Als vor 79 Jahren der Salzburger Automobilclub das erste Mal zum Gaisbergrennen einlud, brauchten die Stars rund zehn Minuten für den steilen Aufstieg. Dieses Tempo ist heute Grundlage einer gemütlichen Gleichmäßigkeitsprüfung. Bei der sechsten Neuauflage des Österreich-Klassikers waren 165 Oldtimer am Start und zehntausend Zuschauer an der Piste
Hans Herrmann war hier, der legendäre Graf Berghe von Trips und der nicht minder legendäre Rudolf Carraciola – die Liste der prominenten Starter ist fast länger als die 8652 Meter malerisch gewundener Piste auf den Gaisberg hinauf. Der Salzburger Hausberg gab dem weltberühmten Bergrennen den für die damaligen Automobilfans faszinierenden Namen. Gaisbergrennen, das klang vor dem Krieg bis in die späten 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wie Nordschleife am Nürburgring oder die Mille Miglia von Brescia nach Rom und zurück in zwei Tagen.
Seit der Salzburger Rallye-Club SRC vor sechs Jahren den Bergklassiker zu neuem Leben erweckt hat, sind es nicht die legendären Rennfahrernamen, sondern die klangvollen Automarken, die damals wie heute tausende Fans zum bekanntesten und größten Bergrennen in Österreich locken. „Es freut nicht nur den Veranstalter, sondern auch den Zuschauer, dass wir jedes Jahr aus einem größeren Bewerberfeld auswählen können“, sagt Hermann Schwarz, der beim SRC für die historische Bewertung der Fahrzeuge zuständig ist. „Heuer ( = östereichisch für „dieses Jahr“) mussten wir die Hälfte der Anmeldungen zurückweisen.“
Entsprechend auserlesen ist das Starterfeld, das für den Zuschauer optische Leckerbissen bietet, für den Kenner spektakuläre Raritäten: Seltenheiten wie den deutschen Veritas-RS-Rennwagen von 1949, ein Borgward H 1500 RS, Gaisbergsieger 1957 mit Hans Herrmann, oder ein österreichischer Steyr Klausen Sport mit für das Baujahr 1926 sagenhaften 150 PS Leistung. Und die meisten Fahrzeuge erzählen Geschichten. Florian Piech kam mit einem silbernen Porsche 904 Carrera GTS, dessen Fahrleistung selbst dem Erstbesitzer, dem legendären Mille-Miglia-Gewinner Sterling Moss, den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Nach nur wenigen Einsätzen verkaufte der Engländer den unberechenbaren Porsche und stieg wieder in britische Sportwagen. Oder der außergewöhnlich weiß lackierte Ferrari 250 Competizione mit der Startnummer 142, der einst in Maranello für Alfonso de Portago gefertigt wurde. Der spanische Grande feierte in den 50er Jahren seine größten Erfolge zusammen mit seinem amerikanischen Freund Ed Nelson, ehemals Fahrstuhlführer im New Yorker Plaza-Hotel und 1957 mit von der Partie, als der unverschämt gut aussehende Spanier bei der Mille Miglia mit Tempo 200 in eine Zuschauergruppe raste. De Portago, Nelson und zehn Zuschauer starben – das Ende der Mille Miglia war besiegelt und auch alle anderen Straßenrennen kamen ins Gerede.
Das weltweite Revival von Motorsportveranstaltungen mit klassischen Oldtimerfahrzeugen hat diese Kritik ebenfalls wieder aufleben lassen. Dieses Jahr unterstützt von einem bösen Ausrutscher. Bei der Auftaktveranstaltung zum Gaisberg-Rennen 2008 – dem bei Zuschauern und Fahrern gleichermaßen beliebten Stadtkurs in Salzburg - kracht ein Porsche 356 Speedster in ein Absperrgitter und verletzt vier Zuschauer, zum Glück nicht allzu schwer. Der Stadt-Grand-Prix, die einzige Veranstaltung dieser Art in Europa, wird nach nur wenigen Runden abgebrochen und österreichische Umwelt-Aktivisten fordern sofort ein generelles Verbot von Rennsportveranstaltungen weltweit.
Dabei geht es bei der stetig wachsenden Zahl von Oldtimer-Rennen gar nicht um Tempo sondern um Beständigkeit. Das Rennen auf den 1288 Meter hohen Gaisberg gewinnt nicht der Schnellste, sondern der Fahrer, der die 8652 Meter Strecke drei Mal möglichst exakt in einer vorgegebenen, jedes Mal wechselnden Zeit bewältigt. Gleichmäßigkeitsprüfung heißt das im Fachjargon, und dauert um die zehn Minuten, Zeit genug, um die traumhaften Ausblicke auf Salzburg und Untersberg, Bischofsmütze und das bayerische Tennengebirge zu genießen. Gleichgültigkeitsprüfung sagen die Anhänger der Speedfraktion, treten vehement aufs Gaspedal und parken an der Zistelalpe für ein paar Minuten, um das Ziel in der erwünschten Zeit zu erreichen. Immerhin schaffen die Besten den Gaisberg in unter dreieinhalb Minuten, was einem Durchschnitt von mehr als 150 Stundenkilometern entspricht. Schneller war nur Orkan Kyrill, der im Januar 2007 mit Tempo 216 um die Gaisbergspitze tobte.
Und natürlich geht es auch um das Sehen und Gesehen werden: Es ist schon ein außergewöhnlicher Anblick, wenn sich 165 hochkarätige Veteranen auf dem Gelände des Schlosshotels Fuschl zur Mittagspause einreihen. Der Schlossherr und Gastgeber Stefan Schörghuber ist selbst ein echter Oldtimernarr und hat sein Hotel speziell auf die Bedürfnisse der Fahrzeugbesitzer eingerichtet, mit Steckdosen an jedem Stellplatz und Sicherheitstüren an der Garage. Dafür erhält sein Mercedes SSK den Ehrenplatz, direkt vor der Schlosstreppe.
Kurz zuvor hatte das 200-PS-Monster bei der Wertungsprüfung auf dem Salzburgring noch Renn-Atmosphäre geschnuppert. Auch hier geht es um die Gleichmäßigkeit, wobei sich jeder Fahrer selbst seine Referenzzeit vorgibt und diese Rundenzeit drei Mal möglichst exakt wiederholen muss. Kenner schwören dabei auf die Vollgasmethode: Wer sein Fahrzeug beherrscht und jedes Mal ans Limit geht, fährt automatisch alle Runden gleich schnell. Allein schon akustisch ist es ein Leckerbissen, wenn ein 650 Kubikzentimeter winziger Steyr Puch TR gegen den Sieben-Liter-SSK-Kompressor röhrt. Zahlenmäßig war am Gaisberg übrigens eindeutig die Porschefraktion überlegen, die heuer (siehe oben) den 60. Geburtstag des allerersten Porschefahrzeugs feiert. Allein 34 Starter traten mit den Zuffenhausener Sportgeräten an, darunter Raritäten wie der Denzel 1500, ein Enzmann 506 Spyder oder der 718 RS 60, gesteuert von Rennlegende Rudi Lins, der 1967 immerhin Bergeuropameister wurde. Mit dem Ausgang der Gaisbergwertung hatte er diesmal allerdings nichts zu tun. Den Gesamtsieg holte sich ein österreichisches Pärchen auf einem schlichten Volvo 122 S.
Text & Fotos: Joachim Beck
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