Die LA Auto Show öffnet vom 19. bis zum 28. November 2010 ihre Pforten und beendet damit gleichzeitig das Autojahr 2010. Classic Driver war zum Messerundgang vor Ort im Convention Center.
Obwohl längst nicht alle Hersteller in den Messehallen an der amerikanischen Westküste vertreten sind, stehen in L.A. doch insgesamt 20 Weltpremieren auf der Agenda. Bei genauem Hinsehen zeigt sich allerdings einmal mehr: echte Neuheiten kommen vorwiegend aus Europa. Range Rover, Mercedes, Porsche präsentieren die Highlights der Messe. Aus Asien kommen vorwiegend Derivate bekannter Typen und die Amerikaner haben trotz Krise offenkundig wenig dazugelernt.
Das müssen auch die Amerikaner anerkennen: Das gute alte Europa schreibt die Schlagzeilen. Jaguar und Land Rover erleben einen fulminanten Auftakt in Los Angeles. Sowohl Konzeptfahrzeug Jaguar C-X75, wie auch der neue Range Rover Evoque Fünftürer finden beim Fachpublikum große Beachtung und Anerkennung. Insbesondere der kompakte Range aus der Feder von Gerry McGovern regt die – positiven – Emotionen und weckt Vorfreude auf das Automobiljahr 2011.
Mit zwei zusätzlichen Türen im Fond und noch mehr Platz in der Passagierkabine wendet sich die neue Modellvariante des kompakten Premium-SUV in erster Linie an Familien sowie an sportliche und aktive Kunden. Weitere Überraschung bei Jaguar: man zeigt wieder Grün. Die gesamte Modellpalette aus Limousinen, Coupé und Cabriolet präsentiert sich im klassischen Brit-Look, basierend auf grünem Lack und hellem Leder.
Ganz anders Mercedes: hier ist Matt-Finish angesagt. Der neue CLS 63 AMG ist hör- und sichtbar auf Krawall gebürstet. Mit einigen Gasstößen aus dem V8-Biturbo-Aggregat - und begleitet von einer Maschine des neuen AMG-Kooperationspartners Ducati - rollt der Bolide in L.A. auf die Showbühne. Die viertürige Coupé-Limousine macht klar: Auch in der obersten Leistungsliga geht der Trend zum - zugegeben dezenten - Downsizing. So kommt in der Top-Version des CLS der neue 5,5-Liter-V8-Biturbomotor von AMG zum Einsatz, der den bisher genutzten Sauger mit knapp über sechs Liter Hubraum ersetzt. Mit 525 PS ist der Neue eine Spur stärker als sein Vorgänger, der Verbrauch soll jedoch auch dank der erstmals angebotenen Stopp-Start-Technik von 14,5 Litern auf 9,9 Liter je 100 Kilometer sinken. Optional gibt es ein „Performance Paket“ mit Leistungssteigerung auf 557 PS und 590 Newtonmeter bei gleichem Verbrauch. Doch es geht auch ganz anders - das aktuelle Kontrastprgrogramm mit Stern liefert das Biome Concecpt-Fahrzeug.
Porsche: In einer separaten Halle feiert Porsche mit immenser Resonanz den Einstand des Cayman R, den wir Ihnen ausführlich als Auto der Woche präsentieren. Der auf 330 PS gesteigerte Sportler rückt auffallend dicht an die Elfer-Flotte heran. Der bissige Cayman dürfte auch klassische Porsche-Freunde interessieren; denn der historische Porsche-Schriftzug auf den Flanken weckt Erinnerungen. Das Retrodesign über dem Schweller katapultiert den neuen Porsche Cayman R ins Jahr 1967, als der erste Porsche 911 R seine Premiere feierte. Neben dem Cayman R feierten in L.A. die Speedster und der 911 GTS ihre Amerika-Premieren.
Am Stand von BMW zog vor allen Dingen das neue 6er Coupé Concept die Blicke auf sich. In der Tat überzeugt der große Tourer durch seine elegante Linienführung, die dabei nicht auf BMW-typische Design-Attribute verzichtet. Unser Votum: genau so bauen! Etwas weiter bei Audi ist es eine kompakte Quattro-Studie, welche zur neuerlichen Kontaktaufnahme mit der Marke einlädt. Volkswagen präsentiert neben dem bemerkenswerten Up Lite die Modellpflege des Klappdach-Cabriolets Eos – das Auto hat jetzt das neue strengere Markengesicht erhalten. Saab zeigt den Kompakt SUV 9-4X sowie eine elektrifizierte Variante des 9-3.
Keine Neuigkeiten indes bei Aston-Martin oder Rolls-Royce. Die Messestände fallen dementsprechend zurückhaltend, beinahe schon bescheiden aus. Bentley, Lamborghini und Ferrari zeigen in L.A. überhaupt keine Messepräsenz – und dies, obschon die kaufkräftige Westküste für die Premiumhersteller eine der wichtigsten Mikromärkte in den USA ist. Dafür schießt Lotus einmal mehr den Vogel ab. Markenchef Danny Bahar zündet nach Paris ein zweites Mal das Modellfeuerwerk mit fünf neuen Fahrzeugen. Sharon Stone, Stephen Baldwin und Auto-Legende Bob Lutz stehen ihm diesmal dabei zur Seite. Vollmundiger könnte ein Versprechen zum Relaunch kaum ausfallen. Lotus scheint es tatsächlich ernst zu meinen – hoffen wir, dass die finanziellen Mittel für die Realisation der Fahrzeuge ausreichen. Hingucker sind die Prototypen zweifelsohne.
Und sonst? Beinahe erschreckend wenig Neues aus Amerika. Wie eine Dinosaurier-Ausstellung des paläontologischen Museums mutet die Kollektion der versammelten Truck-Modelle an. Hier hat sich offenkundig wenig verändert. Weder beim Design, noch bei der Technik. Auffallend nur, dass bei den Allrad-Fahrzeugen der Marke Ford die Formensprache doch allzu auffällig an die von Land Rover erinnert. Sorry, guys – aber „me too“ führt nicht aus der Krise. Kompakte Stadtmodelle wie der Cadillac Urban Luxury Concept schon. Leider bleibt es hier bei bloßen Absichtserklärungen in Form von Konzeptfahrzeugen. Immer hat sich Chevrolet jetzt zur Serienproduktion des Volt durchgerungen. Schön ist das Ergebnis allerdings nicht geworden – „American Standard“ trifft es eher.
Dafür üben sich bereits wieder die Muscle-Cars vom Schlage eines Camaro, Ford Mustang oder Dodge Challenger und Charger im Kräftemessen. Wo bitte bleiben bei den großen Marken die Sportwagenideen von der Güte eines Tesla oder Fisker Karma? Wir diagnostizieren unverändert dringenden Aufholbedarf. Die asiatischen Marken haben in L.A. ihre landläufig bekannten Fahrzeuge vor allem um weitere Durchschnittsmodelle und leistungsgesteigerte Spoilervarianten bereichert und Kuriositäten wie das Nissan Murano CrossCabriolet hinzugefügt. Bleibt die Erkenntnis, dass spürbare Automobil-Impulse weiterhin aus Europa kommen. Und das sind doch auch gute Nachrichten.
Text: Mathias Paulokat
Fotos: Mathias Paulokat / Hersteller