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Ferrari Dino 246 GT: Gefahren von Rauno Aaltonen

Im September 2000 hatte ich, nach der Ennstal Classic, die Gelegenheit zu einer ausgedehnten Probefahrt mit einem FERRARI Dino 246 GT. Es handelte sich dabei um den Wagen mit der FG-Nr. 2086, der im Herbst 1971 in Maranello das Licht der Welt erblickte. Nach einer umfassenden Restauration Anfang der 90er Jahre präsentiert sich der Wagen meines Freundes Rudolf Schraml heute in einem fast perfektem technischen und optischen Zustand. Seine Qualitäten hatte dieses Auto erst die Tage davor mit dem Gesamtsieg bei der Ennstal Classic 2000 unter Beweis gestellt.

Für mich war es die erste Begegnung mit einem Ferrari Dino, die zunächst auch bei mir einige Emotionen auslöste: Ferrari ist ein automobiles Heiligtum, dem man sich mit gemischten Gefühlen nähert. Es dominiert vollendete Technik, verpackt in höchste automobile Ästhetik. Ich habe versucht, mich dieser Ästhetik und dem Nimbus der Marke Ferrari zu entziehen, um das Auto und seine Eigenschaften etwas weniger subjektiv zu sehen. Bei einer derartigen Betrachtung ist auch immer zu berücksichtigen, mit welchen Zielsetzungen ein Auto gebaut wurde. Beim Dino 246 GT handelt es sich um ein Auto, gebaut Anfang der 70er Jahre zum sportlichen Fahren, bei dem wenig Kompromisse gemacht wurden. Dies unterstreicht das Konzept des Dino, handelt es sich dabei doch um den ersten Ferrari mit Mittelmotor.

Der Motor (V 6 mit dem Dino-spezifischen Zylinderwinkel von 65 °, 2.418 ccm - 195 PS) war bereits warmgefahren, so dass ich mich sofort auf das Fahren und Fühlen konzentrieren konnte. Und der erste Eindruck war bereits ein extrem Positiver: Das Auto vermittelte über alle Sensoren wie Lenkung, Sitzgefühl und Akustik ein sehr direktes Gefühl der Verbindung zur Straße, war dabei für einen Sportwagen der beginnenden 70er Jahre aber sehr bequem. Eine derart direkte Verbindung zur Straße vermittelt kein heutiges Auto mehr!

Die Überraschung der ersten Kilometer war für mich: Die sportlichen Eigenschaften, die der Dino optisch vermittelt, werden beim Fahren voll bestätigt und gefühlsmäßig sogar noch verstärkt. Hohen Anteil daran hat der Motor, der direkt am Gas hängt und dessen Musik beim Beschleunigen ein akustisches Vergnügen darstellt - subjektiv wird mehr geboten, als man von 2,4 l und 195 PS erwartet. Körperlich werden alle Frequenzen über die bequemen Schalensitze direkt vermittelt, dabei sind aber nie unangenehme Vibrationen spürbar. Das kleine Lederlenkrad mit dem Dino-Schriftzug in der Mitte liegt gut in der Hand und die Rückstellkräfte entsprechen perfekt den jeweiligen Fahrsituationen. Es ermöglicht einen direkten Dialog zwischen dem Fahrer und dem Auto, der noch durch die Pedalerie und den ferraritypisch in der Metallkulisse geführten Schalthebel, unterstützt wird. Jeder Befehl wird sofort aufgenommen und die Rückmeldung erfolgt unmittelbar zum Fahrer.

Auf der teilweise noch nassen Rollbahn des Flughafens Niederöblarn hatte ich dann die Möglichkeit, den Grenzbereich des Ferrari Dino auszuloten. Beim Beschleunigen zeigte sich keine Schwäche und jede Lenkbewegung wurde unmittelbar umgesetzt, wobei sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten möglich waren. Sogar beim Bremsen im Kurveneingang zeigte der Dino eine ausgewogene Bremskraftverteilung und war auch auf dem teilweise sehr rutschigen Untergrund gut beherrschbar. Der alte Spruch „in der Kurve nicht bremsen“ gilt zumindest für den Könner bei diesem Auto nicht mehr. Für einen Mittelmotor-Sportwagen der ersten Generation war dies ein überraschend perfektes Handling auch im Grenzbereich.

Insgesamt präsentiert sich für mich der Ferrari Dino 246 GT als ein Auto, das nicht nur schön zum Anschauen ist, sondern ein sehr effektives Sportgerät zum Fahren ist. Aus der statischen Schönheit wird beim Fahren eine dynamische Schönheit. Auf der Landstraße ist er ein angenehmer und überraschend bequemer GT-Wagen, im harten Test auf der Piste wird er zum fast perfekten Sportgerät. Das Lenkrad wird zum Zauberstab - unmögliche Dinge werden für den Könner machbar!

Für mich ist der Dino in jedem Fall ein echter Ferrari und die manchen Puristen fehlenden 6 Zylinder sind mir nie abgegangen. Im Handling übertrifft er vielleicht sogar einige seiner berühmten 12-zylindrigen Markenkollegen. Meine Zusammenfassung daher: „Seine Leichtfüssigkeit und die direkten Reaktionen machen den Ferrari Dino zu einem echten Traumwagen“.

Wenn Sie mehr über den Lebensweg des "fliegenden Finnen" erfahren möchten, klicken Sie bitte hier.

Text: Rauno Aaltonen
Fotos: Rudolf Schraml