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Fetisch Auto: Ausstellung im Museum Tinguely in Basel

Das Automobil gilt als wichtigstes Kulturgut des 20. Jahrhunderts. Eine Ausstellung im Basler Museum Tinguely erforscht nun die Wechselbeziehungen zwischen Automobil und Kunst. Rund 160 Kunstwerke – von den italienischen Futuristen über Andy Warhol und Gerhard Richter bis zu Richard Prince und Pippilotti Rist – sind zu sehen.

Seit seiner Erfindung vor 125 Jahren hat das Automobil als technisches Gerät und Fortbewegungsmittel die westliche Welt entscheidend geprägt. Ein Blick in unsere Städte zeigt, wie umfassend die moderne Zivilisation sich der automobilen Individualmobilität verschrieben hat. Gleichzeitig war das Auto aber auch immer von kultureller Bedeutung: Mit kaum einer Machine pflegen die Menschen einen vertrauteren Umgang. Als mobiles Wohnzimmer, alltägliches Fluchtmittel und natürlich Status- und Individualitätssymbol hat das Auto seit dem frühen 20. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung gewonnen. Und während die Geschwindigkeit unsere Raum- und Zeitwahrnehmung veränderte, prägt der Blick durch die Windschutzscheibe bis heute unseren filmischen Blick auf die Realität. Dass sich auch die Kunst diesem vielseitigen Kultobjekt, dieser „Imaginationsmaschine“ annehmen sollte, war deshalb nur eine Frage der Zeit.

Fetisch Auto: Ausstellung im Museum Tinguely in Basel Fetisch Auto: Ausstellung im Museum Tinguely in Basel

Die Ausstellung „Fetisch Auto. Ich fahre, also bin ich“, die vom 8. Juni bis 9. Oktober im Museum Tinguely in Basel zu sehen ist, erschließt das weite Feld der vom Automobil inspirierten Kunst in einem hundert Jahre übergreifenden Panorama, das rund 160 repräsentative Kunstwerke von 80 Künstlern gegenüber und nebeneinander stellt. Anhand des Fetischismusbegriffs soll dabei die komplexe Beziehung zwischen Mensch und Automobil sowie deren symbolischer Überbau untersucht werden. Die Schau beginnt mit den italienischen Futuristen um Filippo Tommaso Marinettis, die das Automobil vergötterten, Raserei predigten und die Schönheitsideale der Antike bereits von donnernden Rennwagen vom Sockel gestoßen sahen. Als Illustration dieses frühen Technikoptimismus dienen die Bilder von Giacomo Balla und Luigi Russolo mit ihrer Glorifizierung von Licht, Schall und automobilem Geschwindigkeitsrausch. Kritischer wurde das Auto derweil im Kontext des religiösen Fetischismus, des sexuellen Fetischismus und des Warenfetischismus von Künstlern wie Chris Burden, Walker Evans, Superflex, Richard Prince, Pipilotti Rist oder dem kalifornischen Kollektiv Ant Farm thematisiert. Robert Frank, Jacques-Henri Lartigue und Roman Siger stellten derweil den Unfall ins Zentrum ihrer Arbeiten, während etwa für Horst Baumann oder Man die Geschwindigkeit bzw. für Julian Opien oder Michael Sailstorfer der Verkehr an sich als Ausgangspunkt dienten. Im Kern der Ausstellung steht zudem Damian Ortegas Arbeit „Cosmic Thing“, ein als Explosion in den Raum expandierender VW Käfer.

Natürlich darf im Museum Tinguely auch der große Künstler und Automobilenthusiast Jean Tinguely nicht fehlen, schließlich bezeichnete er das Automobil mitunter als „schönstes Kunstwerk der Welt“. So funktionierte er zwei Rennwagen-Chassis zu einem Flügelaltar um, erinnerte mit einer Fahrskulptur aus einem Renault Safari an die Vergänglichkeiten der westlichen Konsumkultur oder arrangierte Eva Aepplis "Die fünf Witwen" mit einem von ihm erworbenen Lotus Rennwagen (einst gefahren von Weltmeister Jim Clark) zu einer Memorialassemblage für den oft tödlichen Rennzirkus der Formel 1. Der „rasende Jean“ sammelte fanatisch Autos, vorzugsweise von der anspruchsvollen Marke Ferrari, war aber auch für seine Unfälle berühmt, und pflegte eine zugleich euphorische wie pessimistische Beziehung zum Automobil, wie sie exemplarisch wohl für die gesamte Ausstellung stehen könnte.

Fetisch Auto: Ausstellung im Museum Tinguely in Basel Fetisch Auto: Ausstellung im Museum Tinguely in Basel

Die Ausstellung "Fetisch Auto. Ich fahre, also bin ich" ist vom 8. Juni bis 9. Oktober 2011 im Museum Tinguely in Basel zu sehen. Weitere Informationen finden sich auf der Website tinguely.ch.

Zusammen mit dem Museum Tinguely verlosen wir 10 x 2 Eintrittskarten. Schreiben Sie uns eine Mail mit dem Betreff "Fetisch Auto" an [email protected], die ersten zehn Einsender werden belohnt.

Text: Jan Baedeker
Fotos: Museum Tinguely