Die Markenstrategen von BMW bezeichnen den 5er Gran Turismo gerne als Sports Activity Vehicle. Mit dem SAV stellen die Münchner ein neues Mobilitäts- und Raumkonzept vor, welches die Vorteile von Limousine, Touring und SUV vereinen soll. In den Gedankenspielen der BMW-Designer soll der GT sowohl den Surfer, die junge Familie, als auch den Stereotyp des jung-dynamischen Unternehmers begeistern. Ob diese „Rundumschlag-Zielgruppe“ bereit ist, den neuen BMW-Weg zu beschreiten, wird sich erst zeigen müssen.

Neben Limousine und Touring ist der Gran Turismo das dritte Familienmitglied in der für BMW wichtigen 5er-Baureihe. Allerdings erinnerte das neue Modell auf den ersten Pressebildern mehr an einen tiefer gelegten X6 als an seine Limousinen- und Kombigeschwister. Und auch in Fragen des Preises spielt der Neue eher in der Ober- als in der Mittelklasse mit. Zwar ist der 530d Gran Turismo schon für 55.200 Euro zu haben, jedoch kann der Preis mit Topmotorisierung und umfangreichen Sonderzubehör schnell die 100.000 Euro-Grenze überschreiten.

Soweit die theoretische Kritik an diesem neuen Fahrzeug-Konzept. Eine Testfahrt an der portugiesischen Atlantikküste soll Klären, für wen dieses „Allround-Mobil“ sinnvoll sein könnte. Wir wählen den Reihensechszylinder-Dieselmotor, den 530d Gran Turismo. Das 3-Liter-Aggregat mit Aluminium-Kurbelgehäuse und Common-Rail-Direkteinspritzung leistet 245 PS.

Der Erstkontakt mit dem Gran Turismo ist eine Überraschung! Die kritischen Berichte über das „verunglückte Design“ des neuesten BMW sind – wie so oft in letzter Zeit – maßlos überzogen. Die Formensprache des 5er GT scheint fast schon zu artig für die Begründung eines neuen Automobilsegments. Die Kanten und Linien des coupéhaften Riesen reihen sich brav in den Look seiner Modellfamilie ein. Der ungewöhnliche Look des Hecks ist dem speziellen Beladungskonzept des GT zu schulden. Der 440 Liter fassende Kofferraum lässt sich entweder durch eine Luke, die bis kurz unter die Heckscheibe öffnet oder durch eine große Klappe, bei der sich die gesamte Heckscheibe mit öffnet, beladen. Rahmenlose Fenster, eine schwungvolle Dachlinie und als Kontrapunkt eine hohe Gürtellinie stehen für sportliches und zugleich mondänes Reisen.

Wer den Einstieg durch die etwas klein dimensionierten vorderen Türen absolviert hat, den erwartet ein Interieur von der Güte einer Oberklasse-Limousine. Hier spielt der 5er GT in der 7er-Liga und hat nur noch wenig mit seiner Modellfamilie gemein. Für den „Großen Tourer“ stehen gegen Aufpreis alle nur erdenklichen Assistenzsysteme zur Auswahl: Nachtsichtkamera, Head-Up-Display, Rückfahrkamera und viele mehr. Die Rückfahrkamera ist in jedem Falle eine gut Investition, da der Preis für die Anmutung eines Coupés eine eingeschränkte Sicht nach hinten ist.

