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Die Classic Days Schloss Dyck waren ein Fest für alle Enthusiasten

Inzwischen zählen die Classic Days Schloss Dyck zu den wichtigsten deutschen Events in der Klassikerwelt. Neben Autos aus allen Epochen lockt ein attraktives Rahmenprogramm, das Fachpublikum und Familien und zugleich begeistert. Błażej Żuławski hat sich für uns auf dem grünen Rasen umgesehen.

Die zarten weißen Wolken, die den Himmel über dem Rokokoschloss akzentuieren, und angenehme 25 Grad lassen vergessen, dass hier noch vor wenigen Tagen Hitzerekorde geknackt worden sind. Dieser Sitz der Familie Metternich, der im 18. Jahrhundert eine trutzige Burganlage ersetzte, öffnet im 21. Jahrhundert freundlich die Tore für die erwartungsvolle Menge, die schon ab neun Uhr morgens ausharrt. Manche zu Fuß und manche in Automobilen, die über das Classic Days-Wochenende auf dem Rasen zu besichtigen sein werden - oder auf einer eigens eingerichteten Rennstrecke auf dem Gelände und durch ein nahes Dorf ihr Bestes geben.

Bevor wir einen Blick auf die Fahrzeuge werfen, gibt es noch sehr viel kleinere Meisterwerke des Designs zu bewundern. A. Lange & Söhne feiern nicht nur ihr 25-jähriges Jubiläum, sondern markieren ihre enge Verbindung zur Klassikerwelt mit einer speziellen Uhr - seit 2015 ist die Uhrenmanufaktur Partner der Classic Days, seit 2012 des Concorso d`Eleganza Villa d`Este. Der Zeitmesser trägt den Namen Lange 1 Daymatic „25th Anniversary”. Diese Automatikuhr ist wie ein Spiegelbild der berühmten Lange 1 mit der die traditionsreiche sächsische Manufaktur ihre beeindruckende Renaissance einleitete. Mit ihrer retrograden Wochentagsanzeige, einem Weißgold-Gehäuse mit blauen Akzenten unterscheidet sich die Jubiläumsedition vom Original mit Handaufzug in einem wesentlichen Punkt: Das asymmetrisch elegante Zifferblatt ist wie ein spiegelbildliches Vexierbild, denn die Stunden und Minuten wurden nach rechts gerückt, Sekunden und die markante Datumsanzeige sind nun links. An die Stelle der Anzeige für die  Gangreserve rückt das retrograde Display für den Wochentag auf die andere Seite des Zifferblatts. 

Hinter diesem optischen Clou steckt die praxisorientierte Überlegung, dass bei einer Automatikuhr, die Information zum Wochentag wichtiger erscheint, als der Stand der Gangreserve. Das jüngste Modell aus Sachsen ist wieder ein Meisterwerk, dass Sammler begeistern wird, zumal die Jubiläumsuhr auf nur 25 Exemplare limitiert ist. 

Zeitloses Design, mechanische Perfektion und überragende Handwerkskunst sind Attribute, die Uhrensammler und Klassikerenthusiasten natürlich gleichermaßen faszinierend, weswegen die Schnittmenge gerade bei Klassikerveranstaltungen entsprechend groß ausfällt. Dessen ist sich auch Langes CEO Wilhelm Schmid bewusst, der mit einer Präsentation am Freitagabend die Classic Days eröffnete. „Ich bin Teil dieser eingeschworenen Gemeinde”, betonte er, lässig an seinem spektakulären, grauen Frazer-Nash-Le Mans-Coupé lehnend.

Diese nonchalante Haltung dürfte Lange auch bewogen haben, gerade die Classic Days zu unterstützen, denn obwohl der Wettbewerb Technik und Innovation der klassischen Renn- und Straßenwagen zelebriert, zeigt sich hier die Klassikerwelt von ihrer entspannten Seite. Das Wochenende vor dem Schloss ist ein offenes und freundliches Fest, das nicht nur große, sondern auch kleine Enthusiasten anspricht. Die Steampunk Clowns verströmten ein wenig Zirkusluft vor vornehmer Kulisse und ein Spielplatz rund ums Thema Auto dürfte auch junge Fans angelockt haben. Überhaupt herrscht rund um Schloss Dyck eine wundervoll egalitäre Atmosphäre, die keinen Unterschied zwischen der Champagner- und der Bratwurst-Fraktion kennt. 

In diesem Jahr stand erstmals der „Masterpieces” Concours d`Elegance als neuer, fester Bestandteil der Classic Days auf dem Programm. Gerade noch hält man den Atem an beim Anblick des Targa Florio 1964 Lancia Sport Zagato Prototipo - eine One-off mit der Chassisnummer 001 und dem originalen Targa Florio-Abzeichen - und im nächsten erlebt man, wie Arturo Merzario mit seinem Alfa Romeo 33 TT 12 auf dem er 1975 die Sportwagen-Weltmeisterschaft gewann, um den improvisiert abgesteckten Rennkurs jagte. Ganz in der Nähe führt Jochen Mass eine hingerissene kleine Besuchergruppe an einigen ausgestellten Sondermodellen vorbei. 

