Die dänische Firma Kleemann hat sich auf Leistungssteigerungen von Mercedes-Benz Fahrzeugen spezialisiert. Mit dem Kleemann ML50K S8 und dem E50KCC gelang der Autoschmiede nun ein doppelter Glücksgriff. Classic Driver Mathias Paulokat hat die beiden Kompressor-Wagen ausgiebig Probe gefahren und seine Eindrücke in Text und Bildern eingefangen.
Linke Tasche, rechte Tasche. Zwei Schlüssel, zwei Autos und zusammen 1.190 PS. Gleichmäßig verteilt auf zwei Allradfahrzeuge. Linke Hand der Kleemann ML50K S8 auf Basis des aktuellen Mercedes-Benz ML 500. Rechte Hand der Kleemann E50KCC, der einige Wochen zuvor noch als E 500 T 4Matic im dänischen Farum angekommen ist. Dort, nördlich von Kopenhagen, sitzt die Autoschmiede Kleemann. Ein kleines aber feines privates Unternehmen, das laut Geschäftsführer Torben Hartvig nur ein Ziel verfolgt: „Schnelle Mercedes-Benz Personenwagen noch schneller machen.“
Normalerweise sind dies Sportwagen von Mercedes-Benz. Sternwagen vom Schlage eines SLK, SL, CL, CLK und CLS sind die Domäne der Kleemänner. Kompressor-Kits, modifzierte Nockenwellen, Sportauspuffanlagen und elektronisches Motor-Tuning sind die überaus wirksamen Mittel, um die Sterne noch heller leuchten zu lassen. Überall auf der Welt, denn die größten Absatzmärkte von Kleemann sind die USA, Malaysia, Dubai, Japan und die Ukraine.
Alternative Sternkraftwerke: Starke Allrad- und Geländewagen von Mercedes-Benz rücken zusätzlich in den Fokus der Ingenieure aus dem Dänendorf Farum. Torben Hartvig zur Kleemann Allrad-Palette: „Wir bieten maßgeschneiderte Leistungssteigerungen für Fahrzeuge der neuen und alten M-Klasse (Baureihen 163 und 164) sowohl für Diesel- als auch Benzinmodelle an. Ferner Performance-Kits für die G-Klasse (Baureihe 463) und auch die E-Klasse 4Matic Fahrzeuge der aktuellen Baureihe 211.“
Der Kleemann ML50K S8
Neuester Geländerenner: der Kleemann ML50K S8, der unter Leistungsgesichtspunkten das obere Ende der Fahnenstange markiert. Das Kürzel 50K steht hier für den Hubraum des Achtzylinders und den eigens von Kleemann entwickelten Kompressor, der im wesentlichen für den Leistungszuwachs verantwortlich ist.
Einsteigen. Probefahren. Das wohlbekannte Mercedes-Benz Interieur vermittelt stante pede ein Gefühl der Behaglichkeit. Ein leichter Dreh am Zündschlüssel und der 5-Liter Motor meldet sich gehorsam zum Dienst. Dank Auspuffanlage in Edelstahl mit hohem Durchsatz klingt er bereits im Leerlauf rund eine halbe Oktave tiefer als das Serienmodell. Eindeutig Baßlage. Der Wagen ist hellwach, ein leichtes Antippen des Gaspedals und der ML schnellt nach vorne. Gut beherrschbar und kontrolliert und damit ganz anders als frühere Hochleistungs-Kompressorsysteme den Autos auf die Sprünge halfen.
In Zusammenarbeit mit den modifizierten sehr sportlich ausgelegten Nockenwellen und der hauseigenen elektronischen Motorsteuerung steigern die Komponenten die Leistung des ML50K S8 auf 595 PS (bei 5.800 Umdrehungen pro Minute). Und ermöglichen somit eine Drehmomentkurve, die sich bis auf einen Gipfel von 770 Newtonmetern aufschwingt. Dies bereits bei 2000 Umdrehungen pro Minute. Den Sprint von 0 auf 100 km/h absolviert der schwarze ML in nur 5,3 Sekunden und die Höchstgeschwindigkeit soll bei 270 km/h liegen.
Damit das Auto optimalen Abtrieb hat, vertraut es auf ein ausgeklügeltes Aerodynamikpaket: Front- und Heckspoiler mit Diffusor. Für noch weniger Luftwiderstand kommen ein dezenter Dachspoiler am Heck und geänderte Seitenschweller und Radhäuser zum Einsatz. Darin kauern ausgewachsene 20 Zoll Felgen im 5-Speichen Design der Dimension 295/45 R 20 auf TOYO Proxes S/T Performance Reifen. Weiterhin sorgt eine elektronische Höhenverstellung der Karosserie und die leicht modifzierte Mercedes-Benz AIRMATIC Luftfederung für einen tiefen Schwerpunkt bei hohen Geschwindigkeiten.
Klar ist dabei auch, daß dieser ML sein hauptsächliches Terrain weniger im Gelände als vielmehr auf der Straße findet. Und hier fühlt er sich sichtlich wohl. In einem scheinbar ununterbrochenen Kraftfluss, perfekt reguliert durch die 7-Gang G-Tronic Automatikschaltung, zieht der ML50K S8 aus dem Stand auf ein Tempo hoch, das in Dänemark verboten schnell ist und auf öffentlichen Straßen jenseits jeder erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegt.
