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Magazin

BMW 330i

Valencia, Ciutat de les Arts i de les Ciències, im Januar 2005. Vor den organisch-futuristischen Skulpturen von Stararchitekt Santiago Calatrava präsentiert BMW die neue 3er Reihe und somit auch das neue Volumen-Modell der weit gefächerten Angebotspalette. Der beeindruckende architektonische Hintergrund ist nicht umsonst gewählt, wirkt der neue 3er doch weitaus weniger spektakulär als die jüngsten Novationen von 7er, 5er und Z4 bis 1er, denen Chefdesigner Chris Bangle mit ungewohnten Wölbungen und eigenwilligem Leuchtendesign zu besonderer Aufmerksamkeit und heftiger Polarisation verholfen hatte. Für Bangles Kritiker dürfte die Enthüllung des Dreiers ein Grund zum Aufatmen gewesen sein – bleibt das neue Modell mit der Internen Bezeichnung E90, trotz aktueller Corporate Design Standards und gestreckten Dimensionen, doch ziemlich nah an der Linienführung des erfolgreichen Vorgängers E46.

Als erstes Modell im Triptychon aus Limousine, Touring und Cabriolet enthüllt BMW traditionsgemäß den Viertürer. Als Einstiegsversion steht der BMW 320d und das Benziner-Pendant 320i parat; der nächste Schritt auf der Leistungsleiter ist der BMW 325i mit 218 PS und die Sportvariante stellt – vorerst – der BMW 330i. Bestückt mit einem neuen und 258 PS starken Sechszylindermotor ist der neue 330er um 27 PS kräftiger geworden und auch das Drehmoment ist auf 300 Nm zwischen 2500 und 4000 Umdrehungen angewachsen. Den Standardspurt auf 100 km/h absolviert das Topmodell beim Weg durchs spanische Hinterland dann auch in sportlichen 6,3 Sekunden; die Sechsgangschaltung kommt gerade beim Anfahren aufgrund der engeren Abstufung und der vergrößerten Spreizung zwischen kleinstem und größtem Gang mit zusätzlicher Zugkraft zur Hilfe. Bei 250 km/h drückt – wie gewohnt - die elektronische Kindersicherung dem Gasfuß energisch entgegen.

BMW 330i BMW 330i

Nach den ersten positiven, aber kaum überraschenden Eindrücken auf der Geraden kommt in Level 2 das Fahrwerk ins Spiel. Bereits auf den ersten abschüssigen Metern der Serpentinenstraße entstaubt der 330i die alte Parole von der Freude am Fahren: Was das Datenblatt mit den Stichworten‚ ausgeglichene Achslastverteilung’, ‚Aktivlenkung’ und ‚Fahrwerkregelsystemen’ beschreibt, fährt sich auf der schmalen Schotterpiste mit dreifachen Haarnadelkurven wie auf Schienen. Der „große“ BMW 3er klebt auf der Ideallinie, kommt selbst bei starker Beschleunigung und abrupten Bremsmanövern auf der unregelmäßig gestreuten Patchwork-Straße nicht ins rutschen und findet dank DSC beim ungebremsten Kurvenspurten schnell wieder in die ursprünglich angepeilte Fahrtrichtung zurück.

In Level 3 kommt wieder die Aktivlenkung ins Spiel. War das Lenkverhalten eben noch direkt und agil, steuert der 3er sich nun, als er sich auf der endlosen Wüstenstraße wieder durchtreten und hochschalten lässt, indirekter und somit komfortabler. Nächster Punkt auf der Liste ist die aktive Geschwindigkeitsregelung ACC, die automatisch den richtigen Abstand zum Vordermann hält. Da sich außer einigen verstaubten Rennradfahrern keine anderen Verkehrsteilnehmer in Reichweite befinden, wird es Zeit für eine Studie des Innenraums. Wer bereits im 7er und 5er Platz genommen hat, muss sich beim neuen 3er auf keine Überraschung einstellen – das Cockpit ist klar strukturiert und fahrerorientiert, iDrive und Controldisplay sind an ihrem Platz und auch eine gewisse „Dynamik“ – das Lieblings-Motto der BMW Marketingstrategen – lässt sich angesichts der Sportsitze und des griffigen Lenkrades verspüren. Den Eindruck, dass die „Holzapplikationen“ heute künstlicher aussehen als die Plastikabdeckungen eines 3er BMW von 1987, kann man mit etwas gutem Willen als „Retro-Styling“ abtun oder sich eben für ein dezenteres Ausstattungspaket in matt-schwarz entscheiden.

BMW 330i BMW 330i

Das finale Level der Testfahrt, bestehend aus Handling-Parcour und Rennstrecke, bestätigt die bisher gewonnenen Eindrücke: Auf der künstlich nachgestellten Eisbahn zeigen DSC und Aktivlenkung noch einmal, wie man selbst bei hoher Geschwindigkeit und unterschiedlichen Reibwerten um fast jeden Kurve kommt, ohne das Heck zu versetzen und wie viel präziser ein elektronisches System gegenlenkt als ein Fahrer aus Fleisch und Blut. Schaltet man in den DTC-Modus, wird die Traktion noch einmal erhöht. Auf der Rennstrecke wird man noch einmal unterschwellig aber bestimmt auf die 258 PS und das straffe Fahrwerk hingewiesen, ehe der Testwagen in den wohlverdienten Feierabend entlassen wird.

BMW 330i BMW 330i

Löst der neue Dreier denn nun ein, was seine Vorgänger in drei Jahrzehnten versprochen haben? Kann der BMW 330i, Modelljahr 2005, aus dem Schatten seiner übermächtigen Vorfahren treten? Keine Frage, er kann! Wer die typisch bayerische Sportlichkeit und Fahrdynamik schätzt, bekommt mit der fünften Generation des Dreier alles geboten, was in der oberen Mittelklasse ohne Zusatztuning zu holen ist. Im Gegensatz zu 7er und Co. setzt BMW mit ihrem neuesten Zugpferd neben glatt und stimmig gebügelte Proportionen vor allem auf die Technik, um den Vorsprung im Segment vor Mercedes und Audi zu vergrößern. Wer den „großen“ Dreier einmal selbst gefahren ist, wird den Einstiegspreis von 35.900 Euro auch nicht als überzogen ansehen – eine solch präzise Fahrmaschine hat eben ihren Preis. Zudem lässt sich mit dem BMW 330i hervorragend die Zeit überbrücken, bis es in München endlich wieder heißt: „Meine Damen und Herren, es ist uns eine Ehre: Der neue BMW M3!“

Text: Jan Baedeker
Foto: BMW


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