Classic Driver nahm mit einem Land Rover Series I und einem Jaguar Daimler DS 420 Majestic teil. Motto: „Ein Schiff wird kommen!“
Mit einem royalen Jaguar Daimler DS 420 Majestic über Grand-Prix Strecke und Nordschleife zu bügeln, ist ein ganz besonderes Vergnügen. Und eigenwillig dazu. Allein, geplant war es nicht. Denn eigentlich wollten wir den 5,1 Kilometer messenden Rundkurs und die 20,8 Kilometer lange Legendenstrecke mit einem ganz anderen Fahrzeug bezwingen: mit einem rein mechanischen Land Rover Series I, Baujahr 1948. Ein frühes Modell mit der Typisierung „Lights behind the grill“ – wie der „Landylord“ sagen würde.
Kenner haben die Pointe bereits verstanden: Grand-Prix-Strecke und Nordschleife im Series I Landy. Verrückter geht es kaum! Das muss sich unser grüner Kumpel auch gedacht haben. Den knochigen Rover ergriff rechtzeitig eine vage Vorahnung auf diese sportliche Übung: Kurzerhand quittierte am Vorabend der Prüfung der Hauptbremszylinder seinen Dienst. Welch Ironie der Mechanik: Beim langsamsten Fahrzeug des 120 Fahrzeuge zählenden Teilnehmerfeld fällt die Bremse aus. Ausgerechnet! So musste der repräsentative Daimler im königlichen Livree ran. Der sollte eigentlich nur im Fahrerlager eine bella figura machen. Rein statisch versteht sich. Doch wenn die Pflicht ruft, gibt es kein zurück. Ehrensache – auch wenn es nur noch ums Mitfahren außerhalb der Wertung geht. Auch dies nur einer von unzähligen Momenten der diesjährigen Eifel Classic, welche vom 7. bis 9. Juni das Eifelrennen und den Jan Wellem Pokal flankierte.



Hinein ins Rallye-Geschehen: Hochwohlgeboren, will sagen, seine Navigationsdurchlaucht von und zu Roadbook und Tripmaster, Rufname Alex, nimmt ohne zu Fragen auf dem hinteren Mohair-Sofa Platz, während ich mich redlich Mühe, die auf knapp sechs Metern verteilten zwei Tonnen wenigstens einigermaßen galant über die Nordschleife zu scheuchen. Die Konversation beschränkt sich auf relativ einsilbige Kommentare: „Jetzt links, gleich rechts, danach wieder links, dann voll, scharf rechts“ und so weiter und so fort. So viel sei verraten: Ideallinie, Vollgas und gute Bremsen sind drei wesentliche Faktoren für diesen Parforce-Ritt mit dem Schlachtschiff. Dennoch sausen uns 911er, Triumph-Roadster und E-Types um die Ohren, fliegen an uns vorüber. Dabei hebt unser Daimler an den zahllosen Kurveneingängen bereits äußerst unfein das kurveninnere Rad, schiebt mächtig über die Vorderräder und wimmert dazu kläglich. So als wäre die Queen ihrem Lieblings-Corgi auf den Schwanz getreten. Pikierte Blicke nur bei meinem Co-Piloten. Den Zuschauern am Streckenrand gefällt‘s.
Offen gestanden: uns auch. Anlässlich des 60. Thronjubiläums Ihrer Durchlaucht Queen Elizabeth II. hat Jaguar Land Rover gleich ein ganzes Aufgebot in die bereits grüne Eifel geschickt. Ein Range Rover von Prinz Charles ist dabei. Ein XJ Serie I von Queen Mum, der nun von Schauspieler Mark Keller gesteuert wird. Schauspieler Jürgen Vogel und Co-Pilot Jan Broer machen es sich im dunkelgrünen XJ-SC V12 von Prinzessin Diana bequem. Dass unser Landy ehemals von Prince Charles gefahren wurde, interessiert das Auto selbst aber herzlich wenig. Das Teilnehmerfeld dieser Rallye ist bunt gemischt. Wir entdecken einen Invicta Open Tourer, mehrere 300 SL Flügeltürer und Roadster, MGA, Austin-Healey, einen Lotus Elan SE, Volvo Amazon und Buckel, einen Ferrari 330 GTC, reichlich Mercedes Pagoden, diverse Porsche und Alfa Bertone. Auch seltene Marken gehen bei der Eifel Klassik 2012 an den Start: Riley, Lancia, De Tomaso. Und skurrile Fahrzeuge wie Ford RS 200 und Volkswagen B 32 – ein Bully mit Porsche-Motor. Wumms, den man nicht sieht. Oder erst dann, wenn es zu spät ist.