Ein Highlight? Das müsste unbedingt der von Vittorio Jano gezeichnete stromlinienförmige Alfa Romeo 6C 2300 Aerodynamica Spyder von 1937 sein. Als erstes Auto weltweit mit Mittelmotoranordnung und zentraler Sitzposition - gut 50 Jahre vor dem McLaren F1 und 27 Jahre vor dem Matra Jet - beeindruckt er mit einem Widerstands-Koeffizient von 0,23. Er galt nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen, um Jahre später in einer kroatischen Scheune entdeckt zu werden. Nach einer sorgfältigen Restaurierung gab er sich auch immer wieder in Goodwood ein Stelldichein. 

Und noch ein Highlight? Das war fraglos bei den Classic Days ein exklusiver Kreis von rund 15 Vorkriegs-Bentley, der angereist war, um den 100. Geburtstag der britischen Marke zu markieren. Aber nicht minder spannend war ein rennfähiger Bugatti Royale-Prototyp angetrieben von einer gemeinsam mit Diatto entwickelten Version der berühmten Bugatti-Aeromaschine: ein schwarzer Riese, der ein wenig an die verrückten „Chitty”-Kreationen des Grafen Zborowski erinnert. Daneben war ein makelloser Type 35 komplett mit seinem eigenen geschlossenen Transporter - noblesse oblige!

Wem die Rennwagen der Vorkriegszeit zu entrückt erscheinen mögen, kam bei den DTM-Champions im Zelt von Mercedes-Benz Classic voll auf die Kosten. Porsche hatte einige der in Le Mans siegreichen 917 mitgebracht, darunter in legendärer grüner Stallfarbe jener von David Piper. Motorsport-Enthusiasten dürfte das Herz vor Freude gehüpft sein beim Anblick des wiederbelebten Teams Jägermeister. Das Ziel ist, den Geist des Geweihs auferstehen zu lassen, und nachdem der ehemalige Teamleiter Eckhard Schimpf, der die Ära mit Stuck, Lauda und Bellof noch gut in Erinnerung hat, der Besitzer ist, dürfte der Erfolg programmiert sein.

Für jene, denen dieses Aufgebot eine Spur zu oktanhaltig war, konnten sich an der Ausstellung pfiffiger historischer Nutzfahrzeuge, Caravans und wohnmobilähnlichen Vehikeln erfreuen. Das Design bot einen erfrischenden Mix aus stromlinienförmigen, mit reichlich Chrom versehenen Airstream-Modellen; man konnte das verschwenderische braune Verloursinnenleben eines riesigen GMC-Campers bestaunen oder sehnsuchtsvoll einen flotten Fiat Multipla „Taxi Città die Roma” in zartem Grün bewundern. Verehrer von modernen Supersportwagen waren sicher entzückt, wenigsten einen Bugatti Chiron und zwei Veyron auf dem Stand der Volkswagen Autostadt aus nächster Nähe zu studieren. Dazu gab es noch ein paar interessante Vans von DKW - darunter einer mit Elektroantrieb - und ein roter Lamborghini Countach.

Was mir am besten bei den Classic Days Schloss Dyck gefallen hat, waren weder die besonders schönen und eleganten Modelle wie das wundervolle Facel Vega FV2B-Cabriolet von dem man seinerzeit schwärmte, „es ist so schnell wie ein Ferrari und so elegant wie ein Rolls-Royce” oder der grüne Maserati Khamsin, auch nicht Tim Birkins ehemaliger 4 1/2-Liter-Bentley von 1928, der die Trophäe „Best of Show” beim „Masterpieces”-Schönheitswettbewerb davontrug.

Was in meiner Erinnerung haften bleibt, ist ein Festival, dass ein faszinierendes Spektrum bietet, ohne so überlaufen wie das Goodwood Festival of Speed oder die Le Mans Classic zu sein. Man kann wirklich im Rahmen eines Tages alle Angebote genießen. Bezaubernd ist auch die Atmosphäre eines Picknicks. Und auch hier kleiden sich die Besitzer modisch passend zur Ära ihres Fahrzeugs, obwohl es von den Organisatoren vorgeschrieben ist. Manche lassen auch noch Musik aus dem Baujahr ihres Lieblings ertönen, zur stimmungsvollen Beschallung passt auch der Snack. Wer im 2CV angereist ist, nimmt Baguette, Käse und Wein zu sich, wer einen Cadillac sein Eigen nennt, entschied sich für Hot Dogs. So hat sich eine angesehene Klassikerveranstaltung entwickelt, die bei der Auswahl anspruchsvoll ist, aber entspannt genug, um Besuchern prätentiöse Gesten zu ersparen.

Fotos: Blażej Żulawski für Classic Driver © 2019