Froschkönigsgrün, Pulverschneeweiß, British Racing Yellow- zum Saisonauftakt in der französischen Schweiz zeigen sich Traditionalisten wie Newcomer in frühlingshaft-experimenteller Farbenpracht. Classic Driver hat das automobile Star-Defilee exklusiv beobachtet und für Sie die spannendsten Konzepte, schnellsten Sportler und elegantesten Präsentationen ausgewählt.
Wie ein glänzender schwarzer Wal wirkt der Rolls-Royce Long Wheelbase hier im Schummerlicht. Ich gehe neben seiner gewaltigen Flanke in die Knie, um dem Scheinwerferkegel des Nachtwächters auszuweichen und sprinte rüber zu Maybach, um mich in einem der majestätischen Fonds nur kurz aufs Ohr zu legen, ehe ich in Halle 2 ein paar Runden mit dem offenen Pagani drehen werde. One Night in Geneva – das wäre wohl die perfekte Reportage gewesen. Doch leider mussten wir - gerade im Schutz der Dunkelheit ans Tor der Palexpo herangeschlichen - feststellen, dass unser „Fest Tool“ Bolzenschneider leider im Taxi liegengeblieben war. Wir schlagen uns also in die Büsche und warten, am nächsten Morgen mit der Welle internationaler Fachjournalisten ganz offiziell in die Hallen getrieben zu werden.
Den – für uns interessanten - Premierenauftakt machten an diesem ersten Pressetag die Ingolstädter mit dem brachialen Audi RS4 in signalroter Lackierung. Mit 420 PS Leistung soll die Hochdrucklimousine das 25. Jubiläum des quattro-Antriebs einläuten und gleichzeitig dem neuen BMW M3, der in Kürze vorgestellt wird, das Wasser abgraben. Ungewohnt stilvoll und dezent geht es in direkter Nachbarschaft bei der Tochtermarke Lamborghini zu, die sonst eher mit testosterongeschwängerter Agressivität auf sich aufmerksam machte. Schlichter scharzer Stand, elegante italienische Damen im gleichen Ton und drei Modelle in Pulverschneeweiß – Armani und Apple standen wohl Pate. Hauptattraktion der Mittelmotor-Spezialisten ist der Lamborghini Concept S – eine charmante Roadsterversion des Gallardo mit geteilter Fahrerkabine. Kennen wir das nicht noch von aus der TV-Serie Batman und Robin?
Blitzlichtgewitter vom nächsten Stand beendet den kurzen Exkurs in die Welt der Superhelden - gerade lässt man die Hüllen des neuen Bentley Continental Flying Spur zu Boden sinken. Die Limousine auf Basis des erfolgreichen Sportcoupés Conti GT ist von einer knipsenden Heerschar asiatischer Kollegen belagert, doch der Weg durch die Menge lohnt sich: Die Tür des „fliegenden Sporn“ fällt mit einem satten Geräusch ins Schloss und auf einmal herrscht völlige Ruhe. Der Fahrersessel passt wie maßgeschneidert, die dunkelbraunen Lederbezüge schmeicheln dem Auge – und würde der Schlüssel stecken, mir kämen trotz aller Genfer Konventionen nicht die leisesten Skrupel, das Gaspedal voll durchzudrücken und die maximale Beschleunigung der 560-PS-Limousine auf dem Weg nach draußen, Richtung Autobahn, persönlich zu testen.
Das nächsten Premieren folgen im Dreierpack: Erst demonstriert der Maserati Birdcage 75th von Pininfarina, wie man gleichzeitig ein Firmenjubiläum begehen, zwei großen Marken – nämlich Maserati und Motorola – den Bauch kraulen und gleichzeitig mit einer wirklich avantgardistischen High-Tech-Rennwagen-Studie den anderen Designbüros die Show stehlen kann. Nummer zwei ist der Bertone Villa – eine Art automobile Vitrine auf Basis des Cadillac SRX und aus Sicht der Designer die Zukunft des Einsteigens. Teil drei liefert der Mitsubishi Nessie von Giugiaro in Form einer SUV-Studie mit – wie der Name verrät – Wasserstoff-Antrieb. Nach der gefeierten Enthüllung des Alfa Romeo Brera vor drei Jahren scheint sich das Designbüro nichts mehr beweisen zu müssen.
Weitaus südländischer geht es bei der Premiere des neuen Ferrari 430 Spider zu: botox- und wasserstoffperoxid-affine Damen in engen Rennanzügen, roter Lack und schwarzes Gummi dominieren den Stand der Vorzeigesportler. Neben dem neuen Cabriolet enthält man dem – vorzugsweise männlichen – Publikum natürlich auch nicht die weiteren Kreationen aus der jüngsten Vergangenheit, wie den Scaglietti und den Superamericana vor. Wohl übrigens dem, der sich an den Publikumstagen aus welchem Grund auch immer zum Ferrari-Stand durchboxen muss. Den Abstand zum springenden Pferd scheint Maserati nach der Übernahme durch Fiat auch in Genf präsentieren zu wollen. Betont zurückhaltend zeigt man die aktuelle Modellpalette sowie die Rennschleuder Maserati MC 12.
