogesellschaft mit einer neuen Deutung versehen. Asphalt kann man im Englischen sehr gut auch mit Ass Fault übersetzen. Einige Firmen und Investoren haben bereits verstanden. Denn so Picard: „Das Geld fließt erstmals in Richtung Nachhaltigkeit“.
Text: Jo Clahsen
Fotos: Jo Clahsen / BMW Designworks / Rolls-Royce
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