Zum Schaufensterbummel auf die Autobahn, bei 120 km/h – geht das? Ja. Auf der A2 bei Utrecht lädt der gläserne Automobilpalast Hessing’s Autobedrijven dazu ein. Vorbeifahrende vergessen kurzfristig, dass diese Geschwindigkeit eigentlich zu schnell für einen Blick ins Schaufenster ist und definitiv zu langsam, um über die Sportwagen und Luxusautomobile des holländischen Automobilhändlers zu sprechen. Wir haben das von Arie Hessing 1935 gegründete Automobilunternehmen Anfang Mai anlässlich der Lamborghini Roadshow besucht.
Die „Leidsche Rijn“ ist ein spektakulärer Lärmschutzwall, der in den Jahren zwischen 2000 bis 2005 geplant und ausgeführt wurde und sich entlang der A2 zwischen den Anschlussstellen Nr. 6 und Nr. 7 wie eine Kreuzung aus einer Schlange und einem Kampfjet erstreckt. Er ist einfach da, scheint nirgends anzufangen und nie aufzuhören. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Die Dynamik des Tempos ist in der Linienführung aufgenommen. In der Mitte sitzt das Herzstück, Hessing Autobedrijven – im Zentrum der unendlichen Linie. Das Architekturbüro ONL (Oosterhuis and Lénárd) beschreibt es so: „Die Schlange hat das Schwein verschluckt.“ Nach diesem Prinzip wurde in der Mitte des Walls das Autohaus geplant, das sich am Cockpit eines Starfighters orientiert. Auch die Assoziation zu einem Raumschiff läge nahe.
Zur Autobahn schillert das Schaufenster gläsern wie ein Sonnensegel. Mit einem schlichten Einstieg, das Innenleben schützend präsentiert sich Hessing von außen. Im Inneren begibt man sich in die Schwerelosigkeit des Seins, des Reiches der Luxusautomobile, die sich auf durch Rampen verbundenen unterschiedlichen Ebenen, die kaum merklich Abgrenzungen schaffen, präsentieren. Marken wie Rolls-Royce, Bugatti, Lotus, Bentley, Maserati, und Lamborghini scheinen in der Neutralität der Schwerelosigkeit zu schweben.
Gleichzeitig verliert das Unterbewusstsein des Betrachters durch die stete Sicht auf die Autobahn selbst in diesem erhabenen Ambiente nie den Drang nach „Fast Forward“. Die einzelnen Ebenen ermöglichen Blicke vom Verkaufsraum durch den Servicebereich auf die A2 – das Tempo ist überall zu spüren und dennoch scheint im Gebäude die Zeit wie angehalten. Alles ist piek fein an seinem Platz, selbst in der Werkstatt. Wir befinden uns in der Schwerelosigkeit, das ist jetzt angekommen.
Der Stolz im Gesichtsausdruck der bronzenen Büste des Firmengründers im Entré ist berechtigt, es ist ihm gelungen, über viele Jahrzehnte aus einem einst kleinen Familienbetrieb ein florierendes Luxusunternehmen aufzubauen. Der Stolz des Architekten ist die innovative Konstruktion des Gebäudes, welches die fließenden Linien des Lärmschutzwalls aus Stahl, Plexiglas und Metall mit der Hightech-Glasfassade des Showrooms verbinden.
Die Fertigung der einzelnen Segmente, der dynamischen Außenhaut des Gebäudes und des Lärmschutzwalls ist nur durch die Integration von Entwurfs- und Fertigungsprozessen ermöglicht worden. In diesem Gebäude treffen Innovation und Tradition zu einer perfekten Synthese zusammen – und wie immer wirkt die Perfektion, als wäre sie das einfachste Grundprinzip der Welt.
Weitere Eindrücke und Informationen erhalten Sie unter www.hessing.nl.
Text: Nanette Schärf
Fotos: Nanette Schärf / ONL
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