Besondere Spannung versprechen beim automobilen Schaulauf des Genfer Salons traditionell die Kleinsthersteller aus dem Supersport-Segment. Der Pagani Zonda F ist mit einem 7,3 Liter V12-Triebwerk mit 602 PS aus dem Hause AMG angereichert und spurtet unter 10 Sekunden auf 200 km/h. Dass auch die flachen Niederlande eine anregende Wirkung haben können, beweist der rund 325 km/h schnelle Spyker C12 La Turbie, der ab 2006 mit Audi W12-Motor für rund 290.000 Euro zu kaufen ist. Besonders medienwirksam inszenierten sich die Schweden: Während der Pressekonferenz bestätigte Firmengründer Christian von Koenigsegg, dass der Koenigsegg CCR am 28. Februar 2005 in Nardo mit 388 km/h einen neuen Weltrekord für Seriensportwagen aufgestellt hatte. Der McLaren F1 als bisheriger Rekordhalter war damit um mehr als 15 km/h abgeschlagen.
Nicht ganz so schnell, aber dafür umso spannender präsentierte sich die Londoner Newcomer-Firma Fenomenon: Mit ihrer giftgrünen Reminiszenz an den legendären Lancia Stratos und dem ursprünglichen Konzept von Bertone in fluoreszierendem rot, das bereits 1970 auf dem Genfer Salon präsentiert worden war, ist der britische Stand sicherlich eines der Highlights der Show. Der Fenomenon Stratos ist übrigens nicht der einzige Prototyp mit Vergangenheitsbezug. Einige Meter weiter präsentiert die italienische Automanufaktur VGM Motors den Bizzarini GTS 4.4 V – ein rassiger Sportwagen mit Frontmotor mit 530 PS und 710 Newtonmetern.
Den Sprung von den Nischenherstellern zu den großen Marken verspricht sich momentan Aston Martin mit dem neuen „Einsteigermodell“, dem Aston Martin V8 Vantage. „This car is hot!“ attestierte Vorstand Dr. Ulrich Bez dem neuen, quietschgelben Modell in charmantem Schwäbisch-Englisch. Und tatsächlich ist der neue Achtzylinder eine positive Überraschung in der gebeutelten Premium Automotive Group von Ford. Der Innenraum ist sportlich, einheitlich-elegant und nicht so Plastik-affin wie bei früheren Modellen; die Karosserieform lässt auf eine direkte Konkurrenz zu Porsche und Co hoffen.
Die zweite interessante Neuvorstellung aus der Ford-Familie ist der Range Rover Sport. Das Interieur könnte zwar kaum künstlicher anmuten, ist aber – nach dem ersten Probesitzen – äußerst bequem und praktisch. Nur einen Stand weiter präsentiert das Jaguar Advanced Lightweight Coupé einen Ausblick auf die kommende Designlinie der Marke und gleichzeitig einen Vorgeschmack auf den Nachfolger des XK8.
Die gegenüberliegende Seite der Halle wird von den Italienern dominiert: Lancia und Zagato beweisen vor allem Geschmack bei der Ausstattung der Hostessen, Fiat besinnt sich auf frühe Designlinien und Alfa präsentiert mit dem begehrenswerten Alfa Romeo Brera eines der meistgefeiertsten Serienmodelle der Messe – natürlich ebenfalls mit einer attraktiven Dame auf der roten Haube. Im Zickzacklauf führt der Weg vorbei am brachialen, 660 PS starken Brabus SLR und dem gewohnt nüchternen Stand von Porsche – neuer Boxster, neues 911er Coupé, 911er Cabrio - in Richtung BMW und Mercedes. Die Bayern zeigen den neuen Dreier, den M6, den Einser in 130i-Motorisierung und den BMW 7er in gelifteter Version. Stuttgart kontert mit einer ganzen Diesel-Konzept-Formation inklusive SLK und SL in faszinierender Bi-Metal-Lackierung und enthüllen mit der Mercedes B-Klasse und der R-Klasse die neuen, avantgardistischen Raumwunder der Modellpalette.
Den Kampf der Titanen lieferten sich derweil Rolls-Royce und Maybach, die auf den jeweiligen Ständen ihrer Mutterfirmen in Sichtweite zueinander standen. Der Maybach 57 Spezial soll mit zeitgenössischem Innenraum und neuem, ultrastarken V12-Biturbomotor neue Kunden auf dem ohnehin spärlich besiedelten Markt generieren. Mit dem Rolls-Royce Phantom Long Wheelbase verfolgt man Gegenüber zwar das gleiche Ziel, jedoch mit anderer Taktik: Die mehr als sechs Meter Lange Chauffeurslimousine soll die Kunden ansprechen, denen einer normaler Phantom bisher zu knapp bemessen erschien. Als dritter, seit Jahren immer wieder gern gesehener Gast aus dem High-Luxury-Segment stand auch in diesem Jahr der Bugatti Veyron zur Verfügung. Anscheinend soll die Produktion in Kürze anlaufen – man darf gespannt sein.
Mehr Informationen und Bilder zu den einzelnen Neuvorstellungen finden Sie hier.
Text & Fotos: Jan Baedeker
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