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Magazin

Iso Grifo 7 Litri

Volle Pulle!

Text: Mathias Paulokat
Fotos: Pawel Litwinski © Courtesy of Gooding & Company

Manchmal muss es eben mehr sein. Für die Hubraum-Fraktion gilt das ohnehin und ausnahmslos. Doch sieben Liter in einem italienischen Sportwagen sind eine Ansage, die auch Großkolben-V8-Fahrer aufhorchen lässt. Der Iso Grifo 7 Litri: in jeder Hinsicht maßlos. Salute!

Doch, schon: Renzo Rivolta kannte sich mit Behältnissen aus. Schließlich fußte der Grundstein seines Vermögens auf der Entwicklung und dem Verkauf von Kühlschränken. Hinzu kamen Klimaanlagen, Küchengeräte und Motorroller. Mit der Isetta, welche er international lizenzierte, war er in den 1950er Jahren schließlich reich geworden. Der Sprung vom 300-Kubik-Motörchen bis zum 7,0-Liter-Block schien allerdings denkbar groß. Alleine: er gelang.

Denn Rivolta strebte stets nach Größerem. Nach sportlichen Gleitern und bulligen V8-Motoren. Auf dem Turiner Salon 1962 präsentierte der Mailänder Industriemagnat seinen ersten eigenen Sportwagen. Es sollte der Beginn eines guten Jahrzehnts bemerkenswerten italienischen Fahrzeugbaus in der exponierten Nische werden. Der Iso Rivolta GT war überragend schnell, dabei beeindruckend komfortabel und von feiner italienischer Eleganz. Schon Classic Driver Kollege Jan Baedeker zitierte hier François Truffaut: „Was die Riva auf dem See, ist der Rivolta auf der Straße“.

Bertone trifft auf Big Bore V8

Renzo Rivolta gab in den 1960er Jahren richtig Gas. Bereits ein Jahr nach dem Iso Rivolta GT folgte der Iso Grifo. Hier offenbarte sich dem Betrachter einmal mehr die italienische Linie. Der Grifo zeigt klar das Grundmuster des Gran Turismo. Doch einfach gefällig wirkt der Grifo nicht. Er eckt im besten Sinne an. Denn seine Linien sind scharf gezeichnet und formen auch Ecken und Kanten aus. Doppelscheinwerfer kennzeichnen die Front, ein eigenwilliges Heck mit großer Scheibe ziert die Rückseite des Wagens. Giorgio Giugiaro, damals für Bertone tätig, verantwortete den Wurf, der in seinem Habitus ein wenig an einer Kreuzung aus Lamborghini und amerikanischem Big Bore Style erinnert. Technisch beteiligte sich eine weitere Größe an dem Projekt: kein anderer als Giotto Bizzarini entwickelte die Plattform für den Grifo.

Der Iso Grifo wurde zunächst mit einem 5,4-Liter V8 ausgeliefert. Der beförderte rund 300 PS an die Hinterräder. Reichlich Leistung, um der Konkurrenz aus den Häusern Ferrari, Lamborghini und Maserati Paroli zu bieten. Knapp 250 km/h lief der Grifo in der Spitze. Die großen Sportwagenmarken setzten in jenen Tagen meist auf weniger Hubraum, dafür auf zwölf Zylinder. Unter dem Strich bedeutete dies nominal ein Plus von einigen PS für die Konkurrenz. Das gefiel den Rivolta nicht – man wollte eines: mehr.

400 PS. Vierhundert!

Und so entstand nach einigen Tuningvarianten und Fahrzeugen mit 5,7 Liter Hubraum im Jahr 1968 der Iso Grifo 7 Litri. Nomen est Omen: Zum Einsatz kam hier ein 7,0-Liter V8-Motor von Chevrolet. Ein 427ci Aggregat, um präzise zu sein. Erhältlich war auch eine sogenannte Turbofire-Variante. Schlagartig stieg die Leistung auf 400 PS. Das saß: Angeblich sollte der 7 Litri Vergaser die 300 km/h Marke knacken. Renzo Rivolta erlebte dieses Fahrzeug allerdings nicht mehr. Er verstarb bereits 1966. Der 7 Liter Wagen ging auf seinen Sohn Piero Rivolta zurück. Dieser Grifo war allerdings auch deutlich kopflastiger. Das verlangte nach Eingriffen an Chassis, Fahrwerk und auch an der Karosserie. Auffälliges Merkmal hierbei: die rechteckige Lufthutze auf der Motorhaube. Diese war erforderlich, weil der große Motor nicht unter die Haube des Serien-Fahrzeugs passte. Im Jargon etablierte sich hier schnell der Begriff „Penthouse“, was bei genauer Betrachtung treffend und zugleich beschönigend wirkt. Die zusätzliche Lufthaube jedoch konnte nicht verhindern, dass der große Motor mit der thermischen Balance seine liebe Mühe hatte. Immer wieder platzten Motoren, was auch damals schon für eher unvorteilhafte PR sorgte.

Iso versuchte dies mit einem Nachfolgemodell zu heilen: dem Grifo Can Am, mit einem 7,4 Liter messenden Ableger des Turbofire-Motors. Doch auch der konnte den schwachen Absatz nicht heilen. Es kam, wie es kommen musste. Die Firma geriet ins Schwanken. 1973 veräußerte der noch junge Rivolta das Unternehmen an einen italienischen Geschäftsmann. Doch der agierte halbherzig, konnte auch keine Wende mehr einleiten und vermeldete nur ein Jahr später mangels Liquidität die Insolvenz. Und damit wurde auch der 7 Litri eingestellt. Schade eigentlich. Doch genau das kann passieren, wenn man einen zu großen Schluck aus der Pulle nimmt. Wer jetzt auch einmal kosten möchte: Das hier gezeigte Fahrzeug kommt im Januar 2012 bei Gooding im amerikanischen Scottsdale zur Versteigerung.

Technische Daten

Fahrzeugtyp: Gran Turismo

Hersteller: Iso, Mailand

Bauzeit: von 1968 bis 1975

Motor: V8, 7,0 Liter Hubraum, Vergaser

Leistung: ca. 400 PS

Getriebe: Viergang Schaltgetriebe

Antrieb: Heckantrieb

V-max: ca. 275 km/h bis 300 km/h

Gewicht: 1.400 Kilogramm

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