Meine erste bewusste Begegnung mit Derek Bell erfolgte 1998 anlässlich der Ennstal Classic Rallye. Derek war gemeinsam mit seiner Frau Mysty am Start mit dem Ferrari 365 GTB/4 von Josef Panis, ich startete als Beifahrer von Willy Rabl mit meinem Fiat Dino Spider. Da beide Autos Jahrgang 1971 waren, trafen wir uns praktisch bei jeder Zeitkontrolle und kamen ins plaudern...
Derek interessierte sich für den Dino und erzählte, dass seine Karriere als Werksfahrer für Ferrari auf einem Dino 1968 begonnen hatte. Da erinnerte ich mich, dass ich bereits 1968 beim Formel 2-Rennen in Langenlebarn einige Fotos von den Ferrari Dinos gemacht hatte. Ich versprach Derek, in meinem Archiv nachzusehen, da er erwähnte, von den F2-Ferraris keine Bilder zu haben. Gesagt, getan – ich wurde in meinem Archiv fündig und fand Bilder von den F2-Ferraris, darunter auch Fahraufnahmen von Derek. Ich schickte ihm diese und Derek freute sich wirklich über die Erinnerungen an seine frühen Rennfahrerjahre. Von da an trafen wir uns regelmäßig, nicht nur bei der Ennstal Classic, sondern auch bei einigen Fahrerlehrgängen des Ferrari Club Austria auf dem A1-Ring. Und mit Derek Bell einige Runden auf einer Rennstrecke zu drehen ist ein echtes Erlebnis: die Präzision, mit der er jeden Zentimeter der Strecke ausnützt und dabei das Auto schnell, aber dennoch schonend bewegt, ist einfach faszinierend.
Bei einem dieser Lehrgänge waren auch Richard Attwood, Le Mans-Sieger 1971 auf Porsche 917 und Peter Hardman in Österreich dabei, die dem Training natürlich einen besonderen Stellenwert gaben. Peter Hardman ist in der Zwischenzeit einer der gesuchtesten Oldtimer-Piloten in Europa und Werner Fessl und ich trafen ihn unter anderem im Vorjahr bei der Tour Auto, wo er einen Ferrari 250 LM pilotierte. Er belegte dort Platz 2 hinter Chris Giles im Ford GT 40. Eine Neuauflage dieses Duells wird es übrigens im Juni bei der Modena Cento Ore Classico geben.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich somit eine echte Freundschaft zwischen Derek Bell und mir und als ich ihm einmal vom Dino-Register in Österreich erzählte, war er sofort bereit, seine Erinnerungen an die Zeit mit den Ferrari Dino F2 und Tasman-Dino niederzuschreiben. Nachstehend somit diese exklusiven Erinnerungen von Derek Bell an die Dino-Tage, die eigentlich den Beginn seiner Profi-Karriere darstellten...
Rudolf Schraml, Mai 2004
Memories of my Dino-Days
Ich habe 1964 mit dem Rennsport begonnen und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich eines Tages nach Maranello berufen werden könnte. Ich war in der Formel 3 recht erfolgreich und wechselte dann in die Formel 2, wo ich unseren eigenen Brabham fuhr, ein ideales Auto für einen Privatfahrer, um damit in Europa „in die Schlacht zu ziehen“. Die Saison 1968 kostete uns 10.000 Pfund für den Einstieg und dazu kamen die laufenden Kosten. Die Finanzierung hatte mein Stiefvater übernommen, der in der Boxenstraße nur „Der Colonel“ genannt wurde. Bei meinem ersten Rennen in Hockenheim verunglückte mein Idol Jim Clark auf tragische Weise, was meiner Begeisterung für den Rennsport natürlich einen Dämpfer versetzte. Nichtsdestotrotz sprach mich beim Formel 2-Rennen in Crystal Palace im Juni Keith Ballisat von Shell an und fragte, ob ich am nächsten Tag nicht den Ferrari Dino Formel 2 von Jacky Ickx testen wolle.

Bei meinem ersten Rennen für Ferrari, Ende Juni in Monza, hatte ich noch keinen Vertrag unterschrieben – ich war reichlich nervös wegen des Drucks und hatte keinen Manager – schließlich war ich in meiner vierten Rennsaison und ziemlich naiv. Überraschenderweise landete ich auf der Pole Position vor drei Werkswagen und 40 anderen Rennwagen.

Nach diesem Desaster kehrte ich nach England zurück und rechnete nicht mehr damit, jemals wieder von Ferrari zu hören – schließlich hatten wir ja noch keinen Vertrag unterzeichnet. Ein paar Tage später wurde ich nach Maranello zitiert, um den Vertrag zu unterzeichnen. Wie ein Blitz war ich dort – wenn die mich wirklich wollten, an mir sollte es nicht scheitern. Als ich das Büro in Erwartung einer Kopfwäsche durch Ing. Gozzo betrat, wurde ich mit „Gratulationen zu Ihrer großartigen Pole Position, hier sind $1.000,-. Wir sind mit Ihrer Leistung sehr zufrieden!“ empfangen. Na ja, ich hatte schließlich nur zwei nagelneue Autos verschrottet!