Dieses von edel bis schräg changierende Teilnehmerfeld nimmt die Eifel unter die Räder. Start- und Endpunkt ist jeweils das Fahrerlager im Infield der Grand-Prix-Strecke. Die erste Etappe führt über 170 Kilometer nach Bad Neunahr. Bereits nach den ersten Prüfungen zeigt sich, wer hier zum Spaß mitfährt und wer die Messer zwischen den Zähnen hat. Am zweiten Tag führt die Route in den Nordwesten. 259 Kilometer mit den Stationen Bad Münstereifel, Heimbach, Schwammenauel und Meuspath belohnen mit wunderbaren Fahrstrecken, die so viel Freude bereiten, dass die Wertungsprüfungen für manche Teams vollends zur Nebensache geraten. Andere werden von den geheimen Prüfungen dermaßen überrascht, dass sich das gesamte Feld noch einmal neu sortiert. Das macht es spannend.
Auch wir gehen das Ganze ernsthaft an, mit unserem Daimler DS 420. Baujahr, man staune: 1989. Mein Co-Pilot hat es sich im hinteren Abteil äußerst häuslich eingerichtet. Der Kamin prasselt wohlig, die Hauskapelle musiziert und Gin-Tonic wird jede halbe Stunde nachgereicht – „chilled“ natürlich. Von wegen! Damit derlei Flausen erst gar nicht in seinen Sinn geraten, nehme ich die ein oder andere Eifelkurve etwas sportlicher. Der Kollege schaukelt auf seinem Mohair-Sofa hin und her und balanciert fleißig Roadbook, Stoppuhren und Bordkarten. So ist recht. Aber bitte nicht die Tripmaster Bedienung vergessen! Übung macht den Meister.



Verkehrte Welt: Alleine die Wertungsprüfungen schaffen etwas Entspannung. Ich nutze die Wartezeiten, um meine Rallye-Notizen zu vervollständigen. Der Kollege Roadmaster sortiert derweil die letzten 40 gefahrenen Kilometer. „Sag mal, in Mauel sind wir schon durch, oder?“ Ja! „In Urmauel etwa auch?“ Ja. „Ach so – dann machen wir jetzt eine Wertungsprüfung.“ Stimmt! Mein Kollege versucht bemerkenswert hartnäckig, sich doch noch als Fahrer zu qualifizieren. Aber nichts da, schön hinten bleiben, Euer Hochwohlerkoren. Dann: Der Tross setzt sich in Bewegung. Langsam und lautlos gleite ich zum Vorposten. Fahre fast vorbei. „Halt! Die Bordkarte!“ ruft der ganz in Gelb bewestete aufgeregt. Hinten surrt eine Scheibe herunter und mein Beifahrer lässt sich zur jovialen Gegenfrage herab: „Was ist das Begehr? Ach, der Passierschein schon wieder. Moment, ich frage mal. Hat jemand hier drinnen so eine – wie sagten Sie gleich – Bordkarte gesehen?“ Zu schön.



Jedenfalls kommen wir am letzten Tag über die ausbleibenden 270 Kilometer durch die Hohe Eifel und die Vulkaneifel bestens voran. Verhauen keine der Wertungsprüfungen – nun ja, dem Streichergebnis sei dank – und ärgern uns beinahe, dass wir außerhalb des Klassements unterwegs sind. Mit den übrigen Teilnehmern aber sind wir uns einig, dass der dritte Tag die vielleicht schönsten Strecken bietet - auch weil das Veranstalterteam nicht nur im Vorwege, sondern auch unterwegs einen sehr guten Job gemacht hat. Gesamteindruck: von wegen grüne Hölle. Ein grüner Traum! So könnte es weitergehen. Doch jede Rallye findet ein Ende. Auch die Eifel Classic 2012. Wir bringen unseren Kreuzer wohlbehalten ins Ziel. Und ernten wohlwollenden Applaus für unseren Heldenmut, das Dickschiff einmal auf Sportwagen zu trimmen. Den Gewinnern im 280 CE W 123 Youngtimer gratulieren wir anerkennend. Und schwören, im nächsten Jahr mit dem über 60 Jahre alten Land Rover gehörig Paroli zu bieten. Ehrensache!
Fotos: Gudrun Muschalla / Alexander Gregor / Mathias Paulokat