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Magazin

Mercedes-Benz SL 350

Die Tatsache, dass Mercedes-Benz sich anlässlich der nunmehr fünfjährigen Produktionsdauer des SL nur zu marginalen optischen Veränderungen entschied, zeigt aus welchem Stoff Klassiker gemacht sind. Eine behutsame Überarbeitung der Details ist allemal besser, als ein hektisch veränderter Entwurf des Originals. Technisch wurde bei der aktuellen SL-Baureihe allerdings mit dem Eisernen Besen gekehrt, um auch weiterhin in dem Segment der sportlichen Roadster Marktführer zu bleiben.

Traditionell gehört der SL zu den Fahrzeugen, von denen der Fahrer keine brüllenden Highend Aggregate und knallharte Sportfahrwerke erwartet. Im Lastenheft steht vielmehr ein souveräner Antrieb, der im Zweifel jede an ihn gestellte Anforderung locker erfüllt, ohne dabei die Contenance zu verlieren sowie ein Fahrwerk, was die ehedem gestressten Bandscheiben nicht weiter ruiniert.

Die nunmehr aufgefrischte Motorenpalette bietet für jeden Einsatzzweck die richtige Lösung und entstammt dem Konzernbaukasten. Wir fuhren den neunen 350 SL und konnten uns von der gelungenen Abstimmung des neuen Leichtmetall V6 überzeugen. Nach dem Anlassen ertönt zunächst einmal nichts, was auf einen Verbrennungsmotor hinweist. Seidenweich und ohne eine Spur einer Vibration läuft der Sechszylinder in seinen ersten tausend Touren. Man fragt sich gelegentlich, ob der Motor überhaupt schon gestartet wurde. Ein paar Umdrehungen mehr und ein unaufdringlicher aber dennoch markanter Motorsound, der sich je nach Lust und Laune des Fahrers durch zügigeren Gaswechsel steigern lässt, ohne dabei jedoch die Schwelle des Erträglichen zu überschreiten, ertönt. Vergessen ist das gequälte Aufheulen des Vormodells. Hier macht es – dank der neu gestalteten Abgasanlage – Spaß, einen Gang runterzuschalten und den Klang beim Herausbeschleunigen des Wagens aus der Kurve zu genießen. Lästig wird diese Klangvorstellung indes nie, eher macht sie süchtig nach den nächsten Wechselkurven mit Beschleunigungsvorgängen oder dem nächsten Tunnel. Der sich entfaltende Schub ist schlicht druckvoll, nachhaltig wäre dabei die treffendere Bezeichnung.

Mercedes-Benz SL 350 Mercedes-Benz SL 350

Die Umstellung auf den neuen Vierventilsechszylinder bringt einen Leistungszuwachs von elf Prozent auf nunmehr üppige 272 PS. Dieser ist ausreichend, um das fast zwei Tonnen schwere Auto binnen 6,6 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Ein erfreulicher Nebenaspekt des neuen Aggregates ist zudem der spürbar geringere Kraftstoffverbrauch. Neben diesen Eckdaten ist es aber auch die Art und Weise wie dieser Motor an das Fahrzeug adaptiert wurde. Es entsteht nie das Gefühl, Leistung sei Mangelware oder man habe bei der Bestellung doch an der falschen Stelle gespart. Der Motor passt insgesamt ausgezeichnet zu dem Fahrzeug – man könnte hier durchaus von einem Geheimtipp sprechen.

Abgerundet wird die technische Modellpflege durch das neu abgestimmte Fahrwerk, der neuen Lenkung und der nunmehr eingeführten 7G Tronik, die wahlweise auch als Sport 7G Tronik mit deutlich verkürzten Schaltzeiten im manuellen Modus aufwartet. Das Getriebe stellt jederzeit völlig ruckfrei die richtige Übersetzung bereit. Zudem verfügt es optional über die Schaltpaddel am Lenkrad, mit denen ein Flair von Formel 1 in Cockpit einzieht.