Als nächstes stand die „ Tasman Serie“ am Programm – vier Rennen in Neuseeland und drei in Australien an aufeinanderfolgenden Wochenenden ab Anfang Januar. Zusammen mit Chris Amon sollten wir den Dino fahren, allerdings nicht mit dem 1600-ccm-Motor sondern mit einem 2400-ccm-Motor – welch ein Unterschied beim Drehmoment! Ich holte zusammen mit meinem Mechaniker die Autos in Maranello ab und wir brachten sie mit einem zweistöckigen Anhänger nach England, von wo sie nach Auckland (Neuseeland) verschifft wurden – eine aufregende Reise mit unserer wertvollen Fracht. Wir hatten viele Motoren für die sieben Rennen – nicht genug wie sich zeigen sollte.

Jochen Rindt und Graham Hill starteten auf 2,5 Liter Lotus-Cosworth und Peirs Courage hatte den gleichen Motor in Frank Williams Brabham-Cosworth. Frank Gardener und einige Lokalmatadore starteten in etwas weniger leistungsstarken Fahrzeugen. Es war wunderbar zur Tasman Serie eingeladen zu werden. Wir wurden wie Prominente behandelt. Der Dino war sehr wettbewerbsfähig und wir hatten einige großartige Rennen. Unglücklicherweise gab der Motor im zweiten Rennen in Levin seinen Geist auf, gerade als ich im Vorlauf das erste und letzte Mal in meinem Leben Jochen Rindt geschlagen hätte.

Ich war mir bewusst, dass noch fünf Rennen vor uns lagen, daher sparte ich an Drehzahl und Trainingskilometer, wodurch meine Erfolgschance sicherlich reduziert wurden. Chris und ich konnten dennoch beim „GP von Australien“ die beiden ersten Plätze erringen – ausgerechnet an Enzo Ferraris 70.Geburtstag! Auf nasser Strecke lag der Dino so gut, dass Warwick Farm (Sydney) hinter Rindt den zweiten Platz erringen konnte. Chris gewann die Meisterschaft und die beiden Autos überstanden die Serie unbeschädigt. Ich hatte viel gelernt und wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Ferrari arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits am 12-Zylinder Boxer für 1970 und hatte deswegen wahrscheinlich nicht mehr die Zeit sich der Weiterentwicklung des Dinos zu widmen. Für die Saison 1969 war unser Formel 1 Programm drastisch reduziert. Seither hatte ich mehrfach Gelegenheit, meinen Tasman Dino bei Veranstaltungen wieder zu bewegen und wertvolle Erinnerungen an einem ganz besonderen Abschnitt meines Lebens nachzurufen.
Derek Bell – motorsportlicher Lebenslauf | |
Geboren
am 31. Oktober 1941 |
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1964 | Beginn der Motorsportlaufbahn auf LOTUS 7, gewinnt sein 1. Rennen in Goodwood |
1965 | Einstieg in die Formel 3 (Lotus Ford), Vielzahl von Siegen in den Jahren 65 - 67 |
1968 | erste
Formel 2 Rennen mit einem privaten Brabham Ford Testfahrt für Ferrari / Pole Position im ersten F2 – Rennen für Ferrari (Monza) |
1968/1969 | Werksfahrer von Ferrari in der F2, Tasman-Serie und bei einigen F1 –Rennen |
1969-1974 | diverse F1 – Einsätze für McLaren, Brabham, Surtees, Tecno und Einstieg in die Sportwagen – Weltmeisterschaft |
1975 | Gesamtsieg - 24 Stunden von Le Mans (Mirage-Ford) |
1981 | Gesamtsieg – 24 Stunden von Le Mans (Porsche 936) |
1982 | Gesamtsieg – 24 Stunden von Le Mans (Porsche 956) |
1985 | FIA – World Sports Car Champion |
1986 | FIA – World Sports car Champion / Gesamtsieg – 24 Stunden von Le Mans (Porsche 962) |
1987 | Gesamtsieg – 24 Stunden von Le Mans (Porsche 962) / Gesamtsieg – 24 Stunden Daytona (Porsche 962) |
1989 | Gesamtsieg – 24 Stunden Daytona (Porsche 962) |
1995 | besonderes Le Mans Erlebnis: 3. Platz, gemeinsam mit seinem Sohn Justin (McLaren F1) |
1998 | Auszeichnung als „Greatest Sportscar Driver in the last 50 years“ |
seither | als
Kommentator (Live als Teilnehmer!) bei Rennen in den USA (Audi S4, Volvo),
F1 Kommentator für Foxsport (USA), Konsulent und Testfahrer für Bentley beim Wiedereinstieg in die Sportwagen-Szene, regelmäßiger Teilnehmer an der Ennstal Classic in Österreich |
Text & Fotos: Dipl. Ing. R. Schraml / Übersetzung: W. Buchta