Der Kleemann E50KCC
Kaum anders der Kleemann E50KCC, den man auf den ersten Blick als einen offensichtlich nicht ganz normalen Kombi der E-Klasse identifiziert. Basis ist hier ein Serienfahrzeug der Personenwagen-Baureihe 211 des Typs E 500 T 4Matic mit der bekannten Mercedes-Benz AIRMATIC Luftfederung. Wuchtige Front- und Heckschürzen, ein durabler Unterbodenschutz und markante wie gleichermaßen stoßunempfindliche Seitenschweller, die sich um die Radhäuser schmiegen, geben dem Fahrzeug bereits im Stand eine kraftvolle Präsenz.
Die Offroad-Neigung unterstreicht der Kleemann E50KCC durch eine um 30 mm angehobene Karosserie. Insgesamt 12 Distanzstücke sorgen hier für einen konstanten Abstand zum Fahrwerk, der sich dank der AIRMATIC Luftfederung nochmals um 20 mm ausweiten läßt. Allerdings bleibt der Schwerpunkt des Fahrzeugs vergleichsweise tief, weil Motor und Getriebe auf unverändertem Niveau im Chassis verbaut sind.
Eine höhere Bodenfreiheit erreicht der Kleemann E50KCC erst durch seine Rad-Reifen Kombination aus 18 Zoll Felgen und Reifen der Dimension 255/45-ZR18 sowie Radaufhängungen aus der S-Klasse. Optimierung von Rampenwinkeln sind kein Thema, weil der Wagen mit seinem Frontspoiler-Design und der Heckschürze auch noch ein auskömmliches Arrangement mit der Aerodynamik finden muß.
Damit ist festgelegt, daß der Kleemann Kombi einer ML- oder G-Klasse hinsichtlich Geländetauglichkeit nicht das Wasser reichen kann und will, anderen Fahrzeugen in dem Segment der Allradkombis dafür weitaus mehr als nur ebenbürtig sein dürfte. Denn der Leistungsausbeute des E50KCC haben Kontrahenten wie der Audi A6 Allroad oder Volvo Cross Country nichts entge-gen zu setzen.
Ein Griff in die linke Hosentasche. Die Fahrertür schwingt auf, mit einem typisch soliden Mercedes-Benz Innenraum bittet der Kleemann sehr höflich um Auslauf. Anders als beim ML klingt sein Motor etwas gezügelter aber immer noch ungeheuer kraftvoll. Auch hier minimiert eine großvolumige Sportauspuffanlage aus Edelstahl den Abgasgegendruck. Wie zwei Subwoofer grollen die zwei breiten Endstücke am Heck des Kombis bei sanftem Druck auf das rechte Pedal. Deutlich vernehmlich aber nicht zu aufdringlich.
Erst der beherzte Tritt auf das Gaspedal entfesselt ungeahnte Kräfte. Und ein beeindruckendes Klangwerk, das für Gänsehaut sorgt: Crescendo. Fortissimo. Der so kultiviert wirkende Kombi wandelt sich schlagartig zum Renntransporter. Kein Wunder, denn die Leistungsdaten hinsichtlich PS und Drehmoment entsprechen denen der Kleemann ML-Klasse: 595 PS bei 5.800 Umdrehungen pro Minute und ein maximales Drehmoment von 770 Nm bei 2.000 Umdrehungen pro Minute.
Aufgrund besserer Aerodynamik jedoch schnürt der E50KCC noch schneller auf die 100er Marke zu. Nach nur 4,9 Sekunden gleitet der Zeiger mühelos über die Tachomarkierung. Ein Ende des Vortriebs gebietet die elektronische Temposperre bei 250 km/h. Diese Grenze erfahren wir nicht, weil sie ohnehin viel zu schnell für die beschaulichen dänischen Straßenverhältnisse wäre.
Doch vermutlich wären sogar noch weitere 40 oder 50 km/h mühelos möglich. Der Kleemann-Kombi jedenfalls hat Kraft im Überfluß. Und die altgediente Mercedes-Benz 5-Gang Automatik setzt die Leistung in kompromißlosen Vortrieb um. Damit die Geschwindigkeit nicht zum gefährlichen Rausch wird, geht hinter den Leichtmetallfelgen eine kräftig zupackende Kleemann KB4 Acht-Kolben Hochleistungsbremsanlage mit innenbelüfteten Bremsscheiben (bis zu 380 x 34 mm) zu Werke.
Wer es insgesamt ein wenig moderater mag, kann auch einen E 240 T oder einen E 320 T bei Kleemann einliefern und nur einzelne Komponenten aus dem Regal auswählen. Das Kleemann typische Baukastenprinzip ermöglicht nahezu unzählige Kombinationen und Varianten.
Der schnelle Dänenkombi geht auf eine Idee von Torben Hartvig zurück, der mit dem E50KCC den „idealen Begleiter für Business und Freizeit schaffen wollte.“ So erfülle der Wagen seiner Auffassung nach vorbildlich den Zweck als schnelle Reiselimousine oder auch als Fahrzeug für die Jagd, zum Transport von Segel- oder Golfausrüstung. Im harten Offroad-Einsatz jedoch sieht auch Hartvig das Fahrzeug nicht: „Mit seinem Allradantrieb und der leicht erhöhten Bodenfreiheit ist der Kleemann-Kombi ideal für leichtes Gelände oder unbefestigte und verschneite Wege.“ Von letzterem konnten wir uns im winterlichen Farum selbst überzeugen.
Und die Kleemänner um Geschäftsführer Torben Hartvig und die Gründer Claus Ankjaer und Soren Jess haben noch Großes vor. Denn auch die neue GL-Klasse und die R-Klasse wollen die schnellen Dänen auf ihre Weise interpretieren. Glücklich diejenigen, die sich dann die Kleemann-Schlüssel in die Hosentasche stecken dürfen.
Text & Fotos: Mathias Paulokat