Lamborghini on the Rocks Part II: Nach dem ersten Almauftrieb auf Italienisch im Jahr 2007 war es nun wieder soweit. Am vergangenen Wochenende trieben über 200 Teilnehmer knapp 100 Lamborghini über den Berg-Asphalt in die mondäne Alpenmetropole St. Moritz. Gleicher Ort, neues Spektakel – denn wer glaubte, die grandiose „Lamborghini meets St. Moritz“-Show vor drei Jahren wäre nicht zu toppen, der irrt gewaltig. Quod erat demonstrandum – wir haben es für Sie vor Ort überprüft.
Freitag, 14.00 Uhr, bei 5°C. Es hat gerade aufgehört zu regnen, als Ehrengast Valentino Balboni im offenen Spyder und einer in Uniform gekleideten Dame auf dem Beifahrersitz unter Sirenengeheule und Blaulichtgeflacker pünktlich zum Begrüßungs-Apero eintrifft. Ihnen folgt der Polizei-Gallardo mit einer uniformierten Dame der Polizia Bologna am Steuer. Auf Valentino wartete bereits ein weiterer Ehrengast, der vor 39 Jahren mit Spikes besohlt seinen ersten Alpaufstieg nach Graubünden begangen hatte: Der Miura SVJ im Farbton Rosso Granada, der 1971 zu Weihnachten persönlich von Ferruccio Lamborghini dem Schah von Persien in St. Moritz übergeben wurde.
Wundern Sie sich also nicht, dass es anlässlich der Rückkehr des Sondermodells ins Engadin mitten im Juni zu schneien begann. Am Sonntag lagen hier plötzlich 30 Zentimeter Schnee. Wie das Organisationskomitee diesen Programmpunkt realisiert hatte, ist allen immer noch ein Rätsel. Aber Schnee gehört eben zur Geschichte des Miura SVJ dazu – chapeau!
Einchecken, Welcome-Snack, Begrüßung im Hotel Kempinski. Dann der freitagliche Corso der Fahrzeuge über St. Moritz‘ Promenade und weiter entlang der Strecke des Cresta Run nach Celerina zur Tea Time. Danach mit einem Sonderzug des Bernina Express zur Alp Grüm, wo die Meute vor einer gewaltigen Gletscherkulisse mit regionalen Köstlichkeiten und einer grandiosen, im Freien gekochten Polenta für die große Rundfahrt am Samstag gestärkt wurde.
Die Pass-Rundfahrt wurde von der Schweizer Polizei per Motorrad angeführt, und der Gallardo Polizia durfte mit Blaulicht die Lamborghini-Kolonne anführen. Die Linse ihres Speedmessers mussten die Italiener jedoch bei der Einreise den eidgenössischen Kollegen überlassen. Diese wiederum haben wohl beweisen wollen, dass sie ihren Job selbst mit schlichten Blitzkästen im Military-Tarnstyle perfekt machen und Geschwindigkeitsüberschreitungen besonders präzise messen. So hat es den einen oder anderen rennenden Stier leider beim wiederaufschließen an die Leittiere teuer erwischt.
In den Bergen waren die Bullen los! Der Corso bot ein imposantes „who is who“ quer durch die Firmengeschichte der Stiere aus Sant‘Agata. Vom Countach, Uracco, Jarama, über Diablo und Murciélago, bis hin zum SuperVeloce sowie allen denkbaren Gallardo-Modellen, die den Großteil des Feldes ausmachten. Ein einsamer Geländewagen-Koloss, der Lamborghini LM, sowie der ein oder andere hochgezüchtete Tuning-Bulle waren ebenfalls in die Berge gekommen.
Geladen waren Clubmitglieder und Händler aus der ganzen Welt. Aktiv unterstützt wurde die Veranstaltung von Classic Driver-Händler Lamborghini St. Gallen, der mit einem Murciélago SV und einem neonroten SuperTrofeo angereist war, sowie der Schmohl AG aus Zürich mit dem aktuell präsentierten LP570-4 Superleggera und einem matt-schwarzen Murciélago. Ebenfalls präsent waren Lamborghini Affolter aus Porrentruy.
Die Strecke ging über den Julierpass und weiter über den Flüelenpass, wo bereits die ersten Schneeflocken von Frau Holle ausgeschüttelt wurden. Dann weiter über Davos und zum Mittagslunch an den Flugplatz von Samedan, wo die Gäste bei Livemusik und von vielen interessierten Schaulustigen begrüßt wurden. Für die Besucher wurde der Parkplatz extra so eingerichtet, dass alle eine volle Prise Lamborghini-Flair abbekommen konnten. Die Teilnehmer, die aus ganz Europa, Honkong und Indien angereist waren, konnten bei Rundflügen das ganze Spektakel aus der Vogelperspektive betrachten.
Nach dem Tag kommt bekanntlich der Abend, der mit einem Galadiner das offizielle Ende von Lamborghini meets St. Moritz 2010 einläutete. Bei all dem „es sich gut gehen lassen“ wurde aber auch der gute Zweck nicht vergessen. Der Künstler Steffen Imhof hatte dem Meeting eines seiner Gemälde gewidmet, das von Valentino persönlich handsigniert wurde. Valentino wiederum hatte aus seinem Fundus zwei Jacken und eine Tasche zur Versteigerung mitgebracht. Der Erlös ging an die Organisation Spitex, die sich um todkranke Kinder und deren Angehörige kümmert. Eine exklusive Vorschau gab es außerdem auf das heißbegehrte Buch „Valentino Balboni - Der beste Job der Welt: Lamborghini-Testfahrer“ von Matthias Pfannmüller, das ab Herbst in den Handel kommt.
Dem Charme der italienischen Polizia und ihrem blauen Boliden waren nicht nur die Teilnehmer sofort erlegen. Ehrfürchtige Bewunderung galt vor allem dem Damendoppel in Uniform, das sich am Sonntagmorgen furchtlos dem Schnee stellten und ins Volant griff, während Valentino und der Herr in Uniform sie im Spyder begleiteten. Ja, es waren die Damen, die in diesem Jahr für Furore sorgten. Eine Lady aus Basel erzählte mir, dass sie bereits seit 20 Jahren ihren weißen Countach fährt. Während ich fotografierte, winkte sie mir dann lässig mit der Fahrertür zu.
Ein weiterer Programmhöhepunkt wurde zumindest denjenigen geboten, die Richtung Norden ausreisen mussten: Dank des Schneeeinfalls bot sich ein farbenfrohes Spektakel bei der Verladung der Lamborghini auf den Autozug. Mit emissionsfreien E-Antrieb stiegen so letztlich alle Bullen unversehrt den Berg hinab. A revair!
Text & Fotos: Nanette Schärf
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