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Mercedes-Benz 16V-Modelle: Die wilde Sechzehn

Mercedes-Benz 16V-Modelle: Die wilde Sechzehn

Mit der Entwicklung des Mercedes-Benz W201, besser bekannt als 190er, begab sich Daimler in den 70er-Jahren auf Sparkurs – und sprach gleichzeitig eine jüngere Zielgruppe an. Mit Erfolg. Bis 1993 wurden 1,8 Millionen Exemplare verkauft, darunter auch die berühmten 16V-Modelle.

Die Sechzehnventiler von Mercedes

Durch die Ölkrise, aber auch durch die Flottenverbrauchs-Gesetzgebung in den USA war Daimler-Benz Mitte der 70er Jahre gezwungen, sich neue Konzepte für sparsame Modelle einfallen zu lassen. Zudem sollten preiswerte Fahrzeuge vor allem jüngere Käufer anlocken. So wurde Ende 1976 ein Lastenheft zur Vorentwicklung einer neuen Kompaktklasse erstellt. Im Sommer 1978 stand das Grundkonzept des W201 fest, im Dezember 1982 wurde der „Neue“ in Niederlassungen und Vertretungen vorgestellt, ab September 1982 begann die Produktion in zunächst kleiner Stückzahl.

Mercedes-Benz 16V-Modelle: Die wilde Sechzehn Mercedes-Benz 16V-Modelle: Die wilde Sechzehn

Der im Gegensatz zum Mittelklasse-Modell W123 kleinere und leichtere Mercedes wurde schnell als „Baby-Benz“ abgetan und behielt diesen Namen bis heute in der Clubszene. Dabei blieb der neue Mercedes alles andere als in den Kinderschuhen. Mit einer großen Auswahl an Motoren und technischen Neuerungen wie beispielsweise die Raumlenker-Hinterachse hatte man viele neue und jüngere Kunden angesprochen, so dass der Mercedes 190 mit 1,8 Millionen gebauten Fahrzeugen bis 1993 ein mehr als erfolgreiches Projekt wurde. Es folgten bis heute verschiedene C-Klasse-Modelle als Nachfolger.

Über 25 Jahre später fahren in Deutschland immer noch mehr als 179.000 Mercedes-Benz 190er – trotz Abwrackprämie. Das sind über sechs Prozent der Gesamtproduktion. Großteils verrichten diese sogar noch ihren Dienst im Alltag; denn als Youngtimer oder in wenigen Jahren auch zugelassener Oldtimer kommen nur die Exoten in Frage. Nur die, denen man eine Wertsteigerung zutraut, oder die etwas Besonderes zu sein scheinen, werden gehegt und bei gutem Wetter „ausgeführt“. Zu diesen Exoten zählen ganz sicher die Sechzehnventiler. Jene Modelle, die in den späten Anfängen der 80er-Jahre mit dem unaussprechlichen Namen „Hundertneunzig Zweipunktdreistrichsechzehn“ für Furore sorgten.

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Bereits im August 1983, also vor seiner eigentlichen Vorstellung, hatte der Sechzehnventiler mit zahlreichen Weltrekorden auf sich aufmerksam gemacht. Denn ursprünglich sollte der Sechzehnventiler für den Rallye-Einsatz als Nachfolger des Rallye-SL entwickelt werden. Nach Aufgabe der Motorsportaktivitäten bei Daimler-Benz hatte man die Entwicklungsarbeiten weiter nutzen wollen und den Vierventilzylinderkopf bei Cosworth mit Vorgaben aus Stuttgart für die Serie weiterentwickeln lassen. Die Basis des Motors bildete das Kurbelgehäuse des M102.980, das aus dem Typ „230E“ des W123 bekannt war. Der Zylinderkopf hatte zwei obenliegende Nockenwellen. Der Ventiltrieb wurde zur Erhöhung der Steifigkeit ohne Hydrostößel konstruiert. Dieser Umstand, der nicht mehr allen Werkstätten heute bekannt ist, machte die regelmäßige Kontrolle mit anschließend möglicher Einstellung des Ventilspiels notwendig.

Technik und Wartung

Als empfindlich gilt der aus dem Grundmotor übernommene Steuerkettentrieb, der für den Antrieb des Zündverteilers und der Auslass- beziehungsweise Einlassnockenwelle verantwortlich ist. Dieser war im 190E 2.3-16 mit einer Simplex-Kette und später in den 2.5-16-Motoren zur Verbesserung mit einer Douplex-Kette ausgestattet worden. Die Simplexkette sollte in den vorgeschriebenen Intervallen nebst Kettenspanner ausgetauscht werden. Dabei sollte man heute vor allem auch auf Verschleiß an den Gleitschienen achten. Aufgrund einer geänderten Ölpumpe bildete der Motor im 190E 2.5-16 Evolution II wieder eine Ausnahme und hatte eine Simplexkette verbaut. Zur thermischen Stabilität wurde in die Sechzehnventiler ein Ölkühler integriert, der die Öltemperatur bei dauerhaft hohen Geschwindigkeiten unter 130 Grad Celsius hielt.

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Bei der Einspritzanlage vertrauten die Entwickler auf die damals schon etwas ältere Bosch-KE-Jetronic. Im Gegensatz zu den normalen 190E erhielt der 190E 2.3-16 ab Serienanlauf eine elektronische Leerlaufregelung. Zusätzlich wurde der Sechzehnventiler mit einer Mikroprozessor-gesteuerten Zündanlage mit Linienverstellung (EZL) ausgerüstet. Sie errechnete aus verschiedenen Parametern wie Kühlmitteltemperatur, Saugrohrdruck, Drehzahl, Ansauglufttemperatur, Drosselklappenstellung und Oktanzahl des Kraftstoffs den optimalen Zündzeitpunkt nahe der Klopfgrenze. Die Kraftübertragung übernahm derweil ein 5-Gang-Sportgetriebe von Getrag. Zum sportlichen Schalten wurde das Schaltschema verändert, indem der erste Gang unten links angeordnet wurde. Der 2.3-16 wurde zum Serienanlauf mit einem Ausgleichsgetriebe mit begrenztem Schlupf (Sperrdifferential) ausgestattet. Ab 1987 wurden die 2.3-16 und die Modelle des 2.5-16 mit automatischem Sperrdifferential (ASD) ausgeliefert.

Das Fahrwerk des Sechzehnventilers wurde ebenfalls erheblich überarbeitet. Federn, Dämpfer und Stabilisatoren wurden den gestiegenen Fahrleistungen angepasst. Die Radführungen waren stärker dimensioniert. Serienmäßig wurde eine hydropneumatische Niveauregulierung an der Hinterachse verbaut. Der 190E 2.3-16 wurde um 15mm tiefer gelegt und serienmäßig mit geschmiedeten Aluminiumrädern der Größe 7J15 ET 44 mit Reifen der Dimension 205/55R15 ausgeliefert. Ab 1986 gab es als Sonderausstattung das 3-Stufen-Fahrwerk, bei dem auch die Vorderachse hydropneumatisch ausgerüstet war. Mit Hilfe eines Wahlschalters konnte der Fahrer das Fahrzeugniveau elektrohydraulisch um 30 mm anheben und um 15 mm absenken. Die Faustsattel-Bremsanlage wurde derweil vorne mit innenbelüfteten und größer dimensionierten Bremsscheiben ausgerüstet.

Das Design

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Das Erscheinungsbild der Sechzehnventiler war hauptsächlich durch das aerodynamische Schürzen- und Spoiler-Paket geprägt. Dadurch wurde eine Auftriebsreduzierung ohne Erhöhung des Luftwiderstands erreicht (cw-Wert 0,32). Beim 190E 2.3-16 standen nur zwei Farben zur Auswahl: Blauschwarz Metallic und Rauchsilber Metallic. Der mit der großen Modellpflege ab September 1988 verkaufte 190E 2.5-16 wurde dann noch in zwei weiteren Farben angeboten. Im Gesamten konnte man nun außer bei den Evolutionsmodellen (nur in DB199) aus folgenden Farben auswählen: Almandinrot Metallic, Astralsilber Metallic (1988 - 1990), Brillantsilber Metallic (1991- 1993), Blauschwarz Metallic und Rauchsilber Metallic.

Aufgrund der gestiegenen Ansprüche im Motorsport und der geänderten Homologationsbedingungen wurden 1989 und 1990 zwei Evolutionsstufen des Sechzehnventilers vorgestellt und jeweils 500 Mal gebaut. Diese unterschieden sich optisch deutlich aufgrund Ihrer aerodynamischen Verbesserung. Insbesondere der 190E 2.5-16 Evolution II blieb Vielen wegen seines riesigen Heckflügels in Erinnerung. Auch bei der Motorentwicklung gab es verschiedene Entwicklungsschritte, die zur Verbesserung seiner Chancen auf der Rennstrecke führten.

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Auch im Innenraum der Sechzehnventiler wurde das sportliche Erscheinungsbild aufgegriffen. Sportsitze vorne wurden mit einer 2-sitzigen Rücksitzbank kombiniert, die für damalige Mercedes-Verhältnisse überragenden Seitenhalt bot. Serienmäßig war die Teillederausstattung mit Karostoff in der Mitte und Lederwangen. Als Option war eine Volllederausstattung erhältlich. Die Innenausstattung war bis auf den grauen Karostoff in Schwarz gehalten. Das serienmäßige Lederlenkrad (Durchmesser 390 mm statt 400 mm) und ein mit Leder überzogener Schaltknauf veredelten den Arbeitsplatz des Fahrers. Die sportliche Note wurde durch drei Zusatzinstrumente in der Mittelkonsole unterstrichen. So standen ein Voltmeter, eine Öltemperaturanzeige und eine digitale Stoppuhr zur Verfügung.

Marksituation

In den letzten Jahren stellt man eine Zweiteilung des Marktes für Sechzehnventiler fest. Es sind viele schlechte und sehr schlechte Fahrzeuge im Angebot, die zu absolut geringen Preisen zu haben sind. Verschleiß, Wartungsstaus, Korrosions- und Technikschäden heben die effektiven Kosten dieser Fahrzeuge aber schnell über das Niveau guter Exemplare, welche eher selten zu finden sind. Wie bei anderen (kommenden) Klassikern auch, finden sich in der Schweiz oft gute Fahrzeuge zu moderaten Preisen.

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Die Sechzehnventiler pauschal zu bewerten, ist schwer. Nicht selten stehen die Extras der angebotenen Fahrzeuge im Vordergrund und dominieren über den technischen Gesamtzustand, obwohl sie gerade bei dieser Sportlimousine nicht den Charakter prägen. Wie immer heißt es, Ruhe bewahren und den Wagen genau unter die Lupe nehmen. Hilfreich ist oft, das Auto auch bei einer technischen Prüfstelle begutachten zu lassen. Besonders dann, wenn man nicht selbst in der Lage ist, Mängel zu erkennen oder diese hinterher alleine abzustellen. Das geht auf Dauer bei den Sechzehnventilern richtig ins Geld! Wer einen guten Sechzehnventiler hat, sollte ihn behalten. Wer einen guten Wagen sucht, muss zunehmend tief in die Tasche greifen.

Produktionszahlen

In Summe wurden 26.234 Sechzehnventiler zu Beginn in Sindelfingen und später auch in Bremen gebaut.

190E 2.3-16: 19.487
190E 2.5-16: 5.743
190E Evolution: 502
190E Evolution II: 502

Klassische Mercedes-Benz finden sich im Classic Driver Marktplatz

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Text: Christoph Rieger (Mercedes-Benz W201 16V Club e.V.)
Fotos: René Staud Photography, Daimler AG