Das neue Active Body Control II Fahrwerk lässt das schwere Auto komfortabel abrollen, ohne jedoch schaukelig zu wirken. Dabei wurde durch konsequente Weiterentwicklung eine Verringerung der Karosserieneigung erzielt. In zu schnell angefahrenen Wechselkurven bleibt der SL in der Spur und vermittelt ein hohes Maß an Fahrsicherheit. Zu diesem sehr aktiven Fahrerlebnis trägt auch die neu konstruierte Lenkung bei, deren Servounterstützung genau richtig dosiert wurde. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger lässt sich der renovierte SL bei Bedarf zielgenau um die Pylonen wedeln. Vorbei die Zeit, in der die Lenkung permanente Korrekturen des Fahrers erforderte.

Lange Jahre galt die SL Baureihe von Mercedes-Benz als das Fahrzeug der gesetzteren Herrschaften schlechthin. Meist waren die Haare der cheauffierenden Herrschaften so silbrig wie der Lack des Wagens. Mit der Einführung der aktuellen Baureihe hat Mercedes-Benz dieses Image nachhaltig abgestreift. Der heutige Karosserieentwurf hat in den vergangenen 4 Jahren nichts von ihrer Frische eingebüßt, sodass sich die Modifikationen auf eine minimal geänderte Front- und Heckschürze sowie auf einen veränderten Grill beschränken konnten. Das erzielte Ergebnis lässt erkennen, dass ein gelungenes Design trotz der schnelllebigen Zeit auch nach fünf Jahren zeitgemäß sein kann und keiner tiefgreifenden Retuschen bedarf, um sich am Markt eindrucksvoll behaupten zu können. Dieser Beständigkeit ist zu verdanken, dass gebrauchte SL im Regelfall als begehrte Sammlerfahrzeuge enden, und dem Mythos SL neue Nahrung geben.

Deutlicher fallen die Modifikationen am Innenraum des SL aus. Das samtweiche Leder umschmeichelt das Auge des Fahrers wo es nur geht. Egal ob Sitze oder Armaturentafel: Perfekt sitzende Nähte und hochwertige Oberflächenanmutung prägen das Bild. Hier wirkt im Vergleich zu manch anderen Produkten aus dem Hause Mercedes-Benz nichts billig oder mit dem Rotstift kalkuliert. Eine kleine Ausnahme bilden in dieser Beziehung jedoch die ausklappenden Cupholder, die Rändelräder der Klimaanlagenbetätigung und der Schalter für die Dachbetätigung. Bei einem Einstiegspreis von rund 82.000 Euro darf man hier eindeutig mehr erwarten.

Die minderwertigen Bauteile lassen sich leider auch nicht im Rahmen der neu abgestimmten Designausstattung gegen Aluminium-Massivelemente ersetzen. Diese Linie bietet dem Kunden eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich den SL ganz nach seinen persönlichen Vorstellungen zusammenzustellen. Der Kombination von Farben und Materialien sind dabei kaum Grenzen gesetzt. So können statt der Holzpaneele im Armaturenbrett und Türverkleidungsbereich auch mit echtem Granit beaufschlagte Leisten zum Einsatz kommen. Bei diesem von Mercedes-Benz patentierten Verfahren ermöglicht die Verwendung von echtem Granitstein ein sehr exklusives Ambiente. Eine weitere Abrundung des Pakets ergibt sich durch ein farblich auf die Innenausstattung abgestimmtes Taschen- und Kofferset, das maßgeschneidert für den SL kreiert wurde und für erstaunte Blicke beim Hotelpersonal sorgen dürfte.

Fazit: Der renovierte SL hat an Attraktivität noch einmal deutlich gewonnen und gibt sich als Fahrzeug ohne nennenswerte Schwächen. Er stellt nicht zuletzt durch seine filigrane Dachkonstruktion ein Topangebot im Bereich der Luxuscabriolets da. Die Rückbesinnung auf die fahrdynamischen Qualitäten seiner Vorgänger aus den fünfziger Jahren haben dazu geführt, dass aus dem in den letzten Jahren etwas unsportlich gewordenen Luxusdampfer wieder ein ernstzunehmender Sportwagen wurde, der den Vergleich mit der etablierten Konkurrenz nicht zu scheuen braucht.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Bernd Hanselmann


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