Der 5er GT ist neben der Lang-Limousine 760li der einzige BMW, der den Passagieren im Fond mehr Freude am Fahren bereiten als dem Chauffeur. Wahlweise ist der Gran Turismo als Fünfsitzer oder in einer Variante mit vier Plätzen erhältlich. In letzerer Version dürfen sich die Damen und Herren im Fond auf eine besonders komfortable Reise einstellen. Dank der elektrisch um zehn Zentimeter verschiebbaren Einzelsitze genießen die Passagiere weit mehr Schulter- und Beinfreiheit als die vorderen Mitfahrer. Damit durch die erhöhte Sitzposition nicht der Kopf am Dachhimmel anschlägt, wurden - ganz im Zagato-Double-Bubble-Stil - zwei Auswuchtungen im Dach integriert, die allerdings äußerlich nicht zu erkennen sind. Ein riesiges Panoramadach liefert zusätzlichen Weitblick, der zum Verständnis dieses Automobils absolut notwendig ist. Wer sich nicht um die vorbei ziehende Aussicht schert, dem bietet das voll ausgestattete Entertainment-System vom Internet bis zum DVD-Filmgenuss mehr als ausreichend Unterhaltung an Bord.

Auch wenn das üppige Komfortangebot für die Hinterbänkler sehr verlockend ist, wird reichlich Fahrfreude geboten. Trotz seines Leergewichts von zwei Tonnen vermittelt der Grand-Touring-Riese dem Fahrer das Gefühl, als säße er hinter dem Volant einer sportlichen Limousine. Die neue adaptive Luftfederung an der Hinterachse – wie in der Langversion des 7ers lässt sich – durch verschiedene Modi der gewünschten Fahrweise anpassen. In der sportlichen Einstellung klebt das Fahrwerk wie Patex auf der Fahrbahn, und dank der mitlenkenden Hinterachse lassen sich auch enge Kurven flink meistern. Selbst plötzlich Richtungswechsel bringen den GT nicht ins Wanken.

Der 530d ist dank hoher Lufruhe und guter Motorraumisolierung kaum als Diesel wahrnehmbar. Mit 245 PS und 540 Nm sprintet der 530 GT in unter sieben Sekunden auf Tempo 100. Der Geschwindigkeitsritt endet bei 240 km/h. Die neue Achtgang-Automatik, die BMW bislang nur für den 12-Zylinder 7er anbietet, spielt die Gänge-Klaviatur präzise und gleichzeitig sanft. Sie passt sich der jeweiligen Fahrsituation rasend schnell an und sorgt so stets für eine harmonische Kraft auf die Hinterachse. Das neue Schaltgetriebe ist für alle drei Modellvarianten des 5er GT lieferbar. Für denjenigen, der aus Prinzip keinen Dieselantrieb wünscht, steht noch der BMW 535i GT mit einem völlig neu entwickelten Sechszylinder-Direkteinspritzer mit Bi-Turbo (ab 55.700 Euro) und einer Leistung von 306 PS zur Auswahl. Wem auch dieses nicht reicht, kann auf den Achtzylinder im 550i zurückgreifen. Die Topmotorisierung leistet 407 PS und kostet 75.300 Euro

Nach einer Probefahrt mit dem 530d Gran Turismo lässt sich konstatieren, dass BMW mit dem GT ein modernes und zeitgemäßes Fahrzeugkonzept präsentiert. In der Tat erschließt sich der Sinn und Nutzen dieser neuen Automobil-Klasse erst im Alltagsbetrieb. Dieser Umstand könnte dazu führen, dass der 5er GT nur zögernd von den Kunden akzeptiert wird. Wer sich erst einmal für eine Probefahrt entschlossen hat, dem erschließen sich die Vorteile des sportliche Frachters aus München. Er verbindet tatsächlich das nützliche Raumangebot eines Vans mit der Agilität und dem Komfort einer BMW-Limousine. Eine zuverlässige Prognose über Erfolg oder Misserfolg des 5er GT lässt sich nur schwer Vorhersagen. Blickt man zurück auf die jüngere BMW-Modellgeschichte, so erlitt der X6 bei seiner Präsentation fast nur Harm und Schelte, ist aber heute das einzige BMW-Modell mit Wartezeit. Die Münchner sollten schleunigst eine Hybrid-Version des 5er Gran Turismo nachlegen, denn für eine moderne Fahrzeugklasse wie diese, könnten sich die Erfolgschancen am Markt mit einem alternativen Antriebssystem erhöhen.

Text: J. Philip Rathgen
Fotos